In letzter Zeit hat die Zahl der Berichte in deutschsprachigen Medien über die verheerende Politik der amtierenden brasilianischen Regierung und insbesondere des brasilianischen Präsident Jair Bolsonaro erfreulicherweise deutlich zugenommen (siehe die Artikelauswahl und diesem Beitrag). Erfreulich ist das deshalb, weil langsam die Natur zerstörende und Menschen verachtende Politik Bolsonaros ins öffentliche Bewusstsein rückt. Auch der ehemalige Europaabgeordnete Wolfgang Kreis-Dörfler, der heute in Brasilien lebt, schreibt bald täglich auf seinem Facebook-Account über die dramatische Lage und Entwicklung in Brasilien.
Die Bundesregierung lässt sich davon nicht beeindrucken, wie der Brüssel Journalist Eric Bonse schon am 2. April 2020 auf seinem Blog „Lost in EUrope“ vermerkte.
Aber immerhin hat das Europäische Parlament dieses brisante Thema erneut auf seiner Tagesordnung gehabt und am 19. Juni 2020 über Landraub und die Abholzung im Amazonas-Gebiet debattiert. Helmut Scholz, der handelspolitischer Sprecher der Linken im Europaparlament, hat dazu die folgende Erklärung abgegeben:
Seit Amtsantritt Präsident Bolsonaros ist im brasilianischen Amazonasgebiet so viel Regenwald vernichtet worden wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Aus einem, erst auf Gerichtsbeschluss veröffentlichten Video einer Kabinettssitzung, wissen wir, dass sein Umweltminister vorschlug, alle Regulierungen zu ändern, die Minengründungen und Landwirtschaft in Schutzgebieten verhindern. Und laut dem Minister geschehe dies am besten, solange die Medien noch mit Corona beschäftigt seien.
Diese Geisteshaltung der Bolsonaro-Regierung ist empörend! Es wäre absurd, wenn wir als EU nun ein Handelsabkommen mit einer Regierung abschließen würden, der wir nachweislich kein Wort ihrer Versprechungen aus dem Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens glauben können. Im Gegenteil: Die Bolsonaro-Regierung ebnet die Wege für die Abholzung. Schutzgebiete werden verkleinert, Umweltschutzbehörden gezielt geschwächt.
Selbst Landraub soll gedeckt werden. Bolsonaro legte dem Parlament ein Gesetz vor, mit dem die kriminelle Besetzung von öffentlichem Land nachträglich und in Zukunft legalisiert würde. Damit lädt die brasilianische Regierung nationale und internationale Unternehmen ein, mit ihrer Agrarproduktion und Bodenschatzgewinnung der Umwelt unumkehrbaren Schaden zuzuführen und der dort lebenden indigenen Bevölkerung den Lebensraum zu entreißen.
Wir müssen aus unserer Handelspolitik ein Instrument machen, um solche Verbrechen zu verhindern. Sozial- und Umweltstandards in internationalen Abkommen müssen verbindlich und einklagbar werden. In der Europäischen Union brauchen wir ein umfassendes Lieferkettengesetz, um beispielsweise den Handel mit Produkten zu untersagen, die auf Basis von Abholzung tropischer Wälder hergestellt wurden. Das Mercosur-Abkommen gehört auf den Prüfstand. Können die negativen Umwelt- und Sozialkonsequenzen nicht ausgeschlossen werden, muss es vom Tisch. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss ihren konkreten Beitrag zur Herstellung gesetzlicher Verbindlichkeiten leisten, um die Wälder und die darin lebenden Menschen und das Klima zu schützen.
Artikelauswahl zur Entwicklung in Brasilien
Covid-19 in Lateinamerika: Brasilien registriert 1.269 Tote binnen eines Tages. Nur in den USA gibt es mehr Tote und Infizierte: Brasilien wird immer stärker vom Coronavirus getroffen. Die offiziellen Zahlen bilden das Ausmaß laut Experten nicht ab. | Die Zeit, 18.06.2020
Umweltaktivist über Lehren aus Corona: „Die Regierung möchte uns töten“ Ailton Krenak ist prominenter indigener Umweltaktivist in Brasilien. Ein Gespräch über Corona, Kolonialismus und Europas blinde Flecken. Interview von Simon Sales Prado | taz, 17.06.2020
Coronavirus: Brasilien meldet mehr als 37.000 Neuinfektionen binnen eines Tages. Seit Wochen steigen die Infektionszahlen. Nun verkünden die Behörden einen neuen Tageshöchststand. Dennoch werden Maßnahmen weiter gelockert, die WHO ist äußerst besorgt. | Die Zeit, 17.06.2020
Polizeigewalt in Brasilien: Sie kommen, um zu töten. Derick Garcia hat Glück gehabt. Er entging nur durch Zufall den Kugeln. In den Favelas rund um Rio de Janeiro ist Polizeigewalt allgegenwärtig. Von Niklas Franzen | taz, 16.06.2020
Corona in Brasilien: Fast ein Toter pro Minute. Brasilien ist weltweiter Corona-Hotspot. Dennoch treten erste Lockerungen in Kraft. Das löst Proteste aus – von Gegnern, aber auch von Befürwortern. Von Niklas Franzen | taz, 12.06.2020
Brasilien: Copacabana wird zum Friedhof. Protestierende haben Dutzende Gräber ausgehoben, um ein Zeichen gegen die Corona-Politik von Jair Bolsonaro zu setzen. Das Land beklagt Zehntausende Covid-19-Tote. | Die Zeit, 11.06.2020
Weiterer Personalwechsel: Bolsonaro verliert seinen Bildungsminister. Er fiel mit Nazivergleichen und rassistischen Kommentaren auf: Brasiliens Bildungsminister Abraham Weintraub räumt seinen Posten. Präsident Jair Bolsonaro muss nun zum siebten Mal ein Kabinettsmitglied ersetzen. | Der Spiegel, 10.06.2020
Brasilien: Prinzip Provokation. Mit Wissenschaftsskeptikern und Verschwörungstheoretikern auf wichtigen Posten steuert das Land einem Höhepunkt der Corona-Pandemie entgegen. Von Niklas Franzen | Der Freitag, 10.06.2020
Coronavirus-Pandemie: Brasilien muss wieder gesamte Infektionszahl veröffentlichen. Die Regierung veröffentlicht nur noch täglich neue Fälle, nicht aber die Gesamtzahl von Infizierten und Toten. Diese neue Praxis muss sie laut oberstem Gericht aufgeben. | Die Zeit, 10.06.2020
Proteste gegen Brasiliens Präsidenten: Massive rassistische Polizeigewalt. Mit Jair Bolsonaro ist ein offener Rassist in Brasilien an der Macht. Der jahrhundertealte Konflikt wird dadurch noch befeuert. Kommentar von Sonny Riedel | taz, 08.06.2020
Wie Fußballfans in Brasilien die Anti-Bolsonaro-Proteste anführen. Die Ultras füllen damit nicht nur ein politisches Vakuum, sie schließen auch an eine Tradition an | Der Standard, 07.06.2020
Brasilien: Jair Bolsonaro droht Rückzug aus WHO an. Nach den USA droht nun auch Brasilien mit einem Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation. In dem Land grassiert das Coronavirus besonders stark. | Die Zeit, 06.06.2020
Brasilien: Fußballfans und Abgeordnete gegen Bolsonaro. Anhänger rivalisierender Clubs demonstrierten gemeinsam gegen „faschistische Politik“ des Präsidenten | Der Standard, 05.06.2020
Regenwald: Im Vorjahr 11,9 Millionen Hektar tropischer Urwald abgeholzt. Besonders betroffen sind die Regenwälder in Brasilien, Bolivien, Australien und dem Kongo | Der Standard, 02.06.2020
Brasilien: Jetzt wird das Amazonasgebiet geplündert. Die brasilianische Regierung nutzt die Corona-Krise für ihre radikale Agenda: möglichst rasch den Amazonaswald wirtschaftlich erschließen – auf Kosten der Indigenen. Von Thomas Fischermann | Die Zeit, 30.05.2020
Naturschutz: Jedes Jahr verschwinden zehn Millionen Hektar Wald. Ob Rinderfarm oder Sojaproduktion: Die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass Waldfläche verloren geht. UN-Experten sprechen von einer alarmierenden Entwicklung. | Die Zeit, 22.05.2020
Globale Abholzung: Nicht mal die Pandemie kann den Regenwald retten. Trotz Corona ist im März mehr Regenwald abgeholzt worden als in den Jahren zuvor, sagt der WWF. Das bedroht die ökologische Vielfalt, das Klima und die Menschen vor Ort. Eine Analyse von Paul Blickle und Maria Mast | Die Zeit, 21.05.2020
Erhaltung des Regenwalds: Britische Supermärkte drohen Brasilien mit Boykott. Die brasilianische Regierung will verbotene Landnahme nachträglich legalisieren. Mehrere Einzelhandelsketten, darunter auch deutsche, stellen sich auf Seite der Kritiker. | Die Zeit, 20.05.2020
Indigene Völker: Den Amazoniern droht ein Genozid. Der Fotograf Sebastião Salgado hat gewarnt: Für die indigenen Völker des Regenwaldes könnte Corona das Ende sein. Jetzt erreicht das Virus den Regenwald. Menschen vor Ort, die seit Jahren für das Überleben der Ureinwohner kämpfen, schildern die Lage.
Von Karin Ceballos Betancur und Evelyn Finger | Die Zeit, 19.05.2020„Against Integration“: Dieser Wahnsinn muss aufhören. Die Schauspielerin Kay Sara hätte am Samstag die Wiener Festwochen eröffnen sollen. Der STANDARD veröffentlicht ihre vom Theatermacher Milo Rau notierte Rede. Kommentar der Anderen von Kay Sara, Milo Rau | Der Standard, 16. Mai 2020
Kritisches wallonisches Parlament spricht über Handelsabkommen EU-Mercosur. Das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay), das auf wallonischer Seite von allen Seiten heftig kritisiert wurde, kommt am heutigen Montagnachmittag mit einem Entschließungsantrag der CDH (französische Christdemokraten) auf den Tisch des Regionalparlaments. Von Uta Neumann | Flanderninfo, 20.01.2020
Vieh gegen Autos: Stop EU-Mercosur. Von Jürgen Klute | Europablog, 17.12.2019
Reaktion auf Brände und Rodungen in Brasilien: Luxemburg will Mercosur-Abkommen ausbremsen. Luxemburg will, ebenso wie Frankreich und Italien, ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Ländern verzögern – als Reaktion auf die kontroversen Brände und die Rodungen im Amazonas-Gebiet. | Tageblatt Lëtzebuerg, 25.08.2019
In Brasilien brennt die grüne Lunge der Welt – Militäreinsatz gegen Tausende Feuer im Regenwald. Tausende Feuer wüten im Amazonas-Gebiet und bringen die grüne Lunge in Gefahr. Das alarmiert auch die Europäische Union. Macron und Co. wollen den „Tropen-Trump“ zum entschiedenen Kampf gegen die Brände zwingen. | Ostbelgien Direkt, 24.08.2019
Triumph für Jair Bolsonaro: In Brasilien wählen die Wutbürger „Tropen-Trump“ zu ihrem neuen Präsidenten. Jair Bolsonaro gilt als Rassist, Frauenhasser und Waffennarr. Die Präsidenten-Wahl im größten Land Südamerikas gewinnt er trotzdem. Die Brasilianer haben die Nase voll von Korruption und Gewalt – der schneidige Ex-Militär bietet einfache Lösungen an. | Ostbelgien Direkt, 29.10.2018
Titelbild: Amazonas, Vista do Porto de Manaus no Rio Negro | Foto: Mariana Kaipper Ceratti | Banco Mundial CC BY-NC-ND 2.0 via FlickR
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