Die Forderung nach einer humanen Reform der EU-Flüchtlingspolitik steht schon lange auf der Agenda des Europäischen Parlaments. Der Weltflüchtlingstag 2019 (20. Juni) ist ein angemessener Zeitpunkt, daran zu erinnern.
Bereits am 23. Oktober 2013 – gerade einmal drei Wochen nach dem Untergang eines Flüchtlingsbootes vor Lampedusa, bei dem 360 Menschen ertranken und wenige Tage vor dem EU-Ratsgipfel vom 26. Oktober 2013, bei dem das Thema Flucht und Asyl auf der Tagesordnung stand – hatte das Europäische Parlament mit großer Mehrheit eine humane Flüchtlingspolitik eingefordert.
In jener Resolution vom Oktober 2013 formulierte das Europäische Parlament klare Forderungen an den Rat in Bezug auf eine Reform der EU-Flüchtlingspolitik. Die Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge sollte zu einer Kernaufgabe der Grenzüberwachung gemacht werden. In die Neuverordnung für gemeinsame Frontex-Einsätze auf See sollten verbindliche Regeln zur Seenotrettung aufgenommen werden. Alle europäischen und nationalen Gesetze, die die Rettung von Flüchtlingen in Seenot unter Strafe stellen, sollten reformiert werden. Weiterhin wurden Verfahren für eine gerechte und proportionale Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Mitgliedsstaaten eingefordert, um die südeuropäischen Staaten zu entlasten (seinerzeit nahmen nicht einmal die Hälfte der 28 EU-Staaten Flüchtlinge auf). Auch sollten Flüchtlinge nicht mehr in Aufnahmeländer zurück geschickt werden dürfen, wenn deren Asylsystem überlastet ist, was 2013 auf Griechenland, Malta und Italien zutraf.
Darüber hinaus forderte das Europäische Parlament einen fairen Zugang zum europäischen Asylsystem und die Entwicklung legaler Zugangsmöglichkeiten im Rahmen der Migration von Arbeitskräften.
Am 2. Oktober 2014, einen Tag vor dem 1. Jahrestag der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa, veröffentlichte die damalige EU-Innen-Kommissarin Cecilia Malmström eine Stellungnahme, in der sie erklärte: „Die Bilder von Lampdusa sind noch immer in meinem Kopf. Sie sind eine schreckliche Erinnerung daran, dass wir danach streben müssen, dass Europa offen bleibt für jene, die Schutz suchen“. […] „Ich will sehr klar sein – wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht, ist die Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten noch weitgehend inexistent. Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung für die Zukunft.“
Heute – zum Weltflüchtlingstag 2019 – hat sich die Situation gegenüber 2013 und 2014 keineswegs verbessert. Ganz im Gegenteil: Die EU noch deutlich weiter entfernt von den Forderungen des EP, als sie es 2013 war. Denn mittlerweile sind die Zugangsmöglichkeiten in die EU deutlich verschärft worden und die Rettung von Flüchtlingen wird von staatlicher Seite heute noch nachhaltiger behindert und sanktioniert als 2013.
Verantwortlich für diesen mörderischen Stillstand bzw. Rückschritt ist der EU-Rat, also das Gremium, in dem die Regierungen der Mitgliedsländer vertreten sind. Und dort wiederum ist die Berliner Bundesregierung einer der wesentlichen Bremser, die eine humane EU weite Flüchtings-, Asyl- und Migrationspolitik seit vielen Jahren verhindern und die EU zu einer Festung ausbauen, die für Menschen, die aus ihren Herkunftsregionen vertrieben wurden, immer unzugänglicher wird.
Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die Europaabgeordnete Cornelia Ernst (Die Linke) die folgende Stellungnahme zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni 2019.
Standpunkt von Cornelia Ernst
Seit mehr als 25 Jahren geht es in Europa vor allem um Abschottung sowie darum, die Fluchtrouten zu schließen. Auch der ‚Herbst 2015‘ liegt bald vier Jahre hinter uns. Doch noch immer leben Menschen unter unwürdigen Bedingungen auf den griechischen Inseln, in überfüllten Lagern an der türkisch-syrischen Grenze, in Camps auf dem Balkan, in Hotspots in Italien oder wagen die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer. Es hat sich nicht viel geändert, eben nur, dass fast niemand mehr am Münchener oder Wiener Bahnhof ankommt.
Seit Jahren fordern wir, endlich sichere Fluchtkorridore einzurichten; für eine menschwürdige Unterbringung sowie zügige Asylverfahren zu sorgen, um den Geflüchteten schnell Sicherheit bieten zu können. Dazu müssen die personelle und finanzielle Ausstattung unseres Asylsystems erhöht und wenigstens die Vorgaben der EU-Kommission zur Umverteilung umgesetzt werden. Nicht zuletzt müssen wir Waffenexporte in Krisen- und Konfliktgebiete endlich unterbinden. Alles andere ist schändliche Augenwischerei, mit der eine humanitäre Katastrophe vertuscht wird.
Vor zwei Jahren wurde im Europaparlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit, also auch mit Zustimmung der EVP, ein Kompromiss zur Weiterentwicklung der Dublin-Regelungen gefasst. Bisher ist der Rat der EU, also die Regierungen der EU-Länder, nicht bereit, sich mit diesem Parlamentsbeschluss zu befassen und mit dem Europaparlament dazu in Verhandlungen zu treten. Doch ohne ein funktionierendes Asylsystem auf EU-Ebene, das auf Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Asylsuchenden beruht, werden wir den menschlichen und politischen Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht werden. Wir brauchen tragfähige Vereinbarungen und sichere Fluchtwege.
Titelfoto: Refugeees welcome on Seawatch 2, Brainbitch CC BY-NC 2.0
Weiteres Foto: Ein Schiff namens Hope, Casey Hugelfink CC BY-SA 2.0
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