Von Julia Wiedemann

In Diskussionen über die Präsidentschaftswahlen in den USA war zuweilen das Argument zu hören, Donald Trump hätte immerhin keinen neuen Krieg vom Zaun gebrochen. Egal ob unter republikanischer oder demokratischer Präsidentschaft, so ziemlich jeder US-Präsident hat seinem Land einen neuen Militäreinsatz beschert. Bill Clinton verantwortete den NATO-Einsatz im Kosovo, unter George W. Bush begann der Krieg gegen die Taliban in Afghanistan, 2003 kam der Einsatz im Irak dazu, Barack Obama setzte unter anderem die Drohnenkriege in Pakistan und Afghanistan fort und griff militärisch in den Syrienkrieg ein. Doch auch ohne einen weiteren Kriegsschauplatz, war Trumps Außenpolitik alles andere als friedlich. Im Gegenteil, unter seiner Führung ist die Welt eine noch unsichere geworden.

Beginnen wir beim Handelskrieg mit China. Das aufstrebende China und die einstige Weltmacht USA stehen bei der Frage von Märkten und Handelsbeziehungen in starker Konkurrenz und China gewinnt zunehmend an politischem Einfluss in der Welt. Diese Rivalität wird auch unter Biden nicht verschwinden, doch hat Trump sie auf die Stufe eines neuen kalten Krieges gehoben. Die typisch Trump’sche Rethorik über China mal außen vorgelassen, hat er mit Beginn seiner Amtszeit schrittweise mehr und mehr Strafzölle für Produkte aus China erlassen, und zahlreiche weitere Maßnahmen eingeleitet, wie z.B. einzelnen chinesischen Unternehmen den Kauf von amerikanischen Produkten zu untersagen. Aufgeladen wurde der Streit mit Handlungen wie der Schließung des chinesischen Konsulats in Houston und dem Verbot der App TikTok. Parallel dazu hat die US-Militärpräsenz im Südchinesischen Meer deutlich zugenommen. Auch China rüstet militärisch auf, und tritt in der Region selbstbewusster auf. Doch wird aus chinesischer Sicht vor allem das Vorgehen der USA als Provokation empfunden, und dazu gehören die Durchführung von Militärmanövern und die Entsendung von Kriegsschiffen, nicht nur ins Südchinesische Meer, sondern insgesamt verstärkt im Westpazifik. Eine Region, die in den kommenden Jahren öfter Schlagzeilen machen wird, nicht zuletzt, weil auch die deutsche Bundesregierung dort eine Schlüsselregion für ihre Interessen sieht.

Die schwerste Hypothek, die Trump seinem Nachfolger hinterlässt, sind die vielen internationalen Abkommen aus denen die USA unter seiner Führung ausgetreten ist. Die USA, die bei aller Kritik an ihrer dominanten und imperial ausgerichteten Außenpolitik lange eine führende Rolle als multilateraler Akteur innehatte, die Entstehung internationaler Organisationen befördert hat, und in vielen der größte Geldgeber war, verabschiedeten sich unter Trump von der Idee des Multilateralismus, verließ zahlreiche internationale Abkommen und stieg aus internationalen Organisationen aus.

Unter seinem Vorgänger Obama konnte nach langen Jahren der Verhandlung mit dem Iran ein Atomabkommen geschlossen werden, in welchem sich der Iran bereit erklärt hat, von seinem Atomprogramm Abstand zu nehmen und internationale Kontrollen zuzulassen. Dieses Abkommen wurde 2018 von Trump einseitig aufgekündigt und unter anderem Sanktionen gegen Banken verhängt, die mit dem Iran Geschäftsbeziehungen eingehen. Das erschwerte es für die übrigen beteiligten europäischen Staaten die Zusage zur Lockerung von Sanktionen und Aufbau von Wirtschaftsbeziehungen umsetzen zu können. 2020 zog sich dann auch der Iran aus dem unwirksam gewordenen Abkommen vollständig zurück. Eine erneute Verhandlung würde zäh und mühsam werden, sollte Biden es versuchen wollen.

Trump | Foto: IoSonoUnaFotoCamera CC BY-SA 2.0

Ein weiteres internationales Abkommen, aus dem die USA unter Trump ausgestiegen waren, ist der INF-Vertrag, der einst gegen Ende des Kalten Kriegs zwischen den USA und der UdSSR geschlossen worden war, und vorsah, dass beide Seiten den größten Teil ihrer landgestützten Nuklearraketen abrüsten. Dieser galt bis Anfang dieses Jahrhunderts als vollständig umgesetzt. Sein Fortbestehen sicherte ab, dass keine erneute Aufrüstung erfolgte. Nach gegenseitigen Vorwürfen der Vertragsverletzung stiegen die USA im Februar 2019 aus, und direkt danach Russland. Damit ist für beide Seiten formal eine atomare Aufrüstung wieder möglich, ein Wettrüsten sehr wahrscheinlich. Zumal mit START und dem Open-Skyes-Vertrag mit der EU weitere Verträge aufgekündigt wurden, die der Rüstungskontrolle dienten. Trump hat zwar einen Teil der US-Truppen aus Deutschland abgezogen, aber einige von diesen sollen stattdessen nun weiter östlich in Polen stationiert werden. Noch ein weiterer Schritt zu mehr Militarisierung Osteuropas und Konfrontation mit Russland.

Doch nicht nur Rüstungsabkommen waren betroffen. Die Klimakrise als größte globale Bedrohung unserer Zeit wird nach Jahrzehnten der Mahnung endlich als globales Problem in der Politik wahrgenommen und es wird international über das Vorgehen dagegen verhandelt. Und auch wenn es nicht der dringend notwendige große Wurf war, war das Pariser Klimaabkommen der bisher weitest gehende Kompromiss, der in dieser Breite erreicht werden konnte. Was machen die USA unter Trump, der größte Erzeuger von CO2-Emmissionen? Austreten. Die Welt erlebt mit COVID-19 eine Pandemie sondergleichen und damit einhergehend eine der schwersten Krisen des 21. Jahrhunderts. Und mittendrin stellen die USA ihre Zahlungen an die WHO ein und treten kurz darauf ganz aus. Das ignorante Verhalten im Umgang mit der Krankheit und der Mangel an Maßnahmen im eigenen Land hat die Zahl der Todesopfer auf unfassbare 250.000 in die Höhe getrieben Um die Liste der verlassenen Institutionen fortzusetzen: Trump forcierte ebenso den Austritt aus dem UN Menschenrechtsrat und aus der UNESCO.

Dort, wo sich Trump mit großem medialen Getöse als Vermittler präsentiert hat, ist aus dem Frieden nicht viel geworden. Nordkorea setzt sein Atomprogramm ungemindert fort, die gut inszenierten persönlichen Treffen zwischen Trump und Kim-Jong Un blieben in der Folge heiße Luft. Im israelisch-palästinensischen Konflikt haben die USA mit Verlegung der Botschaft nach Jerusalem, der Anerkennung, der Golan-Höhen als Teil Israels und dem sogenannten “Friedensplan”, der die Annexion weiter Teile der Westbank vorsieht, umgesetzt, was im Interesse der rechtskonservativen Regierung Netanyahus war, aber damit zugleich die letzten Hoffnungen der Palästinenser*innen auf eine Zweistaaten-Lösung zerstört. Dieser “Friedensplan” hat statt Frieden für mehr Instabilität gesorgt.

Als Linker braucht man nicht zu hoffen, dass mit Biden ein Friedensengel an die Macht käme. In mancherlei Hinsicht wird es mit ihm als Präsident wohl gar schwerer. Von einem Trump konnte sich die EU leicht distanzieren und auf die eigene Entwicklung setzen. Biden wird Europa stärker einbeziehen wollen und in der NATO aber auch in anderen Bereichen mehr Engagement erwarten. Angesichts der Machtverschiebungen in der Welt zwischen den USA, China und Russland könnten europäische Regierungen nur zu sehr geneigt sein, sich wieder an die Schulter Amerikas anlehnen zu wollen. Und die tief sitzende Rivalität zwischen USA und China wird sich auch unter Biden fortsetzen. Doch kehrt mit ihm hoffentlich die grundsätzliche Herangehensweise in die Politik zurück, über Verhandlungen, Verträge und Partnerschaften globale Fragen aufzugreifen. Und was den Klimawandel betrifft: Biden hat als einen der ersten Schritte für seine Amtszeit die Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen angekündigt. Für eine ernsthafte Umsetzung, für einen echten Green New Deal, wird es den Druck der sozial-ökologisch orientierten Bewegungen in den USA brauchen. Aber ohne einen Wandel in der Energiepolitik der USA wird es nicht möglich sein, die globale Erwärmung zu bremsen.

Titelbild und Foto: Trump,  IoSonoUnaFotoCamera CC BY-SA 2.0 via FlickR und FlickR

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