Von Frederik D. Tunnat

Die momentane Situation, in der sich die Bundesrepublik Deutschland befindet, ist existentiell wie bedrohlich. Während die Exporte wegbrechen, die Industrie abwandert oder mit ökonomischen Problemen bis hin zu Insolvenzen kämpft, sich die Arbeitslosenzahlen langsam aber stetig nach oben bewegen, der gesellschaftliche Konsens wegbricht, nationalistische und rechtsradikale Parteien und Gruppierungen massiv Zulauf erfahren, das etablierte Parteienspektrum erodiert, das Land und die Regierung mit zurückgehenden Steuereinnahmen bei rasant steigendem Ausgabenbedarf konfrontiert sind, wirkt die seit zwei Jahren regierende Ampel-Koalition derart abgewirtschaftet und kraftlos, dass das Land scheinbar ohne Kapitän und Lotsen auf selten gefährliche Stromschnellen zusteuert.

Als sei der toxische Cocktail aus gesellschaftlich-sozialer und ökonomischer Probleme nicht mehr als komplex und problematisch genug, belasten diverse politische Entwicklungen aus dem Ausland unser Land in selten gekanntem Ausmaß. Da braut sich ein Konflikt nie gekannten Ausmaßes im Sahara-Gürtel Afrikas zusammen, droht der Nahe Osten rund um Israel und den Iran in ein kriegerisches Flammenmeer abzugleiten, ist Europas Nachkriegsordnung und territoriale Integrität in seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannten Ausmaß existentiell durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bedroht, während der potenziell nächste Präsident der USA, Donald Trump, nichts Besseres zu tun hat, als die Nato von innen heraus zu zerstören, ja Russlands Diktator Putin auch noch ermutigt, Nato Mitglieder in Europa anzugreifen, ihn versichernd, er, Trump, werde keinen Finger rühren, um Putin an der gewaltsamen Annexion der ehemaligen Sowjet-Vasallenstaaten in Osteuropa zu hindern.

Es ist ein rabenschwarzes Horrorszenario wie aus einem apokalyptischem Hollywoodfilm, da aktuell über eine maßlos überforderte Bundesregierung und ein innerlich zerrissenes, uneiniges Deutschland hereinbricht.

Obwohl die Bundesregierung und ihre zahlreichen Ministerien – statt ihre Aufgaben und Probleme im Sinn der Verfassung und ihrer eigens dafür geschaffenen Existenz selbst zu lösen – Unmengen teuer bezahlter Beratern das Tagesgeschäft wie die Zukunftsplanung überlässt – was den Steuerzahler doppelt und dreimal soviel Geld kostet, als nötig wäre, sind die Lösungsansätze und Ergebnisse dieser inzwischen in die Milliarden gehenden Beraterarbeit eher kontraproduktiv, denn hilfreich und problemlösend.

Insofern höchste Zeit, sich des Deutsch-Italieners Pareto zu erinnern, der eines der elementaren „Naturgesetze“ entdeckte, das die moderne Welt, nicht nur des kapitalistisch-demokratischen Westens, sondern der ganzen Welt, einschließlich Indiens, Chinas, Afrikas und sogar Russlands, „im Innersten zusammenhält“, wie bereits Goethes Faust formulierte. Pareto entdeckte, dass es ein alles beherrschendes Grundprinzip gibt, das nach ihm benannte Pareto-Prinzip. Es besagt, dass die heutige Welt, vermutlich aber bereits seit Anbeginn der Zeit, nach der 20 zu 80 Prozent Regel funktioniert.

Tatsächlich, wohin man auch blickt, welchen Bereich man betrachtet, stets zeigt sich, dass überall auf der Welt, in allen Bereichen der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, das 20:80 bzw. 1:4 Prinzip gilt. 20 Prozent der Menschen besitzen 80 Prozent der Welt, ihres Vermögens etc.

Fast in jedem Bereich menschlichen Lebens lassen sich mit 20 Prozent der Mittel oder des Personals 80 Prozent der Probleme lösen. In fast jeder Branche, in nahezu jedem Unternehmen lässt sich nach Auswertung der betriebswirtschaftlichen Daten feststellen, dass mit max. 20 Prozent der Kunden oder Mittel 80 Prozent des Umsatzes bzw. Profits erzielt werden. In jeder Behörde halten maximal 20 Prozent der Mitarbeiter die gesamte Behörde am Laufen, während 80 Prozent der Beamten überflüssig sind oder nichts bzw. nur kontraproduktiv arbeiten. Es geht nicht darum, dass es stets exakt 20 zu 80 Prozent sind, aber vom Prinzip her trifft die Relation immer und in nahezu jedem Zusammenhang zu.

Ich selbst habe dies, in verschiedenen Positionen, auf unterschiedlichen Hierarchieebenen, in unterschiedlichen Unternehmen, mit unterschiedlichen Produkten, unterschiedlichen Mitarbeitern, unterschiedlich hoher Branchenmacht und Kompetenz immer wieder bestätigt gefunden. Es waren stets nicht mehr als bis 20 Prozent der Produkte, die mindestens 80 Prozent der Umsätze generierten. Eher weniger als 20 Prozent der Mitarbeiter hielten den Betrieb am Laufen und sorgten für dessen Überleben zu einem existentiell entscheidendem Anteil von 80 und mehr Prozent. Ich selbst stellte fest, nachdem ich das Pareto-Prinzip auf meine Arbeit und Zeitplanung angewendet hatte, tatsächlich in maximal 20 Prozent meiner Zeit die entscheidenden, wichtigsten Probleme, also 80 Prozent oder mehr, erledigen konnte, indem ich meine Zeit entsprechend plante, sprich den wichtigsten Problemen gerade mal 20 Prozent meiner Zeit widmete. Mit anderen Worten: wir alle verschwenden bis zu 80 Prozent unserer Zeit damit, uns um Unwichtiges, Unwesentliches, Unproduktives zu kümmern, während das, wofür wir in der Regel gerade mal 20 Prozent aufwenden, für unser Leben, unser Unternehmen, unseren Beruf 80 Prozent ausmachen, folglich von überragender Bedeutung sind.

Langer Rede, kurzer Sinn:

Deutschland braucht eine Art politisch-gesellschaftlichen Kassensturz nach dem Pareto-Prinzip

Es bedarf einer konzentrierten Maßnahme, bei der maximal 20 Prozent Deutschlands vorhandenen Sachverstands – unabhängig von Partei- oder Wirtschaftsinteressen – zusammen gezogen wird. Dazu gehören die 100 Prozent aller gegenwärtigen Probleme auf den Tisch. Sie werden nach Bedeutung für das Überleben des Landes, also in gesellschaftlicher, ökonomischer, politischer Relation bewertet. Eines dieser mit höchster Priorität versehenen Probleme sollte das der Verteidigungsfähigkeit und damit der Steigerung der Überlebenschancen der freiheitlich-demokratischen Ordnung unseres Landes sein. Nachdem die Probleme nach Bedeutung kategorisiert sind, sollte der geballte Sachverstand sich der Problemlösung widmen, ohne jegliche Scheuklappe in irgendeiner der üblichen Restriktionen. Schnell würde sich erweisen, dass zahlreiche Lieblings-Spielplätze der aktuellen Ampel-Regierung und der sie tragenden Parteien in die Kategorie unbedeutend bis unnütz, kontraproduktiv gehören. Dafür würde die Priorisierung der existentiell wesentlichen Probleme dazu führen, dass plötzlich Lösungsansätze und Umsetzungspläne auf den Tisch der politischen Entscheidung kämen, die dazu angetan sind, die massive Krise des Landes zum größtmöglichen Teil zu lösen. Wenn sich die Situation des Landes und seine existentielle Bedrohung gelöst haben, wäre Zeit und Gelegenheit, sich um die weniger wichtigen, aber umfangreichsten 80 Prozent-Probleme zu kümmern. Denn dann würden z.B. längst wieder mehr Unternehmen erfolgreich wirtschaften, Steuern würden in höherem Umfang fließen, als derzeit. Damit wäre wieder die Basis für soziale Gerechtigkeit und ein gewisses Maß an Umverteilung, was sich a priori aus dem Pareto-Prinzip als Gesetzmäßigkeit ergibt, möglich.

Ich kenne keine bessere oder effektivere Maßnahme, als das Prinzip, das Pareto als Erster erkannte, und das daher nach ihm benannt ist, zur Lösung der akuten Probleme unseres Landes anzuwenden. Gleich ob für die Bundeswehr, den Beamtenapparat, die Verwaltungsreform, die Steuerreform, Lösungen, die nach der vorausgehenden Analyse und der Berücksichtigung des Pareto-Prinzips gefunden werden, haben das Zeug, nein bieten die Gewähr dafür, dass sich Deutschland von seiner es lähmenden Ampel-Regierung befreien und seine existentiellen Probleme in der kürzest dafür notwendigen Zeit, mit dem geringst möglichen Aufwand zum größtmöglichen Teil, nämlich bis zu 80 Prozent, lösen lassen.

Funktionieren kann Pareto allerdings nur, worauf er selbst einschränkend hinwies, wenn alle Elemente des Systems unabhängig voneinander sind. Durch Abhängigkeit der Elemente (wie etwa politische Parteien oder Interessengruppen) werden Ausgangsbasis wie Lösungsmöglichkeiten negativ beeinflusst und verändert. In der Praxis ist die Zahl der relevanten Elemente sehr gering: Sehr wenige Elemente bestimmen über den gesamten Effekt des Pareto-Prinzips.

Mit anderen Worten: eine Problemlösung nach Pareto kann nur funktionieren, wenn sich Parteien und Interessengruppen völlig heraushalten. Das System ist, sofern man die Daten und Fakten unabhängig und unparteiisch auswertet und gewichtet, unbestechlich und tendiert keiner Bevölkerungsgruppe zu oder benachteiligt sie. Die Chancen, dass sich das gebeutelte Land und die sich selbst diskreditierende Regierung jedoch auf eine Problemlösung a la Pareto einigen werden, stehen, wenn ich nach Pareto gewichte, höchstens bei 20 Prozent. 80 Prozent besagen weiterhin, dass den Berliner Traumtänzern, unseren Politikern und dem verkrusteten, überbordenden Beamtenapparat die Gefahr, selbst u.U. überflüssig zu werden, wenn man den unbestechlichen Pareto ran lässt, zu groß erscheint. Lieber weiter wursteln und auf das Prinzip Hoffnung setzen: vielleicht meint Trump ja nicht, was er sagt. Eventuell ist Putins Appetit auf Europas Staaten kleiner als befürchtet. Besser noch ein paar Jahre lang vom selbst verschuldeten Misserfolg profitieren, als sich freiwillig in die Büsche zu schlagen. Zur Not kann man sich ja später auch zu Putin und Trump ins Bett legen – sofern das die eigenen Privilegien erhält und das Zusammengeraffte bewahrt. Deutsche verfügen diesbezüglich ja über enorme Anpassungsfähigkeit und Erfahrung: Nach 1945 wurden aus überzeugten Nazis im Westen „überzeugte Transatlantiker“, wie im Osten „überzeugte Sozialisten“.

Titelbild: Bundestag by malditofriki CC BY-SA 2.0 via FlickR

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