Am 20. Mai 2017 veröffentlichten die Fraktionen der Sozialdemokraten (S&D), der Grünen (Greens/EFA) und der Linken (GUE/NGL) im Europäischen Parlament eine gemeinsame Erklärung. Diese Erklärung hat zu einem kleinen Shitstorm von linken auf Facebook geführt. Das überrascht zwar nicht, wird der Erklärung aber nicht gerecht. Vermutlich hat man entweder die Erklärung nicht gelesen oder sich nur auf ein, zwei Reizworte gestürzt.

Die Erklärung richtet sich vor allem an den deutschen Finanzminister und an die Euro-Gruppe, die einerseits dem griechischen Parlament erneute Sparpakte abgetrotzt haben, aber dennoch nicht die zugesagten Kredite freigeben will. Die Erklärung kritisiert mit deutlichen Worten dieses Vorgehen des deutschen Finanzministers und der Eurogruppe und fordert sie zur unverzüglichen Freigabe der zugesagten Kredite auf und zur Ausarbeitung zu einem konkreten Plan für einen Schuldenerlass.

Entzündet hat sich der Shitstorm an der Formulierung „Die Reform des griechischen Staates muss fortgesetzt werden, um die Effizienz zu unterstützen und den Klientelismus zu überwinden. Verstärkte Konkurrenzpolitik, um oligopole Strukturen aufzubrechen im Interesse der fairen Märkte sollten weiterhin Prioritäten bleiben, um die griechische Wirtschaft auf einen nachhaltigen Weg der Erholung zu bringen.“

Auf Facebook wird diese Aussage als Unterstützung des sozialen Kahlschlags in Griechenland interpretiert. Das ist allerdings eine sehr einäugige Interpretation.

Tatsächlich werden die von der Eurogruppe durchgedrückten Sparmaßnahmen kritisiert  die griechische Regierung wird in der Erklärung zu Reformen aufgerufen, die Investitionen und soziale Gerechtigkeit unterstützen, die also eben gerade keinen weiteren Sozialabbau bedeuten.

Zum Wahlprogramm von SYRIZA gehörte außerdem das Versprechen einer tiefgreifenden Reform des griechischen Staates und der öffentlichen Verwaltung, die in der Tat ineffizient und traditionelle von Klientelismus geprägt ist. Das diese nötigen und auch begonnenen Reformen innhalb Griechenland auch auf Widerstand stoßen, ist nicht überraschend. Deshalb ist es sinnvoll und richtig, dass die Erklärung auch zur Fortsetzung dieser Reformen auffordert. Damit unterstützt die Erklärung die Bemühungen von SYRIZA und Tsipras, diese nötigen Reformen weiter zu betreiben, die keine der Vorgängerregierungen ernsthaft angegangen ist.

Ginge es bei der kritisierten Formulierung nicht um genau diesen Aspekt der überfälligen Reformen in Griechenland, hätte Dimitrios Papadimoulis, SYRIZA-Mitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, diese Erklärung gewiss nicht unterschrieben. Die linken Kritiker dieser Erklärung dürfen sicher sein, dass Dimitrios Papadimoulis seine Unterschrift unter diese Erklärung mit Alexis Tsipras und auch mit der Parteiführung von SYRIZA abgesprochen hat.

Der linke Flügel des Europäischen Parlaments baut mit dieser Erklärung Druck auf gegen die Griechenlandpolitik der Eurogruppe und gegen die Sparpolitik à la Schäuble. Statt diesen Druck zu verstärken, verfängt sich ein Teil der deutschen Linken in der Logik des Bundestagswahlkampfes und schwächt den Widerstand aus dem Europäischen Parlament. Schäuble wird das mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen.

Damit sich jeder selbst ein Bild von der Erklärung machen kann, ist sie nachfolgend weitergeben. Die Presseerklärung der Unterzeichner der Erklärung ist dem Text vorangestellt.


Gemeinsame Erklärung von Sozialdemokraten, Grünen und Linken im EP zu Griechenland: Eurogruppe muss Verpflichtungen erfüllen

20.05.2017: Am Montag tagt Eurogruppe zu Freigabe der Kredittranche an Griechenland ++ Gläubiger immer noch nicht einig ++ EP-Parlamentsfraktionen von SozialdemokratInnen, Grünen und Vereinigter Linken fordern in gemeinsamer Pressekonferenz: keine weiteren Verzögerungen und Schuldenentlastung! ++ Ska Keller: Schäuble muss Obstruktion beenden!

Auf der Suche nach einer Lösung für Griechenlands Schuldenfrage und angesichts der bevorstehenden Euro-Gruppensitzung am Montag, 22.5., wenden sich die „Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament“ (S&D), die „Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke“ (GUE/NGL) und die „Fraktion der Grünen / Europäische Freie Allianz“ (GREENS/EFA) an die bevorstehende Tagung der Eurogruppe und fordern eine Entscheidung bezüglich der notwendigen mittelfristigen Maßnahmen für die Schuldenentlastung Griechenlands zu treffen. Es sei an der Zeit, „dass die Gläubiger ihre eigenen Pflichten erfüllen und ihrer Verantwortung nachkommen“, äußerten die SprecherInnen der drei Fraktionen in Straßburg.

Die Sprecherin der Vereinigten Linken im Europaparlament, Gabi Zimmer (DIE LINKE), sagte, dass sie trotz des grundsätzlichen Optimismus Bedenken habe, dass Herr Schäuble der Euro-Gruppe am 22. Mai weitere Hindernisse in den Weg legen könnte. Diese Bedenken hätten die drei Fraktionen zu der Entscheidung geführt, mit der am Mittwoch vorgestellten Erklärung zu intervenieren und die Umsetzung des Fahrplans für die griechischen Schulden einzufordern, sagte die deutsche Europaabgeordnete.

Ska Keller, Ko-Vorsitzende der Fraktion der Grünen, erklärte, Griechenland habe geliefert, jetzt sei die Eurogruppe am Zuge. Erstmals seit Jahren habe Griechenland die Chance auf wirtschaftliche Erholung. „Die Eurogruppe steht in der Verantwortung Griechenland auf diesem Weg zu einer nachhaltigen Erholung zu unterstützen“, sagte die Grünen-Politikerin. Es sei allgemein bekannt, dass die griechischen Schulden unbezahlbar seien, setzte sie hinzu. Auch der Internationale Währungsfond erkenne, dass es oh.ne substanzielle Schuldenerleichterung keinen Weg aus der Krise gebe, sagte sie. „Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble muss seine Obstruktionen beenden.“ Es sei einfach inakzeptabel, dass die notwendige Schuldenerleichterung durch Schäuble und die CDU aus wahlpolitischen Interessen hinsichtlich der Bundestagswahl verhindert werde, sagte Keller (Bündnis90/Die Grünen).

Erklärung im Wortlaut.

GEMEINSAME ERKLÄRUNG ZUR SITZUNG DER EUROGRUPPE AM 22. MAI UND ZU DEN GRIECHISCHEN SCHULDEN.

Wir fordern die Eurogruppe vom 22. Mai auf, die 2. Überprüfung des griechischen Programms abzuschließen und eine Entscheidung bezüglich der notwendigen mittelfristigen Maßnahmen für die Schuldenentlastung zu treffen. Der im Mai 2016 beschlossene Fahrplan muss eingehalten werden.

Wenn das griechische Parlament am Ende der Woche die erforderlichen Maßnahmen legalisiert, wird Griechenland seinerseits alle Versprechungen und Vereinbarungen erfüllen. Es wäre also an der Zeit, dass die Gläubiger ihre eigenen Pflichten erfüllen und ihrer Verantwortung nachkommen. Sie müssen ihre Meinungsverschiedenheiten dringend beilegen, insbesondere der IWF und spezielle EU-Gläubiger, hinsichtlich der notwendigen mittelfristigen Maßnahmen für den Schuldenerlass, die, wie beschlossen, unmittelbar nach dem Abschluss der 2. Überprüfung umgesetzt werden sollen.

Diese unterschiedlichen Ansichten und die Sparmaßnahmen haben sich als kontraproduktiv erwiesen und haben in der Vergangenheit zu gefährlichen Verzögerungen und Verwirrungen geführt.

In diesem entscheidenden Moment fordern wir vor allem den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble auf, dieses wichtige Thema konstruktiv und vernünftig anzugehen. Es ist höchste Zeit, die politisch motivierten Hindernisse zu überwinden, die einem nachhaltigen finanziellen und eindeutig definierten Fahrplan in Richtung Schuldenerlass bis jetzt in den Weg gelegt worden sind. Konkrete Entscheidungen über Schuldenerlass und Schuldennachhaltigkeit sollten jetzt getroffen werden.

Wir fordern die griechische Regierung zu Reformen auf, die Investitionen und soziale Gerechtigkeit weiter unterstützen, und zu einer guten demokratischen Regierungsführung. Die Reform des griechischen Staates muss fortgesetzt werden, um die Effizienz zu unterstützen und den Klientelismus zu überwinden. Verstärkte Konkurrenzpolitik, um oligopole Strukturen aufzubrechen im Interesse der fairen Märkte sollten weiterhin Prioritäten bleiben, um die griechische Wirtschaft auf einen nachhaltigen Weg der Erholung zu bringen.

Weitere Verzögerungen sollten nicht akzeptiert werden, da sie die neuesten bedeutenden Errungenschaften der griechischen Wirtschaft gefährden, die auf der Grundlage der Opfer des griechischen Volkes und der konkreten Perspektiven für Wirtschaftswachstum erzielt wurden, wie in allen internationalen Wirtschafts- und Finanzeinschätzungen be.schrieben einschlägig beschrieben wird. Eine Vereinbarung der Eurogruppe am 22. Mai wird diese positiven Trends festigen und wird Investitionen und Reformen, die sowohl für die Eurozone als auch für Griechenland von Vorteil sind, einen zusätzlichen Anschub geben.

Dies ermöglicht Griechenland den Zugang zum Quantitative Easing Programm der EZB, das für die Liquidität der Wirtschaft und für die positiven Verzeichnungen des Primärüberschusses unbedingt erforderlich ist.

Zusammen mit den Prognosen, die einen Rückgang der Staatsanleihen zeigen, wird Griechenland der Zugang zu den Märkten ermöglicht und der Grund dafür gelegt, dass es die Ära der Memoranden und der Austerität hinter sich lassen kann. Griechenland hat zum ersten Mal seit Beginn der Krise gut fundierte Perspektiven für die Entwicklung der Wirtschaft. Die Menschen in Griechenland sollten sich auf die Politik des Memorandum-Austritts und auf die Perspektiven konzentrieren und sich nur in Richtung Entwicklung und integratives Wachstum bewegen. Die Eurogruppe hat die Verantwortung, Griechenlands Kurs der nachhaltigen Erholung zu unterstützen.

Unterzeichnende:

Gianni Pittella, Vorsitzender der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten

Gabi Zimmer, Vorsitzende der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke

Ska Keller, Vorsitzende der Fraktion der Grünen / Europäische Freie Allianz

Phillippe Lamberts, Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz.

Dimitrios Papadimoulis, SYRIZA / Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke


Titelfoto: Europäisches Parlament, Bruxelles | J. Klute CC BY-NC-SA 4.0

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