Benigna Munsi ist das Nürnberger Christkind 2019/2020 und damit zugleich die Symbolfigur des weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarktes. Die 17-jährige Schülerin besucht die 12. Klasse des Labenwolf-Gymnasiums und möchte nach dem Abitur im nächsten Jahr am liebsten Schauspiel studieren. Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, sprach mit Benigna über Respekt, Nächstenliebe und die Frage, wie ein echtes Christkind Weihnachten feiert.
Europa.blog veröffentlicht dieses Interview im folgenden mit Zustimmung der Initiative Gesichter der Demokratie (dort erschien das Interview erstmals am 18. Dezember 2019).
Interview von Sven Lilienström
Sven Lilienström: In seiner letztjährigen Weihnachtsansprache bezeichnete der Bundespräsident die Fähigkeit zum Kompromiss als Stärke der Demokratie. Was bedeutet Demokratie für Dich ganz persönlich Benigna?
Benigna Munsi: Demokratie bedeutet für mich, dass alle Menschen in ihrer Vielfalt gesehen werden. Wichtig ist, Meinungen und Ansichten auszutauschen und zusammen einen Kompromiss zu suchen, der das Interesse der Einzelperson, aber vor allem auch das Wohl aller berücksichtigt.
Sven Lilienström: Bescherung für alle: Weihnachten ist zwar ein christliches Fest, aber auch viele Nicht-Christen feiern mit. Würdest Du sagen, dass die kulturelle Komponente an Weihnachten zunehmend in den Vordergrund rückt?
Benigna Munsi: Meiner Meinung nach spielt der kulturelle Aspekt – also der Besuch von Weihnachtsmärkten, der Weihnachtsbaum oder das besinnliche Zusammensein im Beisein der Liebsten – die Hauptrolle, wobei das für mich eher der kommerzielle Aspekt ist. Natürlich ist Weihnachten vor allem bei den Christen von großer Bedeutung, jedoch ist die Idee der Nächstenliebe der wichtigste Punkt, und da ist es nicht relevant, ob jemand Christ ist oder nicht. Jeder sollte nicht nur sein eigenes Wohl im Blick haben, sondern das aller Menschen. Und wenn das schon schwer möglich ist, dann zumindest das seines Nächsten!
Sven Lilienström: Die Mehrheit der Deutschen ist weltoffen und sieht kulturelle Vielfalt als Bereicherung. Dein Vater ist gebürtiger Inder, Deine Mutter und Du sind in Deutschland geboren. Wie viel „Multikulti“ steckt in Dir?
Benigna Munsi: Den Begriff Multikulti finde ich nicht sehr schön, er hat eine ja schon fast negative Konnotation bekommen. Ich bin – wie jeder andere auch – von verschiedenen Ideen und Einflüssen geprägt, aber mein „indischer“ Teil ist nicht so ausgeprägt wie andere Teile von mir, da mein Lebensmittelpunkt nun mal hier – in dieser Gesellschaft – ist. Ich bin eine sehr offene Person und setze mich gerne mit neuen Sprachen, Menschen und Kulturen auseinander.
Sven Lilienström: Stichwort Meinungsfreiheit und Social Media: Wo liegen Deiner Meinung nach die Grenzen der freien Meinungsäußerung in sozialen Netzwerken und welche Erfahrungen hast Du mit „Hatern“ gemacht?
Benigna Munsi: Ich setze eine absolute und klare Grenze dort, wo ein Mensch durch seine Meinungsäußerung einen anderen Menschen verletzt, ihn persönlich angreift und nicht respektvoll mit diesem umgeht. Jeder Mensch ist verschieden, hat unterschiedliche Ideale und eben eine persönliche Meinung – genau deshalb darf man niemanden verurteilen.
Heutzutage ist es aber leider so, dass auf den Social Media-Plattformen die Hemmschwelle der Menschen so niedrig ist, dass sie nicht darüber nachdenken, was ein Kommentar oder Post bei Menschen bewirken kann. Es ist leichter, einen Kommentar zu verfassen und abzuschicken als mit der Person und ihren Gefühlen direkt konfrontiert zu werden.
Mit Hatern habe ich persönlich keine Erfahrungen. Es gibt aber immer Menschen, die andere Ansichten haben als man selbst. Kommt es dann zu einer Diskussion, einem Gespräch oder einem persönlichen Austausch, umso besser!
Sven Lilienström: Als Austauschschülerin hast Du ein Schuljahr in Sao Paulo gelebt. Wie war die Zeit im größten Land Lateinamerikas und was verbindet die Menschen in Brasilien mit den Menschen in Deutschland?
Benigna Munsi: Interessanterweise haben viele Menschen in Brasilien auch deutsche Vorfahren. Ich denke, uns verbindet die Vorliebe zum Fleischkonsum und zum Feiern. In Brasilien – genauer gesagt in Blumenau – gibt es das viertgrößte Oktoberfest der Welt. Wenn das keine Verbindung ist. Was aber für mich am wichtigsten ist, ist das Lachen, denn meiner Meinung nach verbindet Lachen die Menschen weltweit.
Sven Lilienström: 25 Mädchen haben sich als Nürnberger Christkind 2019/2020 beworben. Was macht Dich zu einem tollen Christkind und welche Weihnachtsbotschaft möchtest Du den Menschen mit auf den Weg geben?
Benigna Munsi: Ich bin mir sicher, dass alle 25 Mädchen und vor allem natürlich alle fünf, die mit mir in der letzten Runde waren, hervorragende Christkinder geworden wären. Jedes eben auf seine Art und Weise, mit seiner jeweiligen Ausstrahlung – so wie ich es jetzt bin.
Ich denke, dass ich mich gut auf die vielen verschiedenen Menschen, die ich in sämtlichen Einrichtungen treffen werde, einlassen und ihnen durch meine Art auch in schwerer Zeit ein Lächeln schenken kann, um ihnen zu zeigen, dass sie auch dazugehören und ernst zu nehmen sind. Für mich sind alle Menschen ähnlich, Unterschiede sollten nichts Trennendes sein, sondern als Bereicherung gesehen werden. Jeder Mensch verdient Respekt – so wie ich behandelt werden will, gehe ich mit anderen um, zumindest versuche ich es.
Meine Weihnachtsbotschaft: Genießt die Momente mit Euren Liebsten, legt das Smartphone zur Seite und schaut Euch um. Wenn Ihr in den öffentlichen Verkehrsmitteln – den U-Bahnen, Zügen und Bussen – sitzt, dann fangt vielleicht ein Gespräch an oder schenkt einfach mal jemandem ein Lächeln. Auch im Auto kann man freundlich sein. Nicht hupen, sondern einfädeln lassen – so geht es für jeden schneller.
Besinnt Euch und bemerkt einmal, wie privilegiert wir eigentlich leben. Denkt nach, ob und wie Ihr andere unterstützen könnt, denn Weihnachten heißt auch Nächstenliebe. Wobei dies natürlich eine Aufgabe für unser ganzes Leben ist, aber an Weihnachten bekommt man einen Schubser in die richtige Richtung.
Sven Lilienström: Liebe Benigna, unsere siebte Frage ist immer eine persönliche: Wie sehen Deine Pläne für die Zeit nach dem Abi 2020 aus und – was uns natürlich interessiert – wie feiert ein echtes Christkind Weihnachten?
Benigna Munsi: Ich möchte gerne studieren, eine Schauspielschule besuchen und auf Bühnen auftreten. Das Christkind hat an Weihnachten natürlich viel zu tun, es muss ja schließlich alle Kinder und Erwachsenen der Welt besuchen und beschenken.
Sven Lilienström: Vielen Dank für das Interview liebe Benigna!
Titelbild: Christkind 2019-20 Benigna Munsi | Foto: © Christine Dierenbach, Stadt Nürnberg
Über “Gesichter der Demokratie”
Seit Gründung der Initiative Gesichter der Demokratie im Februar 2017 haben bereits mehr als 500.000 Menschen die Selbstverpflichtung zum Schutz und zur Stärkung der demokratisch-zivilgesellschaftlichen Grundwerte unterzeichnet. Mediale Aufmerksamkeit erhält die privat organisierte Initiative durch zahlreiche prominente Interviewpartner – darunter EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Estlands Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid, Bundesminister Heiko Maas und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Andreas Voßkuhle.
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