Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser von IAMA,

Diesmal möchte ich Sie in ein außerordentliches und faszinierendes Universum entführen. In dieser Dimension geht es um nachhaltig, pflanzenbasiert und köstlich: die Rede ist vom Projekt VEGUCATION.

Ich hatte das Glück, die Projektleiterin Frau Lisa Klein interviewen zu dürfen. Und ich schätze das sehr, denn Vegucation hat mittlerweile seinen zehnten Geburtstag gefeiert, mit über 200 ausgebildeten LehrerInnen und über 1.000 SchülerInnen. Die Kurse sind weit im Voraus ausgebucht. Daher Frau Klein, ein ganz großes Dankeschön, dass Sie die Zeit gefunden haben, um unsere Fragen zu beantworten.

Doch was ist “Vegucation” eigentlich? Dahinter verbirgt sich ein Erasmus Plus – Projekt. Es geht dabei um eine direkte Finanzierung seitens der Europäischen Union, welche verschiedene Vorhaben kofinanziert. Der offizielle Name dieses Projektes lautet “Vegucation – Training of European competency in sustainable, healthy and well-balanced nutrition for professional chefs and caterers”. Hier finden Sie eine genauere Beschreibung des Vorhabens.

Wie entsteht eigentlich so ein Projekt? Frau Klein erklärt:

Unsere ParnterInnen (8 NGOs und Schulen aus 4 Ländern) und wir haben festgestellt, dass es eine Lücke zwischen dem Bedarf und dem Angebot an hochwertigen, pflanzlichen Speisen in der Gastronomie gibt. Diese Lücke wollen wir mit dem Angebot von Vegucation schließen. Dies hat auch die EU anerkannt und das Projekt gefördert.

Hier eine Beschreibung aus dem Jahre 2013 : “Vegucation ist ein Projekt des Vegetarierbundes Deutschland e.V. (VEBU) und will den Weg zum Traumberuf des vegetarischen Kochs ebnen. 30 Monate arbeiten insgesamt acht Partner (NGOs und Bildungseinrichtungen) aus vier Ländern daran, die bisherige Erstausbildung von Köchen zu verbessern und eine Zusatzausbildung für gelernte Köche im Bereich der vegetarisch-veganen Küche zu entwickeln. (…) 51% der Deutschen sind an einer fleischärmeren Ernährung interessiert. Aber nicht nur für Kunden, auch für Köche rückt der Begriff der Nachhaltigkeit und die pflanzenbasierte Küche immer mehr in den Fokus. Um dem wachsenden Bedürfnis nach einer zeitgemäßen, kreativen und vegetarischen Küche entgegenzukommen, hat der VEBU das Projekt im Oktober 2012 gestartet. Die EU fördert es bis März 2015 im Rahmen des Programms „Lebenslanges Lernen“ zu 75%. So fließen knapp 470.000 Euro in die Verbesserung der Kochausbildung in Europa. Einer bundesweiten Umfrage des VEBU an knapp 140 Berufsschulen nach zu urteilen, fehlen in der Kochausbildung vor allem das fachliche Wissen und das praktische Erproben von Produkten aus der pflanzenbetonten Küche.

Es ist höchst interessant, dass bereits vor zehn Jahren das Fehlen einer solchen Weiterbildung bemerkt wurde und dass dieses Projekt eine Antwort darauf war. Noch bemerkenswerter finde ich aber, dass nicht nur SchülerInnen, sondern auch gelernte Köche dieses Bedürfnis aufgezeigt hatten. “Außerdem entwickelt der VEBU in Zusammenarbeit mit der Deutschen Hotelakademie eine berufsbegleitende Zusatzausbildung für gelernte Köche, um das Wissen in einem Fernlehrgang zu vertiefen.”

Besonders interessant ist die Tatsache, so viele verschiedene Partner rund um dieses Konzept einer pflanzenbasierten Küche vereint zu haben: die Österreichische Vegane Gesellschaft, das zuständige Bundesministerium, die Schulen, welche bereit sind einen Versuch zu starten, die Lehrlinge, aber vor allem auch einen veganen Haubenkoch Herrn Siegfried Kröpfl. Mittlerweile vermitteln noch zwei weitere bekannte Köche ihr Wissen im Rahmen von Vegucation: Schulungskoch Sven Großhans und Konditorin Melanie Kröpfl. Auf die Frage, wie das alles möglich war, antwortet Frau Klein:

Das stimmt! Wir freuen uns enorm, mit Siegfied Kröpfl einen bekannten und hochkarätigen Koch in unserem Schulungsteam zu haben! Auch die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium, das unsere Weiterbildung anerkannt hat oder der Wirtschaftskammer, die die Lehrlingsseminare fördert, ist eine große Bereicherung für unser Projekt, wofür wir sehr dankbar sind. Die Schulen und LehrerInnen kommen auf uns zu, einerseits, da das Thema von Seiten der SchülerInnen eingefordert wird und andererseits, da die Schulen selbst daran interessiert sind, die Gastronomieausbildung zukunftsfit zu machen.

Da stellt sich ganz von allein die Frage: Was war der Hauptbeweggrund: Gesundheit oder Tierliebe?

Durch die vielen beteiligten PartnerInnen kommen verschiedenste Perspektiven ins Projekt: Aktuell ist da der Klimaschutz ganz vorne dabei. Ich persönlich habe mich aus ethischen Gründen für eine vegane Lebensweise entschieden. Ich freue mich über jede verzehrte pflanzliche Speise – ganz egal, welche Motivation dahintersteht. Vegucation leistet hier einen entscheidenden Beitrag, was mich auch ein bisschen stolz macht.

Und da gibt es allerhand Gründe, um stolz zu sein. Denn, dass jemand bereits vor zehn Jahren so weitsichtig war, um an ein solches Projekt zu denken, das verdient in jeder Hinsicht Respekt.

Was mich an dem Ganzen so fasziniert, ist vor allem die Tatsache, dass dank Vegucation Begriffe wie “Verzicht, geschmacklos, Opfer, langweilig, arm, etc.” im Zusammenhang mit der pflanzenbasierten Küche in den Schatten gestellt werden. Diese Art der Küche wird neu erfunden, es wird Peps dazu gegeben, es geht um Entdecken, Erfinden, Neugierde erwecken, Ausprobieren, und vieles mehr. Und vor allem – was ganz wichtig ist – da geht es nicht nur um die KonsumentInnen, sondern bereits um diejenigen, welche die Speisen zubereiten. Von den erfahrenen Köchinnen und Köchen bis hin zu den Jüngsten, die gerade erst den Weg in diese Welt gefunden haben.

Natürlich stellt sich auch die Frage: sind die Rezepte von Grund auf neue vegane Gerichte oder aber auch „veganisierte“ klassische Rezepte? Frau Kleins Antwort wundert mich auf erfreuliche Art und Weise:

Beides! Die beliebtesten Gerichte, die immer wieder für überraschte Begeisterung sorgen, sind allerdings die „klassischen“ Speisen der heimischen Küche. Kaiserschmarrn oder Gulasch sind Wohlfühlgerichte, die auch in der pflanzlichen Variante schmackhaft sind und an die Kindheit erinnern.”

Klassisch gegenüber Futuristisch? Dies führt mich gleich zu einer anderen Frage, denn es bleibt für mich von größtem Interesse, dass vor allem Jugendliche so sensibel reagieren, wenn es um die Frage “pflanzenbasiert” geht. Ich frage Frau Klein ohne Umwege “Für BHS-Schüler/innen wird, vegan verstärkt zum Thema. Drei von vier Schulen wollen mehr vegan-vegetarische Küche im Lehrplan. Wie kam es zu einer solchen Entwicklung? Was war der Auslöser? Die Antwort lässt nicht auf sich warten:

Der Fokus der Weiterbildung liegt auf der Verarbeitung von Fleisch und anderen tierischen Produkten. Die SchülerInnen wissen, dass wir zu viel Fleisch konsumieren. Nach diversen Fleischskandalen machen sie sich derzeit zum Beispiel im Rahmen von Fridays for Future für eine klimagerechte Zukunft stark. Sie wissen, dass das Know-how pflanzliche Speisen zuzubereiten, in der Gastronomie zukünftig – und schon heute – ein Muss ist.”

Ich finde das enorm, dass wir endlich an dem Punkt sind, dass pflanzliche Gerichte sogar als “must” bezeichnet werden. Leider erlebe ich heutzutage noch zu oft, dass die Bestellung einer einfachen veganen Pizza ein Ding der Unmöglichkeit ist oder aber ein Patchwork eines gutgesinnten Pizzaiolo. Daher freue ich mich über diese Aussage und ehrlich gesagt, über dieses Interview insgesamt, denn es steckt so viel Potential darin, dass es so richtig gut tut.

In diesem Projekt, ich würde es aber am liebsten als “Vision” bezeichnen, kooperieren verschiedene Akteure. Der Beitrag des veganen Haubenkochs Siegfried Kröpfl ist natürlich essenziell. Also meine Frage an die Projektleiterin Frau Klein “Wie konnten Sie Herrn Kröpfl für dieses Vorhaben gewinnen?

Siegfried ist eine große Stütze unseres Projekts. Wir haben ihm von der Idee erzählt und er war sofort dabei. Auch Siegfried ist es ein großes Anliegen, die Jungen, also SchülerInnen und Lehrlinge zu erreichen, denn sie gestalten unsere Zukunft. Durch ihn war das hohe Niveau unserer Weiterbildung von Anfang an gesichert.”

Da stellt sich mir dann gleichzeitig die Frage, wie eigentlich so ein Projekt in der Welt der „klassischen“ Köche ankommt. Vegane Küche, veganer Lifestyle können verschiedene Beweggründe haben: Gesundheit, Tierliebe, Neugierde, Lust auf Neues. Daher bin ich überzeugt, dass man hierauf keine allgemeine Antwort geben kann. Das hängt sicherlich vom jeweiligen Koch ab, doch eines ist klar: niemand kann abstreiten, dass vermehrt Nachfrage nach “alternativen” Speisen herrscht.

So ist dieses Projekt in Österreich beispielsweise mit über 20 Partnerschulen unterwegs. Worauf ist ein so großes Interesse zurückzuführen?

Unsere Seminare an den Pädagogischen Hochschulen sind stets ausgebucht, teilweise müssen wir die LehrerInnen an die Warteliste verweisen. Die Schulen sowie die Lehrenden schätzen unseren undogmatischen Zugang, sie können sich mit den Inhalten identifizieren und wollen ihr Wissen an die SchülerInnen weitergeben. So konnten wir mittlerweile über 200 Lehrpersonen schulen!

Da kommt ganz automatisch die Frage “Welchen Grund hat die Wirtschaftskammer Österreich, um eine solche Initiative zu unterstützen?”

Die Wirtschaftskammer unterstützt ihre Betriebe dabei mit einer Förderung von 75% der Kosten. Genau wie in der Schule liegt auch in der Kochlehre der Fokus auf Fleisch, Milch, Eiern und Co. Somit bietet unser Seminar den Betrieben eine Möglichkeit, ihren Nachwuchs auf die Wünsche der KundInnen vorzubereiten. Nicht selten erhalten wir Anfragen, ob auch ausgebildete KöchInnen mit den Lehrlingen mitkommen können, um unser Seminar zu besuchen. Das beantwortet also irgendwo auch meine vorhergehende Frage. Nachfrage ist enorm wichtig, um den Konsum zu lenken und somit den Markt.

Zum Abschluss dieses Interviews, eher dieser Entdeckungsreise, möchte ich ganz gerne auf die Webseite des Projektes hinweisen. Schon die Welcome-Seite spricht Bände. Solche Gerichte können nur Lust auf mehr machen.

Besonders interessant finde ich auch die Unterteilung in Schule, Lehrling und Weiterbildung. Jeder kann in den Genuss dieser Kochkenntnisse kommen. Für Lehrlinge gibt es – wie vorhin schon angedeutet – ein überaus tolles Angebot:

Die Lehrlingsförderstelle der WKO (Wirtschaftskammer Österreich) hat unsere Kurse “Vegane Küche – Plant Based Cooking” sowie “Veganes Backen – Kniffe der rein pflanzlichen Pâtisserie” mit einer Förderung in der Höhe von 75% genehmigt. Für nur ca. 57€ statt 225€ kann jeder Kochlehrling für zwei Tage bzw. für 37,5€ statt 150€ für einen Tag (netto, zzgl. Materialkosten) mit Haubenkoch Siegfried Kröpfl kochen und die vegane Küche kennenlernen*.” Hier die Informationen dazu.

Bei der Weiterbildung für bereits geschulte KöchInnen geht es um Bereiche wie:

  • Warenkunde: Fleisch-, Milch,- Käse-, und Eialternativen
  • pflanzliches Backen – Massen und Teige
  • Neue Rezepte und innovative Zubereitungsarten
  • Geringer Fußabdruck und klimafreundliches Kochen
  • Zielgruppen erkennen und ansprechen
  • Marketing und Kommunikation von pflanzlichen Speisen und Menüs

Und dulcis in fundo, im Rahmen des Zertifikatslehrganges gibt es ein begleitendes Schullehrbuch “Die Veggie-Profis”. Und dieses kann man natürlich auch online bestellen.

Da bleibt mir nur eines: Frau Klein, Sie haben uns eine neue Welt näher gebracht. Ein herzliches Dankeschön für Ihre Zeit und Ihre Begeisterung und dieses anregende Interview! Wie Sie auch meinten Das vegan-vegetarische Angebot in Österreich wächst enorm!” und das ist sicher zu einem großen Teil Ihnen und Vegucation zu verdanken.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Titelbild: Martin Fisch CC BY 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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