Der heutige Sonntag, der 10. September 2017, ist ein denkwürdiger Tag. Ein Tag, der kaum Beachtung fand in den Medien.
Am 10. September 1977 wurde in Frankreich letztmalig die Todesstrafe vollstreckt. In einem Gefängnis in Marseille wurde der zum Tode verurteilte Mörder Hamida Djandoubi heute vor 40 Jahren durch die Guillotine hingerichtet. Er ist bis heute der letzte in Westeuropa im Namen der Staatsgewalt getötete Bürger.
Formal abgeschafft wurde die Todesstrafe in Frankreich allerdings erst 1981. Formal gab es die Todesstrafe in den 1970 Jahren in Westeuropa auch noch in Belgien, Luxemburg und Irland. Vollstreckt wurde sie diesen Ländern jedoch seit langem nicht mehr.
Diesem im Sinne der Menschenrechte historisch bedeutsamen Tag widmete Lars Langenau unter dem Titel „Als die Guillotine das letzte Mal tötete“ in der Süddeutschen Zeitung einen ausführlichen Artikel, in dem er auch auf einige historische Aspekte der Todesstrafe und der Guillotine im speziellen eingeht.
Sowohl die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Kurz: Europäische Menschenrechtskonvention) vom 4. November 1950 als auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die zum 1. Dezember 2009 in Kraft trat, verbieten die Todesstrafe innerhalb der EU.
International ist die Todesstrafe im Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 zwar nicht gänzlich abgeschaffte worden, aber doch auf schwerste Straftaten reduziert und an sehr restriktive Verfahrensregeln gebunden.
Dennoch ist die Todesstrafe außerhalb der EU nicht nur nach wie vor in vielen Ländern als Strafe vorgesehen, sondern in einer Reihe von Staaten wird sie auch heute noch vergleichsweise häufig angewandt.
Dhiraj Sabharwal vom Luxemburger Tageblatt verweist in seinem heutigen Artikel „Geist der Guillotine“ daher völlig zurecht darauf, dass dieser zivilisatorische Fortschritt, den die Abschaffung der Todesstrafe bedeutet, verteidigt werden muss. Gerade auch angesichts des Wütens des Islamischen Staates, für den die Todesstrafe ein alltägliches Herrschafts- und Terrorinstrument ist, aber auch angesichts einiger Äußerungen des Präsidenten der USA, Donald Trump, dem Menschenrechte nicht wichtig scheinen und für den Folter kein grundsätzliches Problem ist.
Der Schlussfolgerung von Dhiraj Sabharwal kann man daher nur zustimmen: „Dass die Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich dieses Wochenende nicht wie so oft mit großen Feierlichkeiten und dem üblichen Pomp verbunden ist, gehört eindeutig in die Kategorie verpasste Chance.“
Zu ergänzen ist nur, dass solche Feierlichkeiten, wie Dhiraj Sabharwal sie vermisst, nicht nur Frankreich gut zu Gesicht gestanden hätten, sondern der EU als ganzer.
Stefan Brändle vom Wiener Standard hat diesem Jahrestag ebenfalls einen Artikel gewidmet: „Jahrestag: Als das Beil zum letzten Mal in Frankreich fiel“. Brändle verweist in seinem Artikel u.a. darauf, dass die Todesstrafe in Frankreich laut Umfragen immer noch von rund 50 % der Befragten befürwortet wird.
Das nach wie vor tiefgründigste, bewegendste und leidenschaftlichste Plädoyer gegen die Todesstrafe hat Albert Camus mit seinem 1957 in Paris erschienen Essay „Réflexions sur la peine capitale“ vefasst – auf Deutsch unter dem Titel „Die Guillotine – Betrachtungen zur Todesstrafe“ erschienen. In Deutsch zugänglich in: Albert Camus, Fragen der Zeit. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 9. Auflage (2. Juli 1997).
In Auszügen ist das Plädoyer auch im Internet zugänglich:
http://commonweb.unifr.ch/artsdean/pub/gestens/f/as/files/4610/24768_125410.pdf
Titelfoto / Foto: Jayvee Fernandez CC BY-NC-ND 2.0
Aktualisiert am 11.09.2017
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