Freihandelsabkommen mit Neuseeland: Licht und Schatten

Seit geraumer Zeit arbeitet die EU bereits an einem Freihandelsabkommen mit Neuseeland. Dazu wird es am 24. Oktober 2023 eine Doppelabstimmung im Europäischen Parlament (EP) geben, teilte der linke Europaabgeordnete und handelspolitische Sprecher der linken Fraktion im Europäischen Parlament, Helmut Scholz, mit. Einerseits wird im Handelsausschuss über eine Stellungnahme für die Ratifizierung des Freihandelsabkommens (FTA) mit Neuseeland abgestimmt. Die Ratifizierung erfolgt dann mit der Abstimmung durch das Parlamentsplenum im November. Andererseits wird über eine nicht-bindende Begleitresolution abgestimmt, die ebenfalls der für Handelspolitik zuständige INTA-Ausschuss des EP entworfen hat.

Insgesamt wird das FTA mit Neuseeland nach Aussage von Scholz einige Verbesserungen gegenüber anderen Handelsabkommen beinhalten, wie z. B. die Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen das internationale Arbeitsrecht oder die Pariser Klimavereinbarungen. Diesen Fortschritt begrüßt Scholz. Allerdings, so der Europaabgeordnete weiter, sei die öffentliche Wahrnehmung auch dieses Freihandelsabkommens oft zu positiv, denn viele weitere Aspekte im Abkommen, auch im sogenannten Nachhaltigkeitskapitel, seien nicht mit Durchsetzungsmechanismen versehen. Das Abkommen sei zwar ein wichtiger Schritt in Richtung einer Veränderung der alten Freihandelslogik, aber es bleibt noch ein weiter Weg bis hin zu Abkommen für fairen Handel und Zusammenarbeit. In Abkommen für fairen Handeln soll das gemeinsame Arbeiten der vertragschließenden Parteien an den Verträgen vorangebracht werden. Dabei soll das folgende Ziel erreicht werden: Eine Veränderung der Bedingungen für Produktion und Konsumtion innerhalb der Wachstumsgrenzen unseres Planeten durch neue Standardsetzung und die Einführung von konkreten Bemessungskriterien für Fortschritt im Dienste von Umweltschutz und sozialen wie politischen Menschenrechten aller Arbeitnehmer:innen in der Realwirtschaft, in Handel und im Dienstleistungssektor.

Nachholbedarf bei Verpflichtung von Unternehmen auf Menschenrechte

Eng verbunden mit dem Thema fairer Handel ist das Thema Menschenrechte in Unternehmen. Auch bei diesem Thema gehe es voran, so Scholz. Beim Prozess zur Ausarbeitung eines rechtsverbindlichen Instruments (LBI) zu Wirtschaft und Menschenrechten gäbe es Fortschritte. Dieser Prozess begann vor fast einem Jahrzehnt mit der Annahme der Resolution 26/9 des Menschenrechtsrats. Seither, so Scholz weiter, sei die Dynamik hinter den Bemühungen, das Verhalten von Unternehmen durch Gesetze zu regulieren, stetig gestiegen, dank des wachsenden politischen Willens, der Entschlossenheit der Zivilgesellschaft und der zunehmenden öffentlichen Unterstützung weltweit.

Vom 23. bis 27. Oktober 2023 treffen sich die UN-Mitgliedsstaaten in Genf zur 9. Verhandlungsrunde für einen verbindlichen UN-Vertrag über Wirtschaft und Menschenrechte. Seit 2014, erklärt der linke Europaabgeordnete, ist eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen (IGWG) damit beauftragt, einen Vertrag auszuarbeiten, der transnationale Konzerne und andere Wirtschaftsunternehmen zur Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten und zum Schutz der Umwelt verbindlich verpflichtet. Die bevorstehende 9. Sitzung der IGWG bietet allen Beteiligten die Gelegenheit zum Austausch, um einen starken Entwurf in diese Richtung zu erarbeiten.

Der jetzt diskutierte Entwurf zeichne sich laut dem linken Europaabgeordneten durch weitere Änderungen im Vergleich zum vorherigen dritten überarbeiteten Entwurf aus, von denen einige allerdings durchaus besorgniserregend seien. Während der Text im Allgemeinen schlanker sei, schützten mehrere Artikel die Rechteinhaber:innen weniger als die vorherigen Versionen des Entwurfs. Die zentralen Artikel, die den Zugang der Betroffenen zur Justiz erleichtern sollten, seien abgeschwächt worden. Viele Änderungen spiegelten zudem Bemühungen wider, den materiellen Anwendungsbereich des Vertrags einzuschränken. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bedauerten insbesondere den Wegfall mehrfacher Verweise auf unternehmerische Auswirkungen auf Umwelt und Klima, auf Konfliktgebiete und auf Arbeitsrechtsinstrumente. Eine Reihe positiver Ergänzungen oder Änderungen könnten nach Scholz’ Einschätzung nicht ausgleichen, dass der aktuelle Entwurf insgesamt einen Rückschritt gegenüber früheren Entwürfen darstelle, insbesondere wenn es um die Haftung von Unternehmen bei Verstößen gehe. Das Ringen um konkrete Verpflichtungen werde weitergehen, ist Scholz überzeugt, und er werde mit anderen Abgeordneten des EP versuchen, hier auch endlich durch mehr konkrete Verantwortungsübernahme seitens der EU-Delegation bei den Vereinten Nationen und in Brüssel ein bindendes Mandat des EU-Rates für die Verhandlungen zu erreichen.

Wie kann Fairer Handel zur Umsetzung der SDGs beitragen?

Ebenfalls eng verbunden mit den beiden vorhergehenden Themen sind die UN-Nachhaltigkeitsziele – auch als SDGs bekannt. Im EP gibt es dazu die Arbeitsgruppe für fairen Handel, die sich mit Fragen des globalen Wirtschaftens und Handelns befasst. Diese Arbeitsgruppe trifft sich am 24. Oktober 2023 gemeinsam mit Abgesandten von NGOs, der Zivilgesellschaft und natürlich aus der Fair-Trade-Bewegung im EP in Brüssel treffen, wie Scholz weiter erläuterte. Mit ihnen will die EP-Arbeitsgruppe darüber reden, welche Rolle der Faire Handel bei der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele spielen kann. Für Helmut Scholz ist die Realisierung der SDG, wie er betonte, ein zentrales Anliegen seiner Arbeit im Handelsausschuss. Scholz abschließend: „Unser weltweites Wirtschaften muss sich ebenso wie der internationale Handel daran messen, wie er zur Umsetzung der SDGs, die von der Bekämpfung von Hunger und Armut bis zu Bildung und Gleichberechtigung der Geschlechter reichen, beiträgt.“

Titelbild: Paul Reinholz / Campact CC BY-NC 2.0 via FlickR

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