Beitrag von Bernhard Clasen

Der für den diesjährigen Aachner Friedenspreis nominierte ukrainische Kriegsdienstverweigerer Ruslan Kotsaba hat es abgelehnt, den Preis anzunehmen. Dies erklärte er am gestrigen Samstag telefonisch dem „Europa.Blog“. „Ich möchte nicht Ball in einem mir fremden Spiel sein.“ begründete Kotsaba am Telefon seine Entscheidung. Gleichzeitig bestätigte er die Berichte über seine Entscheidung, den Preis nicht anzunehmen. Kotsabas Entscheidung war ein heftiger Streit innerhalb des Aachener Friedenspreises vorausgegangen. Nachdem die Mitgliederversammlung des Preises Kotsaba mit einer Zwei-Drittel Mehrheit für den Preis nominiert hatte, hatte sich der Vorstand am 10. Mai von dieser Entscheidung distanziert. Der Grund war ein Video von 2011, in dem sich Kotsaba antisemitisch geäußert und den Juden eine Mitschuld am Nazismus gegeben hatte. Dieses Video war Anfang Mai mit deutschen Untertiteln im Internet verbreitet worden.

Ruslan Kotsaba bestätigte die Authentizität des Videos von 2011, entschuldigte sich für dieses und äußerte sein „tiefes Bedauern“.

Wegen eines YouTube-Videos, in dem er zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen hatte, war Kotsaba am 8. Februar 2015 festgenommen und im Mai 2016 zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in einer höheren Instanz sprach ihn jedoch im Juli 2016, nach 524 Tagen Haft, frei.

Es sei ein weiter Weg zum Pazifisten gewesen, so Kotsaba. Er habe als Nationalist angefangen, sei dann Aktivist geworden. Kotsaba beteiligte sich an zahlreichen Protestbewegungen, war bei den Aktionen auf dem Maidan 2004 (Orange Revolution) und 2014 in Kiew mit dabei. Mehrere Monate leitete er das Freiheitskampf-Stepan Bandera-Museum im westukrainischen Iwano-Frankiwsk. Stepan Bandera, der während des Zweiten Weltkrieges zeitweise mit der Wehrmacht kooperiert hatte, gilt in der Ukraine als Leitfigur der Rechtsradikalen.

Mit Kotsabas Verzichtserklärung ist der Streit im Aachener Friedenspreis noch nicht beigelegt. Man werde auf jeden Fall die für den 14. Juni angesetzte Mitgliederversammlung durchführen, erklärte der Aachener Friedenspreis auf seiner Internet-Seite.

„Der Vorstand wird seinen Antrag, den Friedenspreis am 1. September nicht an Ruslan Kotsaba zu verleihen, ebenfalls aufrecht erhalten, um eine Bestätigung der Vorgehensweise und des Vorstandsbeschlusses von den Vereinsmitgliedern erhalten zu können.“ heißt es am 24. Mai auf der Homepage des Aachener Friedenspreises.

Für Ruslan Kotsaba dürfte indes ein anderer Termin wichtiger sein. Er muss sich am 24. Juli erneut vor einem Gericht in der west-ukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk für seinen Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung verantworten. Die Anklage lautet unter anderem auf Staatsverrat. Und dies könnte eine Haftstrafe von über zehn Jahren zur Folge haben.

Titelbild: Peace | Francois Bazoge CC-BY-NC-ND 2.0

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