Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Ich bin so dankbar! Jemand von Ihnen hat mir einen wirklich tollen Kommentar zu meinem allerletzten Artikel hinterlassen. Es ist so richtig aus dem Herzen geschrieben. Gleich zu Beginn möchte ich eins gern richtigstellen: für mich sind Anmerkungen auf jeden Fall willkommen, ob das nun lobende oder kritische Worte sind. Natürlich ist mir ein positives Feedback lieber. Aber auch eine negative Rückmeldung bedeutet, dass jemand überhaupt meinen Beitrag gelesen hat. Andrerseits heißt das für mich auch, dass ich irgendwie imstande war, ein gewisses Interesse, eine Wahrnehmung rund um ein bestimmtes Thema anzustoßen. Was könnte schöner sein! Erlauben Sie mir daher bitte, auf einige Punkte dieses Kommentars einzugehen (Sie finden ihn übrigens unter meinem Beitrag angeführt).

Die Problematik der „Gemeinwohl Ökonomie“. In einer idealen Welt würde ein solches Konzept effektiv Früchte tragen. Die Menschen sind sich bewusst, dass ihre Handlungen, der Umwelt und damit anderen und schließlich sich selbst entweder Gutes oder Schlimmes zufügen können. Leider denken aber nicht alle so, eher die Minderheit. Heutzutage ist alles so kurzlebig, und nicht selten stößt man auf Personen, die nach dem Motto leben „hinter mir die Sintflut …“ oder „ICH FIRST“. Ein gesunder Egoismus ist andrerseits oft eine Hilfe, um sich nicht überrumpeln zu lassen. Gutmütigkeit wird oft mit Dummheit verwechselt und noch öfter mit der Bereitschaft, sich ausnutzen zu lassen. Doch zum Glück gibt es auch Menschen, die sich im Alltagsleben durch kleine Gesten für die Umwelt und die Natur einsetzen. Wie? Zigarettenstummel nicht auf die Straße werfen, alte kaputte Elektrogeräte nicht unter den Baum an der Straßenecke deponieren, gebrauchte Masken nicht in den erstbesten Busch schmeißen, Müll trennen, auch wenn man unterwegs ist, eine kranke Taube ins nächste Vogelauffangzentrum bringen. Es muss ja nicht so weit kommen wie bei mir, als ich vor Jahren mit meinen beiden Hunden beim Gassigehen in einer Ecke mitten in der Stadt einen etwas großen Vogel gesehen habe. Als ich genauer hingeschaut habe, wurde mir bewusst, was da eigentlich vor mir in auf dem Boden kauerte. Ich weiß nicht, wer von uns beiden oder uns Vieren, mehr erschrocken war: ich, meine Hunde oder der Mäusebussard. Aber ich konnte das Zentrum für Greifvögel anrufen und alles war in Ordnung. Das klingt alles recht idyllisch werden Sie denken, ist es auch. Die Realität schaut da etwas anders aus. Wie oft sieht man Müllsäcke, kaputte Geräte und Gegenstände unter den Bäumen, an den Straßenrändern, etc. Ich habe eigens eine kleine Fotoreportage angefertigt …

Foto: © Vesna Caminades

Da denke ich mir, was könnte denn Abhilfe schaffen? Ich glaube, es gäbe zwei Lösungen: direkte saftige Geldstrafen (ohne Vorwarnung durch nette Aufkleber, auf mögliche Geldstrafen hinweisen) oder wenn man den Müll dieser Personen nicht nur unentgeltlich entsorgen, sondern ihnen auch noch Geld dafür geben würde. Ich bin mir bewusst, dass Option B eher ins Lächerliche führt, aber leider bin ich der Überzeugung, dass die Wenigsten soviel ans Gemeinwohl denken, dass sie freiwillig zivil handeln. Was nützt es denn, wenn man jedes Jahr den 19. September zum Tag der Sauberkeit erklärt? Verwandeln wir uns einen Tag lang in Greta Thunberg? Dasselbe gilt für den autofreien Sonntag: verändern wir nach einem solchen Tag wirklich unsere Gewohnheiten nachhaltig? Ähnlich läuft es eigentlich auch mit der Lebensweise „ohne Produkte tierischen Ursprungs“. Ich möchte auch hier vorwegnehmen, dass ich der Überzeugung bin, dass VeganerInnen nicht bessere Menschen sind. Es handelt sich um eine Entwicklung im eigenen Leben. Bei manchen dauert es länger, bei anderen weniger. Manche gelangen niemals zur Einsicht, dass man Tieren Leiden ersparen kann. Gar nicht davon zu sprechen, dass viele sich gar nicht bewusst sind, welchem Gräuel Tiere ausgesetzt sind, weil sie weiterhin Fleisch/Fisch/Milch/Eier etc. konsumieren oder Leder und Wolle tragen wollen. Bei mir hat es ein halbes Jahrhundert gedauert, bis ich den Schritt zum Veganismus gewagt habe. Ja, ich sage „gewagt“, weil ich es als schwierig empfunden habe. Doch in dem Moment, wo ich mich erneut nach Fisch, Käse oder Milch gesehnt habe, da habe ich mich zuerst informiert, was hinter diesen Produkten steckt. Wie sie entstehen. Was Tiere durchmachen bis ich sie als Schnitzel oder Aufschnitt im Supermarkt erworben habe, bevor die (Bio-)Milch im Tetrapak in meinen Einkaufswagen landete. Seitdem schaffe ich es nicht mehr, solche Produkte zu kaufen. Daher will ich nicht behaupten, Veganer seien bessere Menschen als Vegetarier. Sie haben sich für einen anderen Lebensstil entschieden, der es ermöglicht, dass noch mehr Tieren Leiden erspart werden kann. Jeder Mensch, der Tiere liebt, der eine Schnecke aufhebt und sie ins Grüne setzt, damit sie nicht zertreten wird, der Petitionen fürs Tierwohl unterschreibt, der über Tiermisshandlung spricht, der versucht, auf Fleisch, Fisch usw. zu verzichten, jeder dieser Menschen ist dabei, ein Tierleben zu retten. Es hat keinen Sinn, jemanden zu verurteilen, nur weil sie/er nicht vegan lebt. Damit überzeugt man kaum jemanden, über die eigene Lebensweise nachzudenken und sie vielleicht zu überdenken.

Was ich hingegen absolut nicht akzeptieren kann sind Leute, die allgemein Veganer und Vegetarier als Hypokriten beschimpfen, die Tieren absichtlich Leiden zufügen, womöglich dabei noch Genugtuung empfinden und die aus Gleichgültigkeit nichts machen, wenn sie hingegen einem Tier helfen könnten.

Es braucht dringend einen gesellschaftlichen Wandel. Aus diesem Grunde bin ich der Überzeugung, dass insbesondere Kinder und Jugendliche für Tierwohl und Respekt der Tierrechte sensibilisiert werden müssen. Schulen könnten und sollten dabei viel mehr anbieten. Leider sind aber die Lehrpläne oft schon viel zu „voll“. Daher müsste diese Sensibilität von denjenigen ausgehen, die darüber zu entscheiden haben.

Foto: © Vesna Caminades

Bei den Erwachsenen ist das ein Kapitel für sich. Da fühlt es sich gleich an, als würde man auf etwas Wertvolles verzichten müssen, als ob einem, etwas weggenommen würde. Klar, es handelt sich um ein Opfer. Wenn man hingegen mit dieser Mentalität und Mitgefühl aufwächst, dann ist es einfach logisch, Tiere als Lebewesen zu respektieren und nicht als Gegenstände zu misshandeln. Daher würde es meines Erachtens Kindern leichter fallen. Es ist klar, dass die Lebensumstellung – dieser „change of mindset“ – nicht von heute auf morgen erfolgen kann. Allerdings gibt es einen Weg, der eine Änderung enorm erleichtern kann. Nämlich, Schritt für Schritt. Selbst Sir Paul Mc Cartney hat mit seiner Initiative „One day a week“ dafür plädiert, einen Tag pro Woche vegetarisch oder vegan zu leben. Das haut sicherlich den eingefleischtesten Fleischfresser nicht vom Hocker. Warum nicht einen Versuch starten? Panik? Wegen eines Tages pro Woche? Oder befürchten Sie, dass es zu einer angenehmen Gewohnheit werden könnte…?

Das bringt mich zum Thema dieses Monats zurück, November ist nämlich der Welt-Vegan-Monat. Oje, das klingt schon nach Werbung dafür, dass jetzt jeder von Ihnen nur noch Karotten und Selleriestengel verzehren soll. Keine Angst!

Was hat das eigentlich auf sich mit diesem x-ten Welttag? Laut unserem Freund Wikipedia:

Der Weltvegantag (englisch World Vegan Day) ist ein internationaler Aktionstag, der erstmals am 01. November 1994 anlässlich des fünfzigsten Jahrestags der Gründung der Vegan Society stattfand und seitdem jährlich am 1. November gefeiert wird.

Mir scheint es wichtig darauf hinzuweisen, dass dies ein „Tag des Bewusstsein Schaffens“ sein soll und nicht ein „Tag der Überzeugung auf Biegen und Brechen“ und der Beschuldigung jener, die noch immer Produkte tierischen Ursprungs konsumieren.

Es wurde außerdem eine weitere interessante Initiative ins Leben gerufen: der „Veganuary“. Das kommt aus dem Wortspiel „Vegan“ und „January“. Keine schlechte Erfindung, denn wer will nach den Feiertagen nicht schnell wieder ein paar Kilo verlieren? Da bietet sich der Januar sicher bestens an, um gleichzeitig ein paar vegane Rezepte auszuprobieren und in diese seltsame Welt des Verzichts und Opfers hineinzuschnuppern. Und wer weiß, vielleicht könnte man sogar von dem einen oder anderen Gericht angetan sein.

Foto: © Vesna Caminades

Nicht immer hat man aber die Zeit, ausgeglichene Mahlzeiten ohne tierisches Protein auf den Tisch zu zaubern. Da wäre man dankbar, Fertiggerichte zu einem fairen Preis zu finden, die halt auch schmecken sollten und nicht mit seltsamen Aromen vollgepumpt sind. Es ist schon ärgerlich, dass man dabei durchgehend auf teure Alternativen stößt. Und wenn man sich dazu entschieden hat, das eine oder andere auszuprobieren, dann ist es umso schlimmer, wenn die Dinger dann auch noch zweifelhaft schmecken. Ich frage mich wirklich, hat man als Vegetarier oder Veganer nicht das recht, einfache „tierproduktlose“ Alternativen zu einem dezenten Preis erwerben zu dürfen? Nein, anscheinend nicht wirklich, denn bislang regelt noch meistens die Nachfrage das Angebot und damit den Preis.

Ich habe kürzlich die Kundendienste sowohl von Carrefour wie auch von Delhaize angeschrieben. Dabei habe ich angespornt, für jedes „normale“ Produkt (also nicht nur Lebensmittel, sondern auch Reinigungsmittel etc.) jeweils eine vegane beziehungsweise eine „cruelty free“ Version anzubieten. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass „vegan“ nicht automatisch „cruelty free“ bedeutet. Carrefour hat mir innerhalb eines Tages geantwortet und meine Aufforderung an die zuständige Abteilung weitergeleitet (was dabei rauskommt, bleibt in den Sternen geschrieben – aber ich werde nachhaken). Delhaize hingegen, hat mir nach mehr als zwei Wochen noch keine Antwort gegeben. Beispiele? Croissants, Reinigungsmittel, Fertigpräparate für Kuchen, Kekse, Aufschnitt, Suppen im Tetrapak, Maki (in eigener Verpackung, also ohne Sushi), Eis, etc. Bin ich von Orthorexie befallen? Nein, ganz und gar nicht. Ich habe es nur satt, ständig mit dem Vergrößerungsglas die Etiketten durchstudieren zu müssen, Lust zu haben auf bestimmte Gerichte und keine Alternative zu finden, übertrieben teure vegane Produkte zu erwerben, die dann horrend schmecken.

Schließlich dreht sich Vieles oder sogar alles um Respekt. Wenn wir uns und den Nächsten respektieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir auch unsere Umwelt, die Tiere und die Natur allgemein respektieren. Ich werde ein Foto hier veröffentlichen, welches ich im Supermarkt in meiner Nähe geschossen habe. Die Qualität ist schlecht, aber man erkennt sehr gut, was sich abspielt. Ein Aquarium und drin sind zwei Hummern. „Zwei Hummer pro 48 Stunden“ steht auf dem Behälter. Auf engstem Raum, mit zusammengeklebten Zangen, warten bis jemand uns langsam ins kochende Wasser legt, bei lebendigem Leibe. Wieviel Respekt und Grips ist notwendig, um sich ein wenig vorzustellen, was diese Tiere mitmachen? Unangenehme Worte? Diese beiden Hummer erwartet ein noch viel unangenehmeres Schicksal. Eigentlich reicht Respekt, wir brauchen auch eine gute Dosis Empathie. Genau deshalb müssen wir über diese Dinge reden. Wir dürfen nicht einfach wegschauen und vorbeigehen. Diese Hummer sind nicht zwei Luxusgerichte – das sind zwei Lebewesen, die Schmerzen empfinden und leiden! – IAMA

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Titelbild / Fotos: © Vesna Caminades

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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