In einer Entschließung vom 15. März 2018 zur Lage in Syrien verurteilt das Europäische Parlament (EP) auf‘s Schärfste die von verschiedenen Kriegsparteien zu verantwortende Missachtung des internationalen Völkerrechts und fordert alle Konfliktparteien auf, die Zivilbevölkerung nicht in die Kämpfe einzubeziehen und Gräueltaten gegen Minderheiten zu unterlassen. Zudem fordert das EP, auch bei der Bekämpfung terroristischer Gruppen das Völkerrecht zu respektieren.

Weiterhin bedauert das EP, dass Russland sich mehrfach geweigert hat, der Erneuerung des Mandats für den Gemeinsamen Untersuchungsmechanismus der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) und der Vereinten Nationen zuzustimmen.

Auf Antrag der GUE/NGL wird außerdem die Türkei aufgefordert, ihre Truppen aus Nordsyrien (Afrin) abzuziehen und einen konstruktiven Beitrag zur Konfliktlösung in Syrien zu leisten.

Die wichtigsten Passagen der Resolution des EP sind im folgenden dokumentiert:

1.  [Das Europäische Parlament] verurteilt erneut auf das Schärfste die in dem Konflikt verübten Gräueltaten und weit verbreiteten Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht sowie insbesondere die von den Streitkräften des Assad-Regimes unter anderem mit der Unterstützung seiner Verbündeten Russland und Iran sowie von anderen von den Vereinten Nationen gelisteten terroristischen Vereinigungen begangenen Verbrechen; bedauert, dass unter den Bombenangriffen, dem Artilleriebeschuss und anderen militärischen Mitteln in dem seit sieben Jahren andauernden Konflikt in Syrien mindestens 400 000 Menschen ums Leben gekommen und Tausende weitere verletzt worden sind und dass Millionen Menschen vertrieben wurden und die Zivilbevölkerung aufgrund langwieriger Belagerungen keinen Zugang zu Nahrung, Wasser, Sanitär- oder Gesundheitsversorgung hat; ist über die Spirale der Gewalt in vielen Teilen des Landes, beispielsweise in Ost-Ghuta, Afrin und Idlib, zutiefst besorgt;

2.  bedauert zutiefst, dass auf regionaler und internationaler Ebene unternommene Versuche, den Krieg zu beenden, wiederholt gescheitert sind, und fordert nachdrücklich eine erneuerte und intensive weltweite Zusammenarbeit zur Herbeiführung einer friedlichen und tragfähigen Lösung des Konflikts; betont, dass die internationale Gemeinschaft der demokratischen Opposition nicht genügend zur Seite gestanden ist; weist darauf hin, dass die von den Vereinten Nationen angeführten Genfer Friedensgespräche nach wie vor Vorrang haben, und unterstützt den Sondergesandten der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, in seinen Bemühungen um einen echten, alle Seiten einbeziehenden politischen Übergang im Einklang mit der Resolution 2254 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, die von allen an dem Konflikt in Syrien beteiligten Parteien mit der Unterstützung wichtiger internationaler und regionaler Akteure ausgehandelt wurde; hebt den Stellenwert einer politischen Lösung des Konflikts hervor; bleibt der Einheit, Souveränität, territorialen Integrität und Unabhängigkeit Syriens verpflichtet;

3.  verurteilt aufs Schärfste, dass die Gewalt in Ost-Ghuta trotz einstimmiger Verabschiedung der Resolution 2401 durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen andauert, und fordert alle Beteiligten, insbesondere das Assad-Regime, Russland und den Iran, nachdrücklich auf, diese Resolution uneingeschränkt und unverzüglich umzusetzen und zu achten, damit für eine sofortige, sichere, ungehinderte und nachhaltige Bereitstellung humanitärer Hilfe gesorgt ist und tatsächlich alle schwerkranken und verwundeten Personen evakuiert werden und das Leid der syrischen Bevölkerung gelindert wird; unterstützt uneingeschränkt die an alle Konfliktparteien gerichtete Forderung, die Kampfhandlungen unmittelbar und für die Dauer von mindestens 30 Tagen einzustellen; fordert alle Seiten, insbesondere die syrische Regierung, erneut auf, ihrer Verantwortung für den Schutz der syrischen Bevölkerung nachzukommen und alle gegen die Zivilbevölkerung Syriens gerichteten Angriffe unverzüglich einzustellen; fordert die Garantiegeber des Waffenstillstands in den Deeskalationszonen auf, ihrer Verantwortung für die Einstellung der Gewalt und der verübten Verbrechen Folge zu leisten und den ungehinderten Zugang zu diesen Gebieten zu gewähren und zu gewährleisten; nimmt den Beschluss der drei die Friedensgespräche in Astana unterstützenden Länder zur Kenntnis, im April 2018 einen weiteren Gipfel abzuhalten, um über Syrien und das mögliche weitere Vorgehen in der Region zu beraten; weist nachdrücklich darauf hin, dass dieses weitere Vorgehen unter keinen Umständen im Widerspruch zu den von den Vereinten Nationen unterstützten Gesprächen/dem Genfer Prozess stehen oder diese bzw. diesen untergraben darf;

4.  erinnert die Regimes Syriens, Russlands und des Iran daran, dass sie dem Völkerrecht zufolge die Verantwortung für die in Syrien verübten abscheulichen Verbrechen tragen und dass jeder, der derartige Verbrechen begeht, unabhängig davon, ob es sich um Staaten oder Einzeltäter handelt, zur Verantwortung gezogen wird;

5.  bedauert zutiefst das wiederholte Veto Russlands im Sicherheitsrat sowie die Tatsache, dass keine Einigung über die Erneuerung des Mandats für den Gemeinsamen Untersuchungsmechanismus der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) und der Vereinten Nationen vor dessen Auslaufen am 17. November 2017 erzielt werden konnte; erachtet diese Haltung eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrates, das eine besondere Verantwortung für den Erhalt von Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene hat, als beschämend; betont, dass die Behinderung internationaler Untersuchungen in den Augen der Welt in erster Linie ein Schuldeingeständnis ist;

6.  ist zutiefst besorgt über die Intervention der Türkei in Gebieten Syriens, die von kurdischen Streitkräften kontrolliert werden; ist weiterhin höchst besorgt angesichts der Eskalation der Lage in Afrin, wozu auch ein möglicher Zusammenstoß von türkischen Streitkräften und Truppen des Assad-Regimes oder Russlands sowie die wachsenden Spannungen mit den Vereinigten Staaten zählen; fordert die türkische Regierung auf, ihre Truppen zurückzuziehen und in dem Konflikt in Syrien einen konstruktiven Beitrag zu leisten, zumal dies auch im nationalen Interesse der Türkei liegt; schließt sich dem Standpunkt der VP/HR an, dass die Entstehung neuer Fronten in Syrien nicht im Sicherheitsinteresse der Türkei ist, und warnt vor einer weiteren Zuspitzung der humanitären Krise in Syrien; fordert, dass das humanitäre Recht, einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung, uneingeschränkt geachtet und in ganz Syrien, und somit auch in Afrin, ein Waffenstillstand herbeigeführt wird;

7.  bekräftigt seine Unterstützung für die Bemühungen der Internationalen Allianz gegen den Islamischen Staat; hebt hervor, dass die Allianz und die Streitkräfte ihrer syrischen Verbündeten bei der Offensive gegen den Islamischen Staat in Syrien deutliche Fortschritte erzielt haben; weist erneut darauf hin, dass alle Maßnahmen zur Bekämpfung des Islamischen Staates und anderer Gruppen, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als terroristisch einstuft, umfassend mit dem Völkerrecht in Einklang stehen müssen; fordert die Mitgliedstaaten und ihre Verbündeten auf, für Transparenz, Rechenschaftspflicht und die uneingeschränkte Achtung des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen zu sorgen;

8.  fordert erneut nachdrücklich einen sicheren, zeitnahen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in ganz Syrien und begrüßt die Resolution 2393 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, mit der die Genehmigung des grenz- und konfliktlinienüberschreitenden Zugangs für humanitäre Hilfe in Syrien um weitere zwölf Monate (bis 10. Januar 2019) verlängert wird; bestärkt die Vereinten Nationen und ihre Durchführungspartner darin, weiter darauf hinzuwirken, humanitäre Hilfslieferungen in schwer zugängliche und belagerte Gebiete auszuweiten, und hierzu auch so weit wie möglich auf Grenzüberschreitungen im Rahmen der Resolution 2165 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (2014) zurückzugreifen; unterstützt die dringende Forderung nach einer schnelleren humanitären Minenräumung in Syrien und erinnert alle Konfliktparteien daran, dass Krankenhaus- und medizinisches Personal ausdrücklich durch das humanitäre Völkerrecht geschützt ist; bedauert, dass bei internationalen Hilfsorganisationen in mehreren Fällen sexueller Missbrauch und Fehlverhalten festgestellt wurden und es in diesem Rahmen auch zur sexuellen Ausbeutung syrischer Flüchtlinge durch Personen gekommen ist, die im Auftrag der Vereinten Nationen und bekannter internationaler Organisationen Hilfe leisten; stellt mit Entschiedenheit fest, dass es für solche Taten keinerlei Toleranz geben darf; fordert nachdrücklich die Durchführung eingehender Untersuchungen und betont, dass alle für diese Taten Verantwortlichen bestraft werden müssen;

9.  betont, dass die in Syrien verübten abscheulichen Verbrechen, auch gegen religiöse, ethnische oder andere Gruppen und Minderheiten, nicht hingenommen werden und die Täter nicht straffrei ausgehen dürfen; bekräftigt seine Forderung nach unabhängigen, unparteiischen, gründlichen und glaubwürdigen Untersuchungen und der Verfolgung der Verantwortlichen und unterstützt die Arbeit des internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus zur Unterstützung der Ermittlungen gegen die Verantwortlichen für die seit März 2011 in der Arabischen Republik Syrien begangenen schwersten völkerrechtlichen Verbrechen und ihrer strafrechtlichen Verfolgung; begrüßt den Beschluss der Union, im Wege ihres Stabilitäts- und Friedensinstruments (IcSP) 1,5 Mio. EUR für diesen Mechanismus zur Verfügung zu stellen; betont jedoch, dass über die 18-monatige Laufzeit des Programms hinaus Unterstützung benötigt werden wird; betont, dass die Mitgliedstaaten unbedingt ihren Zusagen nachkommen müssen, und erwartet, dass die Frage der Finanzierung des internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus auf der zweiten Brüsseler Konferenz zur Unterstützung der Zukunft Syriens und der Region erörtert und beantwortet werden wird; fordert des Weiteren Unterstützung für Organisationen der Zivilgesellschaft und nichtstaatliche Organisationen, die Beweise für Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Recht sammeln und dabei helfen, diese sicherzustellen;

10.  ist nach wie vor davon überzeugt, dass es keine wirksame Lösung des Konflikts und keinen tragfähigen Frieden in Syrien geben kann, wenn die für die Verbrechen Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, und fordert die Annahme einer EU-Strategie im Hinblick auf die Rechenschaftspflicht für die in Syrien verübten Gräueltaten; bekräftigt seine Unterstützung für den Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit bei der Bekämpfung der Straflosigkeit und begrüßt die zu diesem Zweck von einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen; begrüßt ferner Initiativen der Mitgliedstaaten, mit denen im Rahmen des einzelstaatlichen Rechts festgelegt werden soll, dass schwerwiegende Verstöße gegen das Völkerrecht als Straftat gelten; fordert die EU und die Mitgliedstaaten erneut auf, in enger Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern die Möglichkeit der Einrichtung eines syrischen Kriegsverbrechertribunals – vorbehaltlich einer erfolgreichen Befassung des IStGH – zu prüfen; verweist auf die wichtige Arbeit des Europäischen Netzes von Anlaufstellen betreffend Personen, die für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich sind, und fordert die VP/HR und die Generaldirektion Justiz und Verbraucher auf, das Netz zu unterstützen und es in künftige Anstrengungen, die zum Ziel haben, die Verantwortlichen in Syrien zur Rechenschaft zu ziehen, einzubeziehen;

11.  fordert von allen Beteiligten, das Recht ethnischer und religiöser Gruppen und Minderheiten in Syrien – einschließlich Christen und aller Vertriebenen – zu achten, weiterhin in Würde, Gleichheit und Sicherheit in ihrer historischen und angestammten Heimat zu leben oder in diese zurückzukehren und uneingeschränkt und ungehindert und ohne jeden Zwang, Anwendung von Gewalt oder Diskriminierung ihre Religion auszuüben und ihrer Weltanschauung anzuhängen; unterstützt den interreligiösen Dialog, um das gegenseitige Verständnis zu fördern und dem Fundamentalismus entgegenzuwirken;

12.  ist nach wie vor besorgt angesichts der Tatsache, dass Razan Zaitouneh, Menschenrechtsverfechterin und Trägerin des Sacharow-Preises, seit Dezember 2013 verschwunden ist und Berichten zufolge in Duma von der bewaffneten Gruppierung Jaysh al-Islam verschleppt wurde; fordert, dass die EU eine Sondergruppe mit der Koordinierung und Intensivierung der Suche nach Razan Zaitouneh betraut, um zu erreichen, dass sie freigelassen wird;

Titelfoto: Europäisches Parlament, Plenarsaal in Straßburg; Mehr Demokratie CC-BY-SA 2.0

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