Laut NDR-Liveblog-Eintrag vom 6. Juli 2017 um 20:51 hat die Hamburger Polizei die Eskalation der Gewalt bei den Demos in der Nacht vom 6. Juli in Gang gesetzt. Wörtlich heißt es in dem Liveblog-Eintrag:

Mehrere NDR Reporter vor Ort berichten übereinstimmend, dass von den Demonstranten zunächst keine Gewalt ausgegangen sei. Allerdings haben tatsächlich viele Mitglieder des “schwarzen Blocks” ihre Vermummung nicht abgelegt. Zuvor soll es Absprachen zwischen Polizei und Demo-Veranstaltern gegeben haben, wie viel Vermummung für die Polizei hinnehmbar ist. Offenbar konnte man sich bei diesen Gesprächen nicht einigen. Dann gab es offenbar einen einzelnen Flaschenwurf eines anscheinend angetrunkenen Mannes, den Demonstrationsteilnehmer selbst von der Menge isolierten. Offenbar gab es auch im “schwarzen Block” Ansagen, keine Gegenstände auf die Polizei zu werfen und eine Eskalation zu vermeiden. Die von der Polizei geforderte Trennung der Demonstranten vom “schwarzen Block” gestaltete sich schwierig. Die Demonstranten fühlten sich faktisch von mehreren Seiten eingekesselt.

Wenn diese Lageeinschätzung korrekt ist – und dafür spricht immerhin, dass mehrere NDR-Reporter diese Darstellung laut Blogeintrag bestätigen –, dann tragen die zuständigen Hamburger Politiker und Polizeiführer die Hauptverantwortung für diese Eskalation. Man muss die Verantwortlichen dann sogar als eskalationswillig bezeichnen. Denn Politiker und Polizei haben seit Jahrzehnten Erfahrungen darin, wie man solche Situationen erfolgreich deeskalieren kann. Wenn Politiker und Polizeiführer diese Erfahrungen hier in Hamburg in den Wind schlagen, dann muss man davon ausgehen, dass sie genau diese Gewalteskalation herbeiführen wollten, also vorsätzlich gehandelt haben. Dann stellt sich die Frage, was damit erreicht werden soll.

Damit spreche ich nicht den autonomen Block von seinem Teil der Verantwortung frei. Es ist unbestritten, dass es aufseiten des autonomen Blogs ebenfalls Gewaltbereitschaft gibt. Laut NDR-Blogeintrag hat es aber doch offenbar innerhalb des autonomen Blocks eine Verständigung darüber gegeben, die Polizei nicht „zu bewerfen“.

Der Anstoß zur Eskalation ging augenscheinlich auch nicht vom autonomen Block aus, sondern von einem einzelnen Angetrunkenen, der laut Blogeintrag eine Flasche geworfen hat. Die Demonstrationsteilnehmer haben versucht, diesen Mann zu isolieren, um eine Eskalation zu verhindern. Hätte die Polizeiführung auf Deeskalation gesetzt, dann hätte sie an dieser Stelle anders reagiert. Somit liegt die Verantwortung für diese Eskalation bei der Polizeiführung und den politisch zuständigen, die eine solche Polizeiführung einsetzen und tolerieren.

Strukturell ist der Staat mit seinem Machtmonopol in einer stärkeren Position als die Autonomen. Und das genau ist der Grund, weshalb aus politischer Sicht hier an erster Stelle das fragwürdige Interesse von Politikern und Polizeiführung – also den politisch und operativ Verantwortlichen des staatlichen Machtmonopols – zum Thema gemacht werden muss.

Das staatliche Machtmonopol in Form von Polizei, Justiz und Militär gibt einer jeden Regierung ein enormes Machtinstrument in die Hand. Dem staatlichen Machtmonopol, dass sich in Europa nach dem 30-jährigen Krieg durchgesetzt hat und dessen Fundament der Westfälische Friede von 1648 darstellt, liegt die Idee zugrunde, dass Bürger und Bürgerinnen auf das Recht, Waffen zu tragen und anzuwenden verzichten und ebenso auf Selbstjustiz. Das Recht auf Anwendung von (Waffen)Gewalt und die Justiz sind allein der Staatsmacht übertragen. Die hat im Gegenzug dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger sicher leben können und vor Gewalt anderer geschützt werden. Wie die lange Geschichte autoritärer und diktatorischer Staaten bis in die Gegenwart zeigt, ist das Konzept des staatlichen Machmonopols eine riskante Angelegenheit. Deshalb muss das staatliche Machtmonopol durch einen rechtsstaatlichen Rahmen und durch eine permanente öffentliche und demokratische Kontrolle begrenzt und ein Missbrauch verhindert werden. Diese Begrenzung und Kontrolle des staatlichen Machtmonopols darf sich eine demokratische Gesellschaft nicht aus der Hand nehmen lassen.

Man kann unterschiedliche Einschätzungen zu einer Veranstaltung wie dem G20 Treffen haben. Unabhängig von der jeweiligen persönlichen Einschätzung hat aber jeder Bürger und jede Bürgerin in einer demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft das Recht, diese Einschätzung öffentlich zu machen und sie auch in Form einer Demonstration zum Ausdruck zu bringen. Das ist ein Grundrecht und von diesem Grundrecht lebt eine Demokratie. Wer so augenscheinlich eine Gewalteskalation nicht nur verhindert, sondern provoziert, wie die verantwortlichen Politiker und die Polizei in Hamburg, der will dieses Grundrecht diskreditieren.

Und das widerspricht den gern und viel zitierten europäischen Werten. Der Glaubwürdigkeit dieser europäischen Werte schadet das extrem. Grund- und Menschenrechte und Meinungsfreiheit werden auch international immer weniger ernst genommen, wenn die hiesige Politik und Polizei sie auch nicht mehr ernst nimmt.

Deshalb ist im vorliegenden Fall ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ein angemessenes Mittel, um zu klären, ob dass staatliche Machtmonopol hier noch in einer demokratieviertäglichen Form eingesetzt wurde.

Dass es gute Gründe gibt, sich kritisch zum G20 Gipfel zu positionieren, hat Joachim Lux, der Intendant des Hamburger, ja kurz und prägnant zum Ausdruck gebracht. Er lehnt das G20-Konzert für die Staats- und Regierungschefs in der Elbphilharmonie ab und kommentiert es wie folgt:

(NDR-Liveblog-Eintrag vom 7. Juli 2917 | 05:06 Uhr): “Das ist ein obszöner, ja pornografischer Missbrauch von Kunst. Da sitzen zahlreiche Staatschefs, die politisch offensiv das Gegenteil der auf der Bühne erklingenden ‘Europa-Hymne’ vertreten”, sagte Lux dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Diese Regierungsspitzen träten Menschenrechte mit Füßen, führten Kriege und legitimierten Giftgaseinsätze. Das Konzert gehört zum Begleitprogramm des G20-Gipfels.

Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.


Titelfoto: G20 Proteste in Hamburg, Rasande Tyskar CC BY-NC-SA 2.0

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