Das Europäische Parlament ist nicht nur ein Ort, an dem in Kooperation mit dem EU-Rat Gesetze ausgehandelt und verabschiedet werden. Es ist ebenso ein Ort, an dem unterschiedliche Interessengruppen ihre Sicht auf bestimmte Themen vorstellen und zur Diskussion stellen können. Diese Möglichkeit wird intensiv genutzt.

In diesem Rahmen hat Kai-Uwe Denker von Erongo Safaris am 19. Februar 2020 das „Erongo Verzeichnis afrikanischer Wildtiere“ vorgestellt.

Denker verritt dabei die Position der Jäger. Das von ihm vorgestellte Erongo Verzeichnis ist als Antwort auf eine konsequente Ablehnung der Jagd auf Tiere gedacht.

Mit den Kritikern der Jagd stimmt Denker darin explizit überein, dass die Natur heute in einem desolaten Zustand ist und das dieser Zustand menschengemacht ist.

Es nutze aber nichts, nur an Symptomen herumzudoktern, so Denker weiter unter Verweis darauf, dass es sinnlos sei, kalte Finger, die das Ergebnis einer Herz-Kreislauf-Erkrankung seinen, mit Salbe einzureiben.

So sei es auch mit der Jagd. Sie zu verbieten entspräche lediglich einer Behandlung von Symptomen. Denn nicht eine an Kriterien der Nachhaltigkeit orientierte Jagd bedrohe den Bestand von Arten, sondern die Zerstörung der Lebensräume der bedrohten Tiere durch den Menschen. So sei der Lebensraum vieler afrikanischer Tiere, wie z.B. Löwen, laut einer neueren Studie auf 8 bis 13 % durch menschliche Siedlungen und Rinderzucht reduziert worden. Dieser Verlust von Lebensräumen wild lebender Tiere sei das eigentliche Umweltproblem.
Diese nachvollziehbare empirische Argumentation ergänzt Denker dann um eine philosophische. Seine streitbare These ist, dass moderne Gesellschaften – damit sind vor allem die aus seiner Sicht eher urbanen Kritiker der Jagd gemeint – den Kontakt zur Natur verloren hätten.

Die dem Erongo Verzeichnis zugrunde liegende Philosophie sieht nach Denker den Menschen als Teil der Natur. Wörtlich heißt es in dem englischsprachigen Manuskript: „The Erongo Verzeichnis philosophy is based on the understanding that humans are part of nature and that there is no moral or factual argument against hunting – provided that it is sustainable and exercised ethically and in circumspection. Please allow me to elaborate a bit on the principles and laws of nature and human’s role in nature.“ („Die Philosophie des Erongo-Verzeichnisses basiert auf dem Verständnis, dass der Mensch ein Teil der Natur ist und dass es keine moralischen oder faktischen Argument gegen die Jagd gibt – vorausgesetzt, sie wird nachhaltig, ethisch und umsichtig ausgeübt.“)

Der Mensch reiht sich danach in die natürlichen Nahrungsketten ein, die dem Prinzip „fressen und gefressen werden“ folgen. Darin sieht Denker ein fundamentales Naturrecht.

Ganz im Sinne dieser stark an Charles Darwins Evolutionstheorie angelehnte Philosophie verweist Denker weiterhin darauf, dass das menschliche Hirn im Laufe der Evolution sich nur zu seiner heutigen Funktionsfähigkeit entwickelt habe, weil die Menschen neben pflanzlicher Nahrung auch Fleisch gegessen haben.

Ist es denkbar, dass der Mensch sich von dieser Einbindung in die Natur lösen kann? Ist die Natur schlecht? Ist der Mensch schlecht, wenn er ein naturbezogenes Leben führt? Ist ein Mensch gut, wenn er sich von der Natur abwendet? Fragt Denker.
Der Trophäenjagd fallen laut Denker im Durchschnitt zwischen 0,6 und 2 % eine Population zum Opfer. Er sieht darin keinen negativen Effekt auf die Ökosysteme. Die Jäger, so Denker, tragen nicht zur Massentötung von Tieren bei. Denn die Trophäenjagd dient nicht der massenhaften Fleischversorgung.

Denker gesteht aber offen zu, dass Menschen korrumpierbar sind und das finanzielle Vorteile zu Fehlentwicklungen führen können. Deshalb, so Denker weiter, halten wir vom Erongo Verzeichnis eine Zertifizierung von Jagdgebieten nach ökologischen Kriterien für dringend geboten.

Das Erongo Verzeichnis benennt dafür Prinzipien:

  • Wildtiere sollten nur in ihrem ursprünglichen natürlichen Verbreitungsgebiet gejagt werden.
  • Wildtiere sollten unter der Bedingung einer freien Wildbahn gejagt werden; es sollte ein Ökosystem- oder Landschaftsansatz vorhanden sein.
  • Große Raubtiere sollten vorhanden sein, um ihre natürliche Rolle innerhalb eines intakten Artenspektrums auszuüben; sie sind natürliche Regulatoren in jedem Ökosystem.
  • Die Bestimmung der Trophäen sollte altersbezogen sein, um die genetische Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Zum letzten Kriterium erläuterte Denker, dass alte Tiere ihre Arterhaltungsfunktion in Form der Zeugung von Nachkommenschaft erfüllt haben und die Trophäen alter Tiere zudem ausgereifter und somit interessanter seien.

Bemerkenswert an diesem Konzept ist, dass es ökologische Argumente aufnimmt und sich mit ihnen auseinandersetzt. Das Argument, dass eine den Prinzipien des Erongo Verzeichnisses entsprechende Jagd keine Gefährdung für den Bestand von Tierarten darstellt, erscheint schlüssig.

Dennoch wird dieses Konzept den Konflikt zwischen JägerInnen und TierschützerInnen bzw. TierrechtsvertreterInnen nicht befrieden.
Das Argument, dass eine nachhaltige Jagd Tierbestände nicht gefährdet, könnten TierschützerInnen vermutlich noch zustimmen. TierschützerInnen und vor allem TierrechtsvertreterInnen geht es aber um etwas anderes: Um die Frage, ob Menschen das Recht haben, Tiere zu töten.

Denker wird diesen Einwand vermutlich als Ideologie zurückweisen. Aber so einfach lässt sich diese Frage nicht lösen.
Denker verweist darauf, dass in der Natur das Prinzip „fressen und gefressen werden“ gilt. Kann man daraus aber einfach den Schluss ziehen, dass Menschen Tiere töten dürfen? Raubtiere können sich wohl nicht an eine rein pflanzliche Ernährungsweise anpassen. Menschen können das aber.

In alten Religionen ist das Schlachten oft mit einem Opfer verbunden. Das Schächten von Tieren im Alten Testament wird damit begründet, dass das Blut der Sitz des Lebens sei und Menschen nicht das Recht haben, über Leben anderer zur Verfügen. So heißt es beispielsweise im 5. Buch Moses, Kapitel 12, Vers 23: „Allein achte darauf, dass du das Blut nicht isst; denn das Blut ist das Leben; darum sollst du nicht zugleich mit dem Fleisch das Leben essen, …“ In dieser Regel kommt zum Ausdruck, dass Mensch und Tier sich nahe sind, verwandt sind. So nahe, so verwandt, dass das Töten von Tieren offenbar Skrupel ausgelöst hat, die religiös auffangen werden mussten, wie im Schächtgebot.

Entwicklungsgeschichtlich hat Denker wohl recht, dass Menschen erst durch den Fleischverzehr ein hoch leistungsfähiges Hirn entwickeln konnten. Doch mit der heutigen Technik der Lebensmittelproduktion sind Menschen nicht mehr zwingend auf tierisches Eiweiß angewiesen, um ihre Hirnfunktion aufrechtzuerhalten.

Albert Schweitzer, auf den sich viele TierschützerInnen beziehen, forderte Ehrfurcht vor dem Leben: „Leben ist Leben inmitten von Leben, das leben will.“ So ein zentraler Satz von Schweitzer.

Dieser Satz ist ethisch-moralisch begründet bei Schweitzer. Aber auch moderne Forschung zeigt, dass die Grenze zwischen Tier und Mensch keineswegs eindeutig ist. Heutige Forschung zeigt nicht nur eindeutig , dass Tiere Gefühle haben, sondern das Tiere auch sozial interagieren, ein soziales Leben haben und teils Werkzeuge nutzen.

Wenn Tiere sich aber nicht kategorial von Menschen unterscheiden, dann ist es nur konsequent zu fragen, ob das Tötungsverbot gegenüber Menschen nicht letztlich auf Tiere zu beziehen ist.

Kai-Uwe Denker hat mit den Prinzipien dem Erongo Verzeichnis eine argumentative, ökologisch und philosophisch reflektierte Ortsbestimmung der Jagdanhänger vorgelegt. Die Debatte zwischen Jägern und TierrechtsvertrerInnen wird damit aber nicht beendet sein, denn aus Sicht der TierrechtsvertreterInnen ist die Verhältnisbestimmung zischen Mensch und Tier keineswegs ausreichend bestimmt. Von Seiten der Jäger sollte in der weiteren Debatte auf eine Charakterisierung der Position der TierrechtsvertreterInnen als ideologische Position verzichtet werden. Dafür sprechen moderne Forschungsergebnisse, die immer deutlicher machen, wie schwierig eine wertende Abgrenzung zischen Mensch und Tier ist. Aufgrund dessen Tieren ein unantastbares Recht auf Leben zuzusprechen muss keineswegs bedeuten, dass Mensch sich von der Natur abkoppelt. Die Natur hat dem Menschen eben auch die Fähigkeit zur Reflexion gegeben, die ihm die Möglichkeit gibt, sein Verhalten zu ändern.

Titelbild / Fotos: © Alexander Louvet

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