Von Frederik D. Tunnat
Als ich endlich meine Prüfungen abgeschlossen hatte und etwas später mein frisch ausgestelltes Diplom in London in Händen hielt, lag eine Zeit großer persönlicher Anstrengungen wie finanzieller Entbehrungen hinter mir. Anstatt bei meinen Eltern anzuklopfen, oder Verwandte um ein Darlehen anzugehen, hatte ich mein Studium selbst finanziert. Das bedeutete, trotz Studium einem Halbtagsjobs nachzugehen, um mir das damals schon teure London leisten zu können. Nur wer selbst eine berufsbegleitende Weiterbildung, ein Abendstudium oder, wie ich, sein Studium selbst finanzierte, kann ermessen, wovon ich schreibe. Es bedeutete, permanent am Rand der Kontoüberziehung zu leben, sich dennoch von früh bis spät abzustrampeln, ohne je auf einen grünen Zweig zu kommen.
Laut Umfragen psychologischer Institute in den USA, wie vergleichbarer Umfragen in Deutschland, sind finanzielle Probleme die häufigste Ursache für Ängste: 58 Prozent der Befragten gaben an, öfter oder permanent Geldsorgen zu haben. Abseits all der aktuellen Auseinandersetzungen in Bezug auf das Gendern, die inzwischen vielgestaltige Sexualität, die Mieten- und Immobilienproblematik, haben wir uns mit anhaltender Klassenblindheit, sowie der Stigmatisierung großer Teile der Bevölkerung auseinandersetzen.
Wenn es Menschen schwerfällt, die Diskussion über Studium und Universitäten, der Zunahme der Wählerschaft nicht demokratischer Parteien, die alltäglichen Probleme der Arbeiterklasse zu verstehen, oder wenn sich immer mehr Menschen von den Mainstream-Medien ab-, und den manipulierten/manipulierenden Online-Medien zuwenden, dann liegt der Grund vielfach in deren finanziellen Problemen. Sowohl in den USA, als auch bei uns in Deutschland bzw. Europa, erfahren und erleben große Teile der arbeitenden Bevölkerung eine spezielle Form von Klassenapartheid. Unser Bildungs-, Einstellungs-, Wahl- und Wohnsystem wird von Angehörigen der „Wohlstandklasse“ dominiert. Obwohl diese Entscheider in Politik und Wirtschaft bereits vielfach in wohlhabende Familien mit finanzieller Stabilität hinein geboren wurden, ihr Studium, selbst das an Privatuniversitäten, finanziert bekamen, folglich ins Berufsleben ohne Schulden oder Studienkredite einsteigen konnten, ihnen der Aufstieg in einflussreiche Positionen geebnet wurde, verfügen sie über keinerlei Erfahrung mit Benachteiligung, finanziellen Sorgen oder den zahlreichen Problemen, denen Mitglieder anderer soziökonomischer Schichten ihr ganzes Leben lang ausgesetzt sind. Ihre Abkopplung von der Lebensrealität des größten Teils der Bevölkerung geht so weit, dass sie keine realistischen Vorstellungen von den Unterschieden fremder Lebensrealität zur eigenen haben.
Nehmen wir zum Beispiel unsere Abgeordneten, die verzweifelt versuchen, ihre realitätsfremden Gesetzesvorhaben zu Steuern und Abgaben der Arbeiterklasse zu vermitteln. Sie sind dazu nicht mehr in der Lage, weil in den USA mehr als die Hälfte aller Kongressabgeordneten Millionäre sind. In Deutschland stellen dagegen Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst über die Hälfte der Abgeordneten. Hinzu kommt, dass nicht nur über Dreiviertel aller Abgeordneten und Politiker inzwischen studiert haben, häufig Politikwissenschaften oder Sozialwissenschaften, Studiengänge deren Theorie mittlerweile weit ab der Lebensrealität der Bevölkerungsmehrheit angesiedelt ist. Früher konnten noch Arbeitersöhne und Gewerkschafter mit einfacher Schulbildung Abgeordnete werden, gar Minister oder Präsident. Diese Zeiten sind längst vorbei. Die politisch Herrschenden, sowie die Entscheider der Wirtschaft, kommen aktuell zu über 90% aus der kleinen, aber feinen, extrem wohlhabenden Schicht der sehr Reichen.
Ein Hochschulabschluss ist nicht länger nur eine Frage des Bildungsstatus; er ist weit stärker ein Indikator des sozialen Status. 70 Prozent der Menschen, deren Eltern einen Studien-Abschluss haben, besitzen selbst einen. Sie verdienen mehr und verfügen über deutlich mehr Vermögen als ihre Kommilitonen aus der werktätigen Bevölkerung oder der ersten Generation von Einwanderern. An den Elitehochschulen Europas wie der USA stammt etwa jeder siebte Student aus einer Familie, die zum obersten Prozent der Vermögenspyramide gehört. Absolventen von Elitehochschulen stellen dennoch die Mehrheit derjenigen, die in Studien als „außergewöhnliche Leistungsträger“ bezeichnet werden: gewählte Amtsträger, CEOs der 500 größten Unternehmen, sowohl in den USA wie der BRD, die „mächtigsten Meinungsträger“, und sogar einen Großteil der Bestseller-Autoren.
Es handelt sich um ein vielschichtiges, zunehmendes Problem: Menschen mit vererbtem Vermögen und Status beeinflussen unsere Gesellschaft maßgeblich, die sie größtenteils überhaupt nicht verstehen. Das war überdeutlich während der Regierungszeit der Ampel zu spüren: weder SPD, noch FDP, noch die Grünen verfügen noch über ein Gespür für die breite Bevölkerung. Nun, mit der angepeilten CDU/SPD Regierung wird es nicht besser, sondern eher schlimmer: während die SPD das links-woke Spektrum mit scheinbarer Sozialpolitik beglückt, die sich tatsächlich gegen große Teile der einfachen, arbeitenden Bevölkerung richtet, zieht es die CDU unter ihrem Blackrock-Krieger Merz zurück an die Fleischtöpfe der Reichen, denen Steuererleichterungen versprochen und Steuererhöhungen erspart werden, während sozial Benachteiligte geschröpft, drangsaliert und in Scharen den Neonazis in die Arme getrieben werden.
Ob Unternehmenspolitik, Sozialhilfe oder Studienfinanzierung – fast jeder Aspekt der Gesellschaft wird inzwischen von Menschen gestaltet, die nicht nur nicht mit dem Leben in Armut vertraut sind, schon gar nicht mit dem Leben von der Hand in den Mund – eine Situation, die, wie Daten der Banken und Statistikämter zeigen, einem Viertel der Amerikaner wie der Bundesbürger wohl vertraut ist. Die enorme Diskrepanz zwischen der Denkweise der Mächtigen und der realen Lebensweise des Rests der Bevölkerung sorgt zunehmend für großes Chaos. Sie zeigt sich in der Ablehnung z.B. des „Wokeismus“ – wobei es nach außen hin um die Bekämpfung von Rassismus geht, aber vorwiegend um die Durchsetzung gesellschaftlicher Moralvorstellungen der Elite.
Die zugrunde liegenden Phänomene sind möglicherweise nicht rational. Angst ist nie rational. Studien haben ergeben, dass Arbeit in finanziell schwierigen Zeiten das Gehirn genauso stark beeinträchtigen kann, wie eine schlaflose Nacht, oder der Verlust von 13 IQ-Punkten. Finanzielle Ängste stehen im Zusammenhang mit einer höheren Rate an Depressionen und psychischem Stress, der sich in Gesundheitsproblemen, wie Herzkrankheiten und verringerter Immunität äußert. Das Bewusstsein finanziellen Mangels kann die Fähigkeit von Menschen beeinträchtigen, vernünftige, rationale Entscheidungen zu treffen, Informationen normal zu verarbeiten. Kurz gesagt: Die Besitzenden leben buchstäblich in einer anderen Geistesverfassung und Welt, als Besitzlose.
Die explosionsartige Zunahme von Milliardären in den USA wie Deutschland – von 272 Personen im Jahr 2001, auf 813 im Jahr 2024, in den USA – hat dazu geführt, dass sich die nicht so reichen Millionäre inzwischen „relativ arm“ fühlen. Auch von ihnen gibt es mittlerweile inflationär mehr. (In den USA 24,5 Mio., in Deutschland 2,7 Mio.) Die Zahl der Amerikaner mit einem Vermögen von 30 Millionen Dollar und mehr stieg allein im Jahr 2023 um 7,5 Prozent. Trotzdem hält sich ein Großteil von ihnen nicht für reich. Das führt zu folgender schizophrener Situation: 30 Prozent der amerikanischen Haushalte werden als einkommensschwach eingestuft, 19 Prozent als wohlhabend. Dennoch ergab eine Gallup-Umfrage, dass sich nur 12 Prozent der Amerikaner der „Unterschicht“ und nur 2 Prozent der „Oberschicht“ zugehörig fühlen. Mit anderen Worten: Niemand möchte als arm gelten, und niemand, der reich ist, fühlt sich jemals reich genug. Dieses Phänomen existiert ebenfalls in Deutschland, wie diverse Monatsberichte und Studien der Bundesbank zeigen.
Obwohl der Reichtum der Superreichen überproportional zugenommen hat, die Zahl der Millionäre in die Tausende geht, und Deutschlands Vermögende über den größten Teil (ca. 65%) des nationalen Wohlstands verfügen, halten sich viele deutsche Reiche für „arm“, zu viele deutsche Arme nicht für arm, sondern für Mittelschicht. Dabei ist der Begriff Mittelschicht inzwischen zu einem nichtssagenden Sammelbegriff für ein breites Spektrum völlig konträrer finanzieller Lebensrealitäten geworden. Kein Wunder, dass viele politische Maßnahmen und Durchhalteparolen, die auf diese angeblich noch immer größte und wichtigste Bevölkerungsgruppe abzielen, nicht länger greifen. Bleibt zu fragen: An wen, wenn nicht an die Mittelklasse, richten sich die Maßnahmen eigentlich dann? Und welche theoretischen Probleme sollen sie lösen, wenn sie die falsche Zielgruppe im Auge haben?
Etwa die Sozialarbeiterin aus der Familie, die bereits in dritter Generation über einen Hochschulabschluss verfügt, deren Eltern ihr bei der Finanzierung des Hauses geholfen haben? Oder die Frau mit nicht abbezahltem Studienkredit, die denselben Job ausübt, aber zur Miete wohnt? Technisch gesehen verdienen beide das gleiche Gehalt, verfügen über denselben Hochschulabschluss, und sehen sich beide als Mittelschichtangehörige; dennoch ist ihr reales Leben völlig unterschiedlich, da nur eine von beiden der wohlhabenden Schicht angehört, sowie später erbt. Die andere muss mit steigenden Mieten zurecht kommen, kann sich kein Haus leisten und hat ihren Kredit fürs Studium abzustottern. Mittelschicht? Vergleichbare Lebensverhältnisse? Kaum!
Angehörige der Mittelklasse sind nicht unbedingt wohlhabend. Vielleicht verdienen oder erben sie eines Tages, was sie anschließend in die Kategorie der Reichen einordnet. Doch Reichtum ist längst nicht mehr das maßgebliche Merkmal von Oberschicht: es ist ihre finanzielle Sicherheit.
Eine unerwartete Ausgabe – sagen wir ein neuer Kühlschrank – würde die meisten Menschen finanziell ins Schleudern bringen. Angehörige der Oberschicht schicken eine SMS an Mama und
Papa, und schon verschwindet dieser „Notfall“. Dies erklärt, warum die Oberschicht tendenziell anders wählt als Unter- und Mittelschicht. Jemand, der das sichere Gefühl hat, sich im Falle einer Krise grundsätzlich keine Sorgen um das benötigte Geld machen zu müssen, wird eher bereit sein, entsprechend seiner idealen Wertvorstellungen, z.B. für demokratische Normen oder reproduktive Rechte abzustimmen. Jemand, der sich täglich Sorgen darüber machen muss, wie sich die Inflation auf sein weiteres Leben auswirkt, wählt anders, setzt völlig andere Prioritäten.
Viele Gründe, die Trump Wähler zutrieben, waren Fremdenfeindlichkeit, Transphobie und Rassismus. Aber auch das Gefühl, die Demokratische Partei sei von Wohlhabenden gekapert worden, war ein ausschlaggebender Grund. Wir in Deutschland brauchen uns, in Bezug auf die der AfD zuströmenden Massen bloß an die eigene Nase zu fassen. Auch die AfD nimmt nicht wegen ihrer überlegen Politik so enorm zu; es sind die Denk- und Handlungsfehler der entrückten Herrschenden, weitgehend aus wohlhabenden Familien stammend, die die Lebensrealität der Masse der AfD Wähler nicht einmal im Ansatz nachvollziehen können.
Für viele Menschen in Deutschland wie den USA ist Klassendenken das letzte gesellschaftlich
akzeptierte Vorurteil. Es ist nicht schwer, den Unmut eines Arbeiters zu verstehen, der sieht, wie Politiker darauf achten, zwar die richtigen Pronomen zu verwenden und wünschen, dass wir moralisch möglichst integer leben, während sie gleichzeitig Menschen für ihre Lebensumstände oder ihr Wahlverhalten verspotten, obwohl die sich berechtigte Sorgen um ihren Lebensunterhalt machen (müssen).
Ich bewege mich in Kreisen, in denen die Postleitzahl und Alma Mater die Homogenität der Lebenserfahrung und -führung bezeugt, doch wenn ich beginne, mit diesen Menschen – seien sie nun politisch links oder rechts verortet – über politische Themen zu diskutieren, spüre ich, wie sich aktuell umgehend eine unsichtbare, zunehmend tiefe Kluft auftut. Kürzlich, anlässlich einer Lesung, wurde ich gebeten, meine Kindheitserinnerungen an eine ehemalige Buchhandlung zu teilen. Diese Bitte machte mir schlagartig bewusst, wie viel unreflektierte Vermutung hinter dieser Frage steckte. Die meisten Autoren stammen heute schließlich aus wohlhabenden Verhältnissen, sind in einem Haus voller Bücher, in Vierteln aufgewachsen, in denen es selbstverständlich Buchhandlungen gab. Menschen der Unterschicht, Arbeiterkinder, haben vermutlich keine Kindheitserinnerung an eine Buchhandlung. Sie nutzten, falls überhaupt, eine öffentliche Bücherei. Dass ich als Kind, außer der örtlichen Buchhandlung, auch die öffentliche Bibliothek frequentierte, hatte bei mir nicht mit Armut, sondern Privilegiertheit zu tun. Da gewisse Bücher im Buchhandel vergriffen waren, deren Themen mich interessierten, schickten mich meine Eltern in die Stadtbücherei. Deren Leiter, ein rotarischer Freund des Vaters, empfing mich persönlich, machte mich mit seinen Mitarbeiterinnen, Bibliothekarinnen der mich interessierenden Fachgebiete bekannt, und bat sie, mich bestmöglich zu beraten und zu betreuen.
Somit beweist die zitierte obige Frage, wie unterschiedlich Menschen aus unterschiedlicher Schicht selbst in öffentlichen Büchereien behandelt werden. Meine Privilegien gingen so weit, dass es für mich keine mengenmäßige Ausleihgrenze gab. Ich hatte die Bücher auch nicht innerhalb der offiziellen Leihfrist zurückbringen. Kinder einfacher Leute werden anders behandelt: sie dürfen höchsten vier bis fünf Bücher mitnehmen, und, falls sie die Rückgabe versäumen, haben sie eine Straf-Gebühr zu zahlen. Das so etwas weder fair noch gerecht ist, war mir bereits seinerzeit bewusst, weshalb ich von den mir eingeräumten Privilegien keinen Gebrauch machte und meine Besuche in der Bücherei nach einigen Wochen einstellte, denn es war mir peinlich, wie sich die Bibliothekarinnen abmühten, bei mir, einem Kind, einen „guten Eindruck“ zu hinterlassen, wohl in der Hoffnung, ich würde es meinen Eltern oder ihrem Vorgesetzten mitteilen, was Anerkennung und Lob, eventuell beruflichen Aufstieg nach sich ziehen könnte. Dies ein „harmloses“ Beispiel für das absolut undemokratische Verhalten innerhalb unserer ach so demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft; nicht erst heutzutage, sondern bereits vor über 50 Jahren.
Während der letzten Jahre hat sich das Leben der Arbeiterklasse in den USA wie in Deutschland deutlich verschlechtert. Millionen Senioren bangen um ihre Renten. Viele Menschen um ihre Arbeitsplätze. Die Preise für Lebensmittel, Mieten und Nebenkosten steigen ins Absurde. Hypotheken und Arztrechnungen müssen bezahlt werden. Immer höhere Mieten sind fällig. Dass der Blutdruck armer Menschen infolgedessen permanent steigt, ihr Urteilsvermögen getrübt ist, sie ständig über kurz oder lang Schulden machen müssen, trägt weder zu deren Gesundheit bei, noch erhöht es ihre Akzeptanz und Zustimmung zu unserer Demokratie. Doch Experten und Politiker aller Parteien beobachten das Ganze aus sicherer, angenehmer Distanz, finanziell wohl gepolstert. Da sie nicht verstehen, wie dem Großteil der Bevölkerung zu Mute ist, fallen ihre Maßnahmen, Gesetze und Entscheidungen immer häufiger falsch aus und treiben den Großteil der Bevölkerung immer weiter auseinander.
Trump in den USA ist das letzte Menetekel am Horizont, bevor vergleichbare Verhältnisse über uns kommen, in Deutschland. CDU und SPD, Klingbeil, Esken, Merz und Söder sind mitnichten die Richtigen, berufen, Ungerechtigkeit abzubauen und die auseinanderdriftende Bevölkerung wieder zusammen zu führen. Sie sind Teil der inzwischen abgehobenen Elite, ob von Geburt an wie Merz, oder erst durch Amt und Studium, wie Esken, Klingbeil und Söder. Sie leben in ihrem Wolkenkuckucksheim und realisieren nicht, was in der Mitte, wie an den Rändern unserer Gesellschaft, vor sich geht. Das prädestiniert sie zu perfekten Steigbügelhaltern für die neobraune Flut, die sich anschickt, unser Land nach der nächsten Wahl zu übernehmen.
Leider werden die für dumm verkauften Wähler erst, wenn es zu spät ist – wie aktuell in den USA – merken, dass sie derselben Kategorie Menschen aufgesessen sind, die sie per Wahl abwählen wollten: abgehoben, nur ihre eigenen, egoistischen Ziele verfolgend, sich nicht im Geringsten für die Probleme und Nöte ihrer um ihre Existenz kämpfenden Wähler interessierend. Willkommen in der Welt der Wohlhabenden, deren bevorzugtes Herrschaftssystem George Orwell bereits vor 60 Jahren in seinem dystopischen Roman 1984 so treffend beschrieb.
Die Wohlhabenden, Reichen, gedeihen unter jeder Regierungsform. Doch, wie entsprechende Fachbücher und Untersuchungen aus der Zeit der Nazi-Diktatur nachweisen, offenbar besonders prächtig in Diktaturen. Die führenden, reichsten Familien Deutschlands konnten nach 1933 bis 1945 ihre Vermögen enorm steigern, was sich u.a. am von den Nazis steuerlich bevorzugten Kapitalerhöhungen sämtlicher namhafter Unternehmen nachweisen lässt. Es waren denn auch diese 500 bis 1000 „Perlen“ der Deutschen Industrie, die sogar den Übergang von der besiegten Nazi-Diktatur in die neuen Strukturen der von den USA und Großbritannien dominierten Wirtschaftsordnung nahtlos und nahezu ohne Verluste bewältigten. Wer das nicht glaubt, schaue sich die eindrucksvollen volkswirtschaftlichen Statistiken der Umbruchphase zwischen 1945 bis 1949, sowie das reibungslose Anlaufen der deutschen Industrie ab 1949 bis 1955 an. Bereits zu Beginn der Fünfziger Jahre konnte die Creme der deutschen Industrie, trotz der Zerstörungen und Verluste des Krieges, wie unter Hitler daran gehen, ihre Kapitalbasis deutlich zu verbessern.
Wie nach Ende des Nazireichs und zu Beginn der Bundesrepublik, haben es die Reichen und Wohlhabenden, deren Familienmitglieder und Verwandte stets in führenden politischen Ämtern tätig waren, Maßnahmen und Gesetze in ihrem Sinn und damit zur Konsolidierung und Erhöhung ihrer Vermögen durchsetzen. Das Strohfeuer der, auf Druck der Amerikaner für knapp zwanzig Jahre eingeführten steuerlichen Rahmenbedingungen, die die Reichen stärker besteuerten, als die Armen, kamen bereits in den Sechziger Jahren unter die Räder, und sinnigerweise waren es Sozial-Liberale in den Siebzigern, die dafür sorgten, dass der steuerliche Anteil der Reichen und ihrer Unternehmen zurückgefahren wurde. Es war schließlich dem SPD Kanzler der Bosse, Gerhard Schröder vorbehalten, ihnen die Vermögenssteuer völlig und die Erbschaftssteuer stark zu erlassen. Exakt seit diesem Zeitpunkt, 1998, nehmen die finanziellen Probleme Deutschlands signifikant zu, geht die Schere der Arbeitnehmereinkommen und die der Unternehmer extrem auseinander, häufen wir als Staatswesen gigantische Schulden an, während die mickrigen 5% der Superreichen ihre Vermögen vervier- oder verfünffachten.
Wer den neuen Koalitionsvertrag liest, stellt ernüchtert fest: nichts an diesem trostlosen, die Gesellschaft zerstörendem Zustand wird sich in den nächsten vier Jahren ändern. Es geht weiter ungebremst auf den Abgrund zu, an dem nicht nur die Totengräber der bundesdeutschen Demokratie lauern, sondern längst auch die Diktatoren dieser Welt. In den USA hat bereits Trump übernommen und führt die USA mit enormer Geschwindigkeit in eine Diktatur oder gar diktatorische Monarchie. Russlands Putin lauert nur darauf, einen Großteil Europas unter seine Herrschaft zu bringen, während XI von China aus daran geht, sich Asien untertan zu machen. Den Wohlhabenden, in Diktaturen Oligarchen genannt, macht das nichts aus. Im Gegenteil erhoffen sie sich noch prächtigere Geschäfte und die massivere Ausweitung ihrer ohnehin astronomisch hohen Vermögen.
Titelbild: Ervins Strauhmanis CC BY 2.0 DEED via FlickR
Auch ein Blog verursacht Ausgaben ...
792
Leave A Comment