Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

hin und wieder lasse ich mich „inspirieren“, um einen Artikel zu schreiben. Ich lasse die Nachrichten, die ich lese und höre auf mich einwirken und jene, die mich am ehesten trifft, suche ich aus, um einen Beitrag zu verfassen, der hoffentlich von mehr als zwei Personen (dem Chefredakteur und ich) gelesen wird. Letzthin ist das aber so eine Sache mit der Inspiration. Da ist einfach zu viel, was sich tut. Es sind zu viele Mitteilungen über Misshandlungen und respektlose Ausnutzung von Tieren. Ich kann manchmal kaum glauben, was ich sehe. Kann dieses Wesen, das sich als „menschlich“ bezeichnet, so grausam sein? Anscheinend ja. Wo soll ich dann bloß mit meiner Themenwahl beginnen? Die wortwörtliche „Qual der Wahl“.

Pferdesport oder eher das Wohl der Pferde beim Reiten liegt mir irgendwie besonders am Herzen. Ich reite selbst und bin beim Dressurreiten eine Katastrophe. Daher verstehe ich sehr gut, wenn es heißt, dass die Pferde bei Turnieren „eine Silhouette aufweisen müssen“; den Kopf gebogen und nahezu über dem Boden schweben. Beim Dressurunterricht waren ich und der Vierbeiner, den ich regelmäßig ritt, immer das perfekte Duo: er wollte nicht und ich verstand nicht, wie man „die richtigen Befehle oder „Hilfen“ geben musste: ich weigerte mich, ihn zu überzeugen. Das Resultat war eklatant – zwei Rebellen, welche während der Lektion für Abwechslung sorgten. Aber ich bin noch immer mit einem Riesenschmunzeln vom Unterricht raus und habe die Momente gemeinsam mit diesem Rebell-Kartoffelsack so richtig genossen. Wir sind dann auf Promenaden umgestiegen….

Leider geht es aber nicht allen Pferden so. Je höher das Niveau, desto mehr Geld und Ruhm stehen auf dem Spiel und umso mehr besteht das Risiko der Tierquälerei. Hier ein Artikel, der in kurzen Worten alles bestens zusammenfasst.

Wir haben übrigens im August 2021 die Tragödie von Annika Schleu verfolgen dürfen, welche bei Olympia unter Tränen mit der Gerte auf ihr Pferd einschlug, um es durch den Parcours zu bringen. Da wollte man durch harte Hand die Aktion des Pferdes erzwingen.

Tierquälerei an Pferden kann aber auch in entgegen gesetzter Richtung gehen. Man will das Tier eher beruhigen, unnatürlich beruhigen, damit es ja ruhig trabt, und alle möglichen Dressurfiguren daher zaubert. Eigentlich will man vor allem dessen Schmerzen beruhigen. Es muss den Kopf wie ein Schwan an die Brust pressen und möglichst dahinschweben und der Rücken muss schwingen.

Wie man im Beitrag lesen kann:

„Seit einiger Zeit diskutieren die Pferdeleute in Zeitschriften oder Internetforen intensiv die sogenannten Rollkuren, mit denen bekannte Reiter wie die Holländerin Anky van Grunsven oder Isabell Werth ihre Pferde trainieren. Dabei ziehen sie den Kopf des Pferdes mit Gewalt auf die Brust. Der Hals ist dadurch rund. Das Pferd wird zum Gehorsam gezwungen, wehren kann es sich derart stranguliert kaum mehr.“

Wie viele unter uns haben diese eleganten Wesen bei den Turnieren bewundert? Und die ReiterInnen, die nahezu unbeweglich im Sattel sitzen und kaum einen Finger krümmen und schon macht das Pferd alles, was sie ihm abverlangen. Da liegt ein ganzes Universum dahinter, aber nicht allein von Training. Rückenschmerzen und kranke Beine werden im genannten Beitrag erwähnt. Dagegen gibt es dann Beruhigungsmittel, denn die Pferde müssen rentabel bleiben. Sie müssen trainierbar sein, transportierbar, manipulierbar, dressurreitbar, springturnierbar, und weiß der Kuckuck was noch. Sie müssen immer „-bar“ sein, das bedeutet, Schwächen entsprechen auf einem bestimmten Niveau einem Geldverlust, der nicht mehr akzeptiert wird. Tierliebe? Respekt für ein Lebewesen mit Gefühlen? Der Rede wohl nicht wert. Die Lösung heißt in dem Fall „Doping“. Doch nicht, um das Pferd reaktiver oder energischer zu machen. Nein, es muss beruhigt werden, seine Schmerzen müssen unterdrückt werden, die Entzündungen, und der ganze Rest. Die ganzen Flausen über „richtig reiten“, damit das Pferd gut und richtig geführt wird, damit es den Reiter auf dem Rücken nahezu nicht spürt und mit dem Reiter eines wird. Was soll das denn? Wenn es mit dem Reiter oder der Reiterin eines wäre, dann würden diese „SportlerInnen“ auch dessen Schmerzen zu spüren bekommen; was vielleicht gar nicht so schlecht wäre, damit sie sich bewusstwerden, was sie dem elendiglichen Vierbeiner abverlangen. Einfühlungsvermögen? Ins Pferd hineinhorchen, um zu wissen, wie es sich beim gemeinsamen Arbeiten fühlt? Was soll dieser Blödsinn? Dieses Tier ist eine Investition, ein Ding, wo man draufsitzt, eine Maschine, die man einschaltet und die man auf Vollgas bringt, und das war es dann schon.

„Nur, dass die schöne Silhouette mit dem stolz gebogenen Pferdehals heute oft nicht Ergebnis jahrelanger Arbeit, sondern tierquälerischer Methoden sei, mit denen die Reiter schnell zum Erfolg kommen wollten, wettert Heuschmann. Die Profis machen es vor.“

Wenn ich dann weiterlese, bekomme ich einen Krampf im Magen: „“Diese Pferde sind komplett verspannt“, sagt Heuschmann, „denen tut alles weh.“ Erreichen lässt sich das entweder mit Kraft oder mit Hilfsmitteln wie Schlaufzügeln, mit denen der Reiter das Pferdemaul bequem nach hinten ziehen kann.“

„Die Reiter sind auf Sponsoren angewiesen oder darauf, Pferde zu trainieren und zu verkaufen. Immer geht es darum, die Pferde in kurzer Zeit zu Turniererfolgen zu trimmen. Ergebnis: Tiere, denen alle Knochen weh tun.

„Wir brauchen eine radikale Kehrtwende im Sport“, fordert Heuschmann. Die Starts von jungen Pferden müssten begrenzt werden. Die Turnierrichter müssten Pferde, die erkennbar mit Rollkuren oder ähnlichem gequält wurden, konsequent aussortieren.“

Schließlich denke ich mir aber, ok, die Reiter sind schuld, denn sie sitzen auf dem Pferderücken. Doch da sind auch die Sponsoren und die Pferdeeigentümer, die Ergebnisse verlangen. Und wer sitzt denn am anderen Ende der Fernsehshow oder des Reitgeländes? Wir ZuschauerInnen. Genau, ich bin der Überzeugung, dass wenn wir solche Darstellungen boykottieren und zeigen, dass wir dagegen sind, dann hat das eine große Wirkung. Es kann doch nicht sein, dass aus Geldgier oder um Touristen anzuziehen, diese edlen Kreaturen so misshandelt werden müssen. Was ist mit dem weltberühmten „Palio di Siena“? Hier einer von vielen Beiträgen dazu.  Acht Dopingfälle 2010. Wird es nach über zehn Jahren besser sein oder schlimmer? Ich habe Angst vor der Antwort. 2010 wollte die damalige Tourismusministerin diesen auch abschaffen. Hier hingegen sind wir wieder „back in the future“ und dieser Artikel ist sehr klar. Pferde werden bereits beim Training derart an die extremen Grenzen des Möglichen gezwungen, dass sie sich oft Verletzungen zuziehen. Wie schaut es aber mit dem Stresslevel aus? Wie muss das für ein derartiges Tier sein, welches grundsätzlich ein Fluchttier ist, wenn es in solch einem Chaos von einem hysterischen Typ auf dem eigenen Rücken derart zum Rennen angetrieben wird? Möchten Sie an der Stelle des Pferdes sein? Ich nicht.

Schauen wir wieder zum Springsport. Da wird ein mehrfacher Olympiasieger -Ludger Beerbaum – eines schweren Verbrechens verdächtig: „Barren“ statt „Touchieren“. Die Worte sind eigentlich sehr explizit, aber der Unterschied wird im Beitrag sehr gut erklärt. Beeindruckend ist auf jeden Fall, dass Springen nichts Natürliches mehr in sich hat. Wenn das Pferd die Beine so anzieht und so hochspringt, ist das lediglich das Resultat eines „Angst-Trainings“. Sollte Sport eigentlich nicht auch mit Respekt und Fairness einhergehen?

„In der Sendung „RTL extra“ sollte auf der Basis heimlich gedrehter Videoaufnahmen der Beweis erbracht werden, dass in den „Ludger Beerbaum Stables“ das unerlaubte Barren beim Training der Springpferde zur Anwendung kommt. Beim Barren wird den Pferden während des Sprungs mit einer Stange schmerzhaft gegen die angewinkelten Vorderläufe geschlagen. Damit soll erreicht werden, dass die Tiere künftig aus Angst vor weiteren Schmerzen höher springen.

Erlaubt ist dagegen das leichte Touchieren der Vorderläufe beim Sprung. Ob es sich bei dem Reiter, der im Filmbeitrag zu sehen ist, tatsächlich um Ludger Beerbaum handelt, lässt sich allerdings nicht mit letzter Sicherheit erkennen. Zu sehen ist jedoch, dass hinter dem Hindernis eine zweite Person steht, die beim Sprung des Pferdes eine lange Latte nach oben in Höhe der Vorderbeine hebt.“ Beerbaum wendet ein: „Das gelte auch für die sich auf einem Dachboden befindlichen Stangen mit den Noppen, die RTL in dem Beitrag gezeigt hatte. „Dazu kann ich nur sagen, dass diese Elemente dort seit Jahren liegen“, sagte Beerbaum: „Diese stammen aus einem gekauften Bestand von Hindernissen und wurden aussortiert, damit sie nicht benutzt werden. Sie werden auch nicht beim Training mit Pferden eingesetzt.“

Wie nun eines dieser Teile, „blank geputzt und sauber“, zwischen die gebräuchlichen Hindernisstangen komme, „kann ich nur mutmaßen. Für mich ist es naheliegend, dass explizit für den Beitrag eine dieser Stangen dorthin gelegt wurde. Hierzu werden wir weitere Nachforschungen anstellen.“

Besonders gewaltsam ist auch die Disziplin des „Cross“. Dort sind nämlich die Hindernisse fix und nicht beweglich wie bei einem Springturnier. Können Sie sich ausmalen, was das bedeuten muss, wenn das Pferd mit voller Wucht und Geschwindigkeit mit den Vorderbeinen gegen einen schweren, praktisch unbeweglichen Baumstamm prallt?

All das ist Sport, all das ist Gewinn für die Eigentümer der Pferde, der Fernsehsender, der ReiterInnen, all jener, die in diesem Ökosystem „Pferdesport“ herumschwirren und ihr Häufchen Geld machen wollen. Wikipedia erklärt das hervorragend: „Die Vielseitigkeit, heute auch Eventing genannt, früher als Military bezeichnet, ist eine Disziplin des Pferdesports. Eventing sagt schon alles.“ Ob sich das Pferd dabei wohl fühlt?

Und dann soll mir einer noch sagen „Das Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde“. Es kann natürlich so sein, wenn man im Wald glücklich einen tollen Ausritt macht; doch nicht unter diesen Bedingungen. An uns ist die Verantwortung, dazu beizutragen, dass sich dies ändert. Bitte reden Sie mit Freunden und Familie darüber, danke – IAMA

Titelbild: Ver-Dinale by Dustin Hackert CC BY-NC 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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