Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ich helfe einer Freundin seit einiger Zeit mit Englisch Konversationsstunden. Und da ich ihre Büchlein mit den Horrorgeschichten von Frankenstein und Dr. Jeckill und Mr Hyde oder aber die Liebesgeschichte von Notting Hill wirklich nicht mehr riechen kann, habe ich mir gedacht, wenden wir uns einem anderen Thema zu. Ein Bereich, der mir sehr am Herzen liegt: Tiermisshandlung. Wir bleiben immer im Bereich Horror, den meine Freundin so sehr liebt, doch aus einer anderen Perspektive. Nun, heute habe ich meine Dosis abbekommen. Ein Artikel über Tiermisshandlung allgemein vor, während und nach Weihnachten. Angefangen von den Truthähnen bis zum Rentier. Hier der Link zum Artikel, der klarerweise auf Englisch ist. Doch die Bilder und Videos sind recht selbsterklärend. Warum ich nicht über die üblichen Hummer schreibe, die zu Weihnachten lebendig verbrüht werden? Oder die Abertausende von Gänsen, die für das berüchtigte und so heiß geliebte „Foie gras“ brutal gemästet werden? Vielleicht, weil ich hoffe, dass Sie sich an meine vergangenen Artikel erinnern und bereit sind für neue Informationen. Besonders schrecklich finde ich folgende Aussage: Das Herzstück dieser Familientreffen sind in der Regel der Truthahn und das Schwein. Wenn sich alle mit so viel Essen vollgestopft haben, dass ihnen schlecht wird, wandern die Reste in den Mülleimer. Wenn es schon furchtbar ist, Tiere zu töten, um sie zu essen, dann ist es sicher noch schlimmer, Tiere zu töten, um sie nicht zu essen.

Gerade heutzutage, wo man auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene verstärkt von Lebensmittelverschwendung spricht, finde ich diese Aussage leider äußerst zutreffend. Zusammenkunft und Feiern ist gleich Essen und Trinken. Als Gastgeber darf man nicht kleinlich sein. Man muss wohl vom Feinsten auftischen. Ob das dann womöglich gar nicht schmeckt und mehr als ein Gast lieber einen ganz stinknormalen Teller Nudeln gehabt hätte, ist egal. Wichtig ist: das Weihnachtsfestmahl. Ich finde es wichtig, dass Sie die Möglichkeit haben, solche Videos zu sehen, wie sie im Artikel angeführt werden. Klar, einige sind unangenehm, aber vor allem jenes zum Truthahnbraten ist zwar explizit, aber es ist noch zu „verdauen“.

Anders hingegen jenes zu den Rentieren. Sie werden sich jetzt fragen, was hat es da zu tun? Gibt es Rentierschnitzel zum Heiligen Abend? Nun hier geht es um das Rentier als Attraktion auf Weihnachtsmärkten, Supermärkten, etc. Und Sie werden jetzt einwenden, das ist ja bei uns nicht typisch, also trifft mich das nicht. Nein! Vielleicht können Sie mit einem britischen oder amerikanischen Bekannten darüber reden oder Sie können einfach auf ein bisschen Allgemeinwissen im Bereich Tiermisshandlung stolz sein. Rentiere müssen sehr lange Reisen hinter sich bringen, um auf die genannten Märkte zu gelangen. Dort stehen oder liegen sie stundenlang im grellen Licht, womöglich ohne frische Luft, umgeben von kreischenden Kindern und ohrenbetäubenden Weihnachtstrubel. Das ist Tiermisshandlung. Doch schlimmer geht es noch vorher zu, bevor sie zu diesem Lebendzirkus kommen. Versteckte Aufnahmen in britischen Zuchtbetrieben zeigen, wie ein Arbeiter dem Tier Fußtritte verpasst und sie alles andere als respektvoll behandelt. Sind Sie immer noch der Meinung, dass Sie das alles nichts angeht, weil vor Ihrer Weihnachtshaustüre kein Rentier grasen wird? Dann überlegen Sie einfach, was der Sinn von all dem sein kann. Wenn Kinder mit diesen Brutalitäten aufwachsen, die ihnen als natürlich, lustig und positiv dargestellt werden, was wird dann aus ihnen, wenn sie einmal erwachsen sind? Unsensible Personen, die sich Null um Tierwohl scheren. Kann es das sein? Nein, in unseren Breitengraden sind es halt Schafe, Esel und Kühe, die für die Lebendkrippen verwendet werden. Aber es geht im Grunde, um dieses eine Etwas, das man Mitgefühl nennt. Wenn wir unseren Kindern nicht diese Empathie für andere Lebewesen mit auf den Weg geben, wollen wir uns dann wundern, wenn es vermehrt Tiermisshandlungen gibt? Und ist der Schritt so groß bis hin zu Gräueltaten an Menschen? Oje, sie stellt jetzt Mensch und Tier auf dieselbe Ebene, welch ein Skandal! Ja, das tue ich. Wenn man Tiere missachtet, neigt man meines Erachtens eher dazu, die Grenze zur Gewalt am Menschen zu übertreten. Das heißt keinesfalls, dass Leute, die Fleisch essen, alles Mörder sind. Aber eine Gesellschaft, die keine Achtung vor dem Leben hat – Tier, Natur und Umwelt – wohin führt diese Gesellschaft uns Menschen? In Richtung Liebe und Respekt oder eher Konsum, Ausnutzung und Gier?

Es hat letzthin mehrere Artikel gegeben, wo es darum ging, ob in Zukunft mehr oder weniger Fleisch gegessen wird und ob Tierwohl einen zunehmend höheren Stellenwert hat oder nicht. Eigentlich dreht sich alles nicht so sehr darum, Produkte tierischen Ursprungs zu essen oder nicht. Jene, die solche Produkte konsumieren, anzuprangern. Nein, ich bin der Meinung, dass es schlicht und einfach um Respekt geht. Respekt vor dem Leben, sei es eine Schnecke, die ich vermeide zu zertreten, sei ein Schwein, mit dem ich Mitleid empfinde, sei es die Umwelt, die wir langsam aber sicher zunichte machen. Respekt heißt für mich aber auch, dass Gleichberechtigung herrschen muss. Wenn ich als Veganerin die Fleischverzehrer nicht schief anschauen darf, wenn sie vor mir mit Freude in ein fett triefendes Steak beißen dann will ich dasselbe Recht auf Nichtdiskriminierung genießen. Was ich damit sagen will? Ein Beispiel: ein Kollege hat gemeint sehr lustig zu sein und hat mir in der Videokonferenz ein Bild via Chat geschickt. Darauf waren mehrere Speckschwarten zu sehen und eine Tafel „Entwöhnungskurs für Veganer“. Klarerweise haben sich alle schief gelacht. Sollte ich auch lachen oder mich ärgern oder beleidigt sein? Ich habe über seine Respektlosigkeit geschmunzelt. Denn als solche habe ich das empfunden. In mir habe ich aber gedacht, wenn ich dasselbe mit euch machen würde, dann würde es heißen, diese Besserwisserin, die alle als Mörder darstellen will. Nun, gerade als ich diese Zeilen schreibe, habe ich beim Surfen diesen Artikel gefunden. Der ist echt lesenswert und spricht mir aus der Seele.

Wo sind jetzt aber unsere Truthähne und Rentiere geblieben? Die werden leider, wie jedes Jahr auf unseren Tellern und Weihnachtsmärkten landen. Aber vielleicht,  mit der Zeit, seltener. Und das ist dann eine Wende. Und für diejenigen, die jetzt in diesem exakten Augenblick meinen „ja, das stimmt alles, ab Morgen ernähre ich mich vegan“ da möchte ich eines sagen: Morgen werden Sie mit einem Bärenhunger ihrem fetten Steak gegenüberstehen. Sie werden sich denken, nur noch das eine Mal, das arme Schwein ist eh schon gestorben und ich kann das Schnitzel nicht wegwerfen. Und es ist halt so lecker. Und Fleisch ist wichtig für eine ausgewogene Diät. Und und und …

Da kann ich nur Hermann Lahm zitieren „Kleine Schritte sind oft bedeutsamer als große Sprünge“. Versuchen Sie es doch mit einem veganen Tag pro Woche und dann sehen Sie weiter. Bitte reden Sie mit Freunden und Bekannten darüber, danke – IAMA

Titelbild: Turkey by beana_cheese CC BY-NC 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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