Von Frederik D. Tunnat
Nachdem fest steht, dass die schlimmsten Befürchtungen eingetreten sind, dass nämlich unsere bisherige Schutzmacht und unser Verbündeter seit 1945, die USA mit fliegenden Fahnen ins Lager des bisherigen Systemgegners und Klassenfeinds gewechselt ist, bleibt keine Zeit für die üblichen politischen Spielchen mit nationalem Pathos und dem EU üblichen Geschacher um Geld und persönliche Egoismen. Angesagt ist stattdessen ehrliche Bestandsaufnahme, ohne jegliche ideologischen Scheuklappen, noch jedwede Restriktionen – und unüblich schnelles, umgehendes Handeln.
Europa und seine wichtigsten Anführer benehmen sich gegenüber dem inzwischen erwiesenen Demokratieverächter und Systemgegner im Weißen Haus wie ein Haufen aufgeregter Hühner. Dabei sollte sich Europa und dessen Führung darauf besinnen, dass wir, die unterschiedlichen europäischen Länder, vornehmlich die Seefahr-Nationen Portugal, Spanien, Holland und England sowie Frankreich es waren, die von Europa aus die Welt erkundeten, eroberten und teilweise neu besiedelten. Ohne England und Frankreich sowie Spanien würden die heutigen USA gar nicht existieren. Dass sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Verhältnis vom ursprünglichen europäischen Sprössling USA zu seinen europäischen Vätern dergestalt änderte und verschob, als der ungestüme Jüngling schließlich zwei Mal, 1914 bis 1918 und 1941 bis 1945 die altersschwach gewordenen Väter in Europa vor dem Untergang retten musste, ist Teil der anhaltenden Beziehung und Geschichte.
Europa verfügt aktuell noch immer über mindestens ebenso viele finanzielle, technische wie ideelle Ressourcen wie die USA, China, Japan. Russland verfügt aktuell nur über eine wirkliche Ressource: seinen militärischen Komplex einschließlich hochgerüsteter Rüstungsindustrie. Dabei ist Russland dasjenige Land unter unseren System- und Kriegsgegnern, obwohl wir gewöhnt sind, es aus der Perspektive einer von der bedrohlichen Schlange hypnotisierten Maus zu betrachten, dass unser am schnellsten und einfachsten zu besiegender Gegner ist – trotz seiner auf sehr tönernen Füssen stehenden Armee, die nur dank ihrer Atomwaffen überhaupt ein ernsthaftes Abschreckungspotential besitzt.
Punkt 1: Verteidigungsfähigkeit
Zentraler und wichtigster Punkt für das erfolgreiche Überleben Europas ist die Herstellung einer vollständigen, funktionalen Verteidigungsfähigkeit ohne die des bisherigen Bündnispartners USA, also auch ohne eine Nato, die die USA einschließt.
Punkt 2: EU Verträge kündigen und neue in Kraft setzen
Wie ich mehrfach angesichts der offenkundigen Geburts- und Konstruktionsfehler der EU ausführte, seit nunmehr zehn Jahren, wäre es notwendig, die bisherigen EU Verträge aufzulösen, sie in verbesserter, aktualisierter Form umgehend neu zu verabschieden, allerdings unter Ausschluss derjenigen Mitglieder, die sich als faule Eier erwiesen haben.
Punkt 3: Nato-Verträge auflösen und neue ohne USA in Kraft setzen
So, wie wir uns in der EU durch das Aufkündigen der alten und Verabschiedung neuer Verträge der destruktiven Mitglieder wie Ungarn, der Slowakei etc. entledigen könnten, um sodann mit den überzeugten europäischen Ländern eine verbesserte, optimierte EU fortzuführen, so sollten wir, statt immer und weiter nach den USA zu wimmern, uns selbst von diesen trennen, statt auf deren ohne Zweifel bevorstehenden Austritt zu warten. Das verbleibende Verteidigungsbündnis (Europ. Länder plus Kanada) sollte sich sehr kritisch mit einer weiteren Mitgliedschaft der Türkei befassen, sollte sich all jener Mitglieder entledigen, die bereits im Lager der Nato-Feinde um Putins Russland, China und Nordkorea und Iran stehen: Ungarn, die Slowakei, die Türkei.
Dafür sollten die bereits angelaufenen Kooperationen in Asien westlich-demokratisch geführte Länder außerhalb Europas, z.B. Australien, Neuseeland, Japan, aber auch das eine oder andere südamerikanische Land sowie Israel nach Netanjahu umfassen. Eine so geschaffene Post-Atlantische Nato wäre umgehend, selbst bevor ihre Mitlieder zu voller Rüstungs- und Verteidigungsbereitschaft zurück gekehrt wären, ein ernsthafter Machtfaktor, den weder Trumps USA noch Xis China oder Putins Russland ignorieren könnte. Da mit England, Frankreich und Israel drei Atommächte zum neuen Bündnis gehören würden, wäre für ausreichende atomare Abschreckung gesorgt, bevor das neue Verteidigungsbündnis entweder aufrüsten oder durch Verhandlungen mit anderen Atommächten abrüsten könnte.
So oder so, es müssen sehr kurzfristig eingefahrene Denkweisen und Vorgehensweisen über Bord geworfen werden, angesichts der existentiellen Bedrohung, der die EU und ihre Mitglieder, wie die der Nato in ihrer jetzigen, disfunktionalen Gestalt, ausgesetzt sind. Der erste und entscheidende Schritt besteht in den neuen Verträgen, gestaltet von Europa. Alle Probleme und Schwächen der bisherigen EU sind bekannt. Sie auszumerzen und Europa kraftvoller und erfolgreicher zu machen, müssen die faulen Eier aussortiert werden – sie können, sobald sie sich neu demokratisch aufgestellt haben, wieder anschließen. Das gilt sowohl für EU wie Nato.
Punkt 4: Gemeinsame europäische Verteidigung und Atomwaffen
Die neuen EU Verträge sollten die gemeinsame Verteidigung und Streitkräfte samt Atomwaffen ebenso umfassen, wie eine Stärkung der gemeinsamen Institutionen. Vergleichbar sollte in Bezug auf die Rest-Nato und deren Verträge vorgegangen werden. Wichtig wäre, sich ebenso vom aktuell faulen Apfel, Trumps USA, loszusagen und zu emanzipieren, wie EU seitig von Ungarn und anderen internen Systemgegnern. Bei dieser Gelegenheit wäre es eine reine Formalie, die Ukraine sowohl in die EU wie die neue Verteidigungsstruktur aufzunehmen. Damit wäre auch einer künftigen dauerhaften, erfolgreichen Friedenslösung der Weg vorgezeichnet. Dreh und Angelpunkt ist die vertraglich geänderte Grundlage für EU und Nato.
Punkt 5: Finanzielle Ressourcen schaffen und bereit stellen
Dazu werden erheblich höhere Finanzen nötig sein, als sie bisher bereit gestellt wurden. Bezüglich des Sonderfalls Deutschland mit seiner selbst auferlegten Beschränkung namens Schuldenbremse, ist umgehendes Handeln erforderlich, und zwar nicht nur zwischen den potentiellen Kandidaten einer nächsten großen Koalition – die ja gar nicht mehr wirklich groß daher kommt. Die Schuldenbremse, die ihre Berechtigung in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen und eines wirtschaftlich austarierten globalen Umfelds, das nicht länger existiert, hatte, muss den aktuellen Erfordernissen angepasst werden, sonst haben weder Deutschland und dessen junge Generation, noch Europa und dessen junge Generation eine freiheitlich-demokratische Perspektive. Die Schuldenbremse muss flexibel werden, sprich in der gegenwärtig wirklich historischen Situation muss sie die Kreditschleusen ohne wenn und aber öffnen. Doch zugleich müssen für hoffentlich entspanntere Zeiten und Zeiten guter Steuereinnahmen klare Rückzahlungsmodalitäten beschlossen werden. Das ist für jeden Privatmann, der einen Kredit aufnimmt, so üblich, und sollte auch für Staaten gelten.
Sonderproblem deutsche Schuldenbremse
Die Schuldenbremse sollte ohne die bisherigen ideologischen Einschränkungen und damit verbundenen politischen Ziele von allen demokratisch-freiheitlichen Parteien Deutschlands gemeinsam gelockert werden. Das erhöht die Legitimität und ist ein klares Signal an unsere ideologischen wie politischen Feinde dies- wie jenseits des Atlantiks! Sobald die Schuldenbremse gelockert ist, müssen die steuerlichen Ressourcen signifikant erhöht werden. Nicht, wie normalerweise üblich, durch sozialen Kahlschlag, sondern durch die seit Jahrzehnten anstehende gerechte Anpassung der Besteuerung von Erben und Vermögenden. Angesichts der existentiellen Bedrohung für unser freiheitlich-demokratisches Modell ist keinerlei Raum mehr für bisherige Klientelpolitik und Unausgewogenheit. Jeder Bürger und jeder Teil unserer Gesellschaft hat einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung beizutragen. Punkt. Keine Ausnahmen länger für Unternehmenserben und hoch Vermögende. Schließlich ist es auch deren Leben und Lebensgrundlage, die wir verteidigen und erhalten.
Punkt 6: Steuerliche Veränderungen und soziale Gerechtigkeit
Was die finanzielle Motivation anbelangt, die bei derart elementaren Entscheidungen erforderlich ist, um die Mehrheit der Menschen ins Boot zu holen, so müssten nahezu zeitgleich mit den elementaren Veränderungen auf EU und Nato-Ebene Veränderungen in Bezug auf gerechte Entlohnung und soziale Gerechtigkeit umgesetzt werden.
Dass die überwältigende Mehrheit der westlichen Bevölkerung während des Kalten Krieges für das demokratisch-freiheitliche System stand, statt sich für den sowjetischen Gegenentwurf zu interessieren, hatte mit der seinerzeitigen sozialen Gerechtigkeit zu tun. Die Einkommen waren gerechter verteilt. Lebenshaltung und Mietkosten waren von der überwältigenden Mehrheit mühelos zu stemmen, anders als gegenwärtig. Das bedeutet, die Einkommen und Mindestlöhne müssten zeitgleich mit den neuen Verträgen erheblich aufgestockt werden. Zugleich müsste in einer reduzierten Form von EU first sehr genau entschieden werden, welche Schlüsselindustrien und Dienstleistungen künftig überwiegend innerhalb der EU und nicht im feindlichen Ausland bei Systemgegnern herzustellen wäre. Dies würde weder den internationalen Handelsaustausch völlig abwürgen, wie in Trumps USA, dafür Arbeitsplätze stabilisieren und neu entstehen lassen.
Punkt 7: Soziale Medien
Europa sollte sich zudem von den US dominierten sozialen Medien befreien, indem es eine europäische Alternative, auf Basis des Datenschutzes und demokratischer Werte aufbaut. Wozu den USA unter einem Diktator weiterhin unsere wertvollen Daten liefern, sowie Unsummen für sinnlose Werbung von Firmen unserer politischen Gegner ins Ausland zu finanzieren? Wie destruktiv und gefährlich soziale Medien in den falschen Händen sind, beweisen aktuell Herr Musk und Zuckerberg tagtäglich.
Fazit
Im Grunde genommen sind für einen europäischen Neuanfang nur vier bis fünf Grundsatzentscheidungen, siehe oben, notwendig, die einmal beschlossen, konsequent und zeitnah umgesetzt gehören. Binnen eines Jahres sollte die Auflösung der alten EU und die umgehende Neugründung der neuen, effizienteren, ohne interne Systemgegner und finanzielle Schmarotzer, möglich sein. Parallel die Auflösung und Neubegründung eines Verteidigungsbündnisses ohne USA, mit weiteren neuen Partnern, weltweit. Der Vorteil, den die EU anderen Staaten im eigenen Verteidigungsbündnis bieten kann, wäre neben militärischer Zusammenarbeit und Schutz, wirtschaftliche privilegierte Zusammenarbeit. Damit könnte nicht nur Trumps angehende Diktatur demontiert werden, sondern China wirkungsvoll Paroli geboten werden.
Der zeitliche Rahmen: ein bis maximal drei Jahre
Binnen drei Jahren muss die neue, gemeinsame Rüstungs- und Verteidigung, einschließlich eines gemeinsamen Atomschirms stehen. Das wäre zeitlich ausreichend, selbst Putins aufgeblähte Kriegsmaschinerie in Schach zu halten. So wir wir bereits vor 40 Jahren, in den 80er Jahren, die Sowjetunion in Grund und Boden gerüstet haben, können wir das gegenwärtig erneut tun – ohne die USA unter Trump. Sollten sich die USA irgendwann von Trump befreien können, und nicht länger im Lager von Europas Gegnern verweilen, spräche nichts dagegen, sie als Partner aufzunehmen, aber dieses Mal zu unseren, nicht zu den von ihnen diktierten, erpressten Bedingungen.
Churchill oder Adenauer – jedenfalls einer wie sie
Meine Vorstellungen haben ein entscheidendes Manko, das ist mir bewusst: sie blenden die triste gegenwärtige Verfasstheit, die nationalistisch sich widerstrebenden Interessen der gegenwärtigen Regierungen in EU und Nato aus. Um praktisch umgehend zu den gewünschten Veränderungen zu kommen, wären Politiker vom Kaliber eines Churchill oder Adenauer, jedoch EU weit, nicht nur national, in einem EU Land, vonnöten. Diese Menschen existieren sicher, irgendwo, nur aktuell nicht in Machtpositionen. Wie sie an die Macht befördern und die gegenwärtigen Egomanen dazu bewegen, den Ernst der Lage zu akzeptieren, ihre Länder und Europa ein Mal in ihrem Leben über den persönlichen Egoismus und das persönliche Machtstreben zu stellen, dürfte schwerlich gelingen – trotz der existentiell mehr als kritischen Situation, in der wir uns gegenwärtig, als EU wie Nato-Mitglieder befinden.
Dennoch – die Hoffnung stirbt zuletzt!
Eventuell entwickelt Herr Starmer ja Churchill’sche Qualitäten, oder Herr Merz erweist sich als würdiger Enkel Adenauers. Hoffen wir, allen Politikern in der EU ist der Ernst der Lage und die Dringlichkeit zu neuen, unkonventionellen Lösungen zu kommen bewusst?
Titelbild: elycefeliz CC BY-NC-ND 2.0 DEED via FlickR
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