Gegenüber China herrscht gegenwärtig eher eine Alarmstimmung in der EU. Das wurde in etlichen Medienberichten vor und während des EU-China-Gipfel vom 9. April 2019 deutlich. Die neue Seidenstraße, chinesische Investitionen in Deutschland und besonders auch in mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländern, die Frage, ob der chinesischer IT-Konzern am Ausbau des G5-Mobilfunknetzes beteiligt werden sollte, prägen derzeit die China-Debatte in der EU.

Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL), sieht die Ergebnisse des EU-China-Gipfels jedoch positiv. Im folgenden Standpunkt legt er dar, weshalb er den Gipfel-Ergebnisse positiv wertet. Sein Fazit: Kompromissbereitschaft und konstruktives Herangehen lohnen sich!

Standpunkt von Helmut Scholz

Dass beide Seiten nachdrücklich das regelgestützte multilaterale Handelssystem unterstützen, gegen Unilateralismus und Protektionismus antreten und eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit zu vielen globalen Herausforderungen als Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 anstreben wollen, ist ein wichtiges Signal. Das bedeutet aber nicht, dass Probleme im bilateralen Verhältnis ausgeblendet werden dürfen.

Der Gipfel belegt weiterhin, dass auch komplizierte und strittige Fragen bei politischer Kompromissbereitschaft beider Seiten konstruktiv angegangen und zu einer Lösung gebracht werden können. Das zeigt sich unter anderem gerade bei Themen der wirtschaftlichen und handelspolitischen Zusammenarbeit, vor allem bei den Punkten Marktzugang für europäische Unternehmen in China, der Verschärfung chinesischer Regeln für Subventionen von Industriegütern oder aber auch beim Einsatz chinesischer Technologie zum Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes in Europa. Ein solches Herangehen sollte Beispiel auch für andere Probleme insbesondere in der internationalen Handelspolitik sein. Das Schüren von Handelskonflikten, wie es gerade von der Trump-Administration in den USA geschieht, hilft niemandem.

Auch das Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen, dem Atomabkommen mit Iran und zu einer multilateralen Weltordnung mit der UNO als Kern ist ein konstruktiver Ansatz, der sich klar vom konfrontativen Kurs und der Zerschlagung multilateraler Strukturen durch den US-Präsidenten unterscheidet. Es ist nun wichtig, dass diese Bekenntnisse nicht nur Gipfelrhetorik bleiben, sondern zügig und konsequent in die Tat umgesetzt werden. Dazu gehören sicherlich auch die Aufgaben hinsichtlich der völkerrechtlichen Verpflichtungen beider Seiten für Frieden und Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte. Innen- wie außenpolitisch. Bilateral wie multilateral. Außerdem müssen transparente Schritte hinsichtlich der bilateralen Vereinbarungen zu Cyber-Sicherheit und Innovationsforschung beinhaltet sein.

Trotzdem gibt es weiterhin eine Reihe von Differenzen in den bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Erst zu Wochenbeginn haben mir Beschäftigte des ArcelorMittal Stahlwerks in Eisenhüttenstadt berichtet, dass sie für den Erhalt ihres Standortes und die Produktion hochqualifizierter Stähle klare, die globalen Wertschöpfungsprozesse und gegenseitigen Abhängigkeiten in vielen industriellen Produktionsbereichen aufgreifende Antworten aus der Politik benötigen. Erst recht, wenn es um das Einlösen der Bereitschaft geht, aktiv zur Umsetzung der verbindlichen Aufgaben aus dem Pariser Klimaschutzabkommen geht. Eine zügige und ergebnisorientierte Weiterführung der Arbeit des G20-Stahlforums ist dafür unverzichtbar, seine Verknüpfung mit anderen multilateralen und internationalen Mechanismen überfällig. Das erfordert von der EU aber auch, endlich eine europäische Wirtschaftspolitik voranzubringen, die die beschäftigungspolitischen, klimapolitischen Sorgen und Interessen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und zugleich im partnerschaftlichen Wettbewerb mit anderen Ländern einen solidarischen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in anderen Regionen der Welt leistet.

Titelbild: Shanghai Evening | Foto: Bernd Thaller CC BY-NC 2.0

Helmut Scholz

2914