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Von Jürgen Klute

Am 6. März 2025 traf sich die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer zu einem Sondergipfel in Brüssel, um ihnen ihren Plan zu präsentieren, wie die EU die von Trump gestoppten Militärhilfen für die Ukraine ersetzen könnte. Ein Gesetzesentwurf der EU-Kommission, der auf den Ergebnissen vom 6. März basiert, soll dann auf dem EU-Gipfel am 21. März 2025 vorgelegt werden.

Als Ziel hat von der Leyen eine Unterstützung für die Ukraine in Höhe von 800 Milliarden Dollar genannt. Aufgebracht werden soll die Summe durch unterschiedliche Instrumente. Zunächst sollen 150 Milliarden Euro als EU-Kredit aufgenommen werden. Dann sollen die EU-Verschuldungskriterien des Stabilitätspaktes flexibilisiert werden, so dass Mitgliedsstaaten höhere Schulden aufnehmen können, um den 800-Milliardenfond zu füllen bzw. eigene Rüstungsausgaben zu erhöhen. Die EU will einen Teil der Kohäsionsmittel, die zur Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts der EU dienen, in Rüstungsausgaben umlenken. Schließlich soll die Europäische Investitionsbank (EIB) Anreize schaffen zur Mobilisierung privater Guthaben in der EU für den Verteidigungsfond. Ausgeschlossen bleibt vorerst die Nutzung von den innerhalb der EU eingefrorenen Werten der russischen Zentralbank. Viele Detailfragen sind dabei jedoch noch offen. Ebenso die Frage, ob die Zielgröße von 800 Milliarden Euro auf diesem Wege erreicht wird. Der Gipfel am 21. März wird dazu weitere Klarheit bringen.

Wie ist nun dieses Ergebnis des Sondergipfels vom 6. März einzuordnen? Nachvollziehbar und richtig ist, dass die EU auf die Entscheidungen von Trump reagiert, der Ukraine die us-amerikanische Unterstützung zu entziehen bzw. sie zu einem Hebel zu machen, um die ukrainische Regierung zu erpressen, einem allein im Interesses der USA liegenden Rohstoffdeal zuzustimmen. Nicht zu reagieren seitens der EU würde bedeuten, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine kollabieren zu lassen mit schwer einschätzbaren Folgen für den Fall, dass die Ukraine kapitulieren und sich Putin ausliefern müsste. Angesichts der für eine Energie- und Verkehrswende relevanten Rohstoffe, die in der Ukraine lagern, hätte eine Kapitulation der Ukraine auch weitreichende Auswirkungen für die EU.

Als kurzfristige Antwort auf die sprunghaften Entscheidungen von Trump, die sich jederzeit wieder ändern können, ist die Antwort also verständlich. Allerdings richtet sich der Plan der Kommissionspräsidentin bisher nur auf die Frage, wieviel Geld man zur militärischen Unterstützung der Ukraine braucht und wo es her kommen könnte. Was dem Plan fehlt, ist eine politische Perspektive. Eine Perspektive, wie dieser Krieg beendet werden kann und wie es nach einem Waffenstillstand oder gar einem Friedensvertrag weiter gehen kann.

Die Väter und Mütter der EU haben einst dieses politische Projekt entwickelt, um Interessenkonflikte zwischen den Mitgliedsstaaten nicht mehr militärisch, sondern politisch zu lösen. Es sollte also nahliegend sein, dass die EU sich auch darüber Gedanken macht, wo sich Ansätze für einen Weg aus diesem Krieg finden lassen, um politischen Druck zu entwickeln, der den Angreifer in diese Richtung drängt. Allein auf eine militärische Logik zu setzen, stünde im Gegensatz zur Gründungsidee der EU. Eine militärische Logik wäre langfristig nicht nur extrem teuer, sondern sie würde auch keine dauerhafte Sicherheit schaffen.

Es wird viel über Putins Großmachtfantasien spekuliert. Übersehen werden dabei die auf der Hand liegenden ökonomischen Interessen. Durch die Energiewende verliert Russland, das größte Exportland fossiler Energieträger, seinen größten Absatzmarkt, die EU. Gleichzeitig bietet die Ukraine mit ihren teils auch für die Energiewende erforderlichen Bodenschätzen eine Kompensation für Russlands Exporteinbussen. Kontrolliert Russland die ukrainischen Bodenschätze, dann hätte Russland natürlich auch einen Hebel in der Hand, um über Lieferverträge und Preise Einfluss auf die EU-Energiewende zu nehmen.

Neben den Rohstoffen spielen vermutlich die ukrainischen Agrarflächen eine Rolle. Russland und die Ukraine produzieren zusammen knapp ein Drittel des weltweit produzierten Getreides. Wer knapp ein Drittel der weltweiten Getreideproduktion kontrolliert, hat damit großen Einfluss auf die Importländer von Getreide. Außerdem dürfte die Klimaerwärmung insbesondere für Russland einen weit reichenden negativen Einfluss auf russische Agrarflächen haben.

Vielleicht kann hier ein Schlüssel liegen, um den Konflikt aufzulösen: in der Klimapolitik. Auch wenn Putin die Klimaerwärmung nicht als Bedrohung wahrnehmen mag, real ist die Klimaerwärmung eine Bedrohung auch für Russland, deren Folgen sich auch die russische Regierung nicht entziehen kann. Das könnte eine Motivation sein, den Krieg, der selbst erheblich zur Klimaerwärmung beiträgt, dauerhaft zu beenden.

Vor allem aber muss die EU sich Gedanken dazu machen, wie das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland sowie der EU und Russland künftig aussehen könnte. Nach einem Ende des Krieges wird man Russland nicht dauerhaft international isolieren können. Im übrigen wurde auch Deutschland bereits wenige Jahre nach dem Ende der Nazi-Terrorherrschaft in Europa wieder in die internationale Staatengemeinschaft integriert. Eine Strategie war damals der Marschall-Plan, der die teilnehmenden Staaten zur wirtschaftlichen Kooperation verpflichtete. Vielleicht lassen sich daraus Schlüsse ableiten für die Zeit nach dem Ende dieses Krieges. Nur wäre es wichtig, sich darüber schon heute Gedanken zu machen.

Doch zunächst muss der Krieg beendet werden. Dazu braucht es politischen Druck vor allem auf Putin. Nach drei Jahren Krieg, die der russischen Armee hohe Verluste eingebracht haben, und die Putin aufgrund von Kriegsverbrechen seitens der russischen Armee einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag eingebracht haben, wird Putin nur ein begrenztes Interesse an einem Ende des Krieges haben. Daher braucht es hohen politischen Druck, um ihn zu einem Ende zu bringen.

Nachdem die us-amerikanische Regierung unter Trump als ein verlässlicher politischer Partner für die EU ausgefallen ist, wäre die EU gut beraten, sich mit China zu verständigen. China hat kein Interesse an diesem Krieg, da er die Handelswege Chinas stört. Gleichzeitig hängt Russland mittlerweile ökonomisch von China ab. China hat also die Möglichkeit, politischen Druck auf Putin auszuüben. Darüber hinaus ist China ein notwendiger Partner, um einen Waffenstillstand bzw. Friedensvertrag abzusichern. Seit Trump Präsident der USA ist, ist nicht mehr klar, ob die Nato noch für eine solche Aufgabe zur Verfügung steht. Und die EU wird trotz der beabsichtigten militärischen Investitionen nicht alleine die Einhaltung eines Waffenstillstandes oder eines Friedensvertrages garantieren können. Somit sind letztlich unter den gegebenen Bedingungen Europa und China darauf angewiesen, eine Form der Zusammenarbeit, die auf klar definierten Interessen und auf gegenseitigem Respekt beruhen muss, zu entwickeln. Auch wenn das in der politischen Linken nicht gerne gehört wird: Ohne eine militärische Absicherung eines Waffenstillstandes bzw. eines Friedensvertrages wird es keinen dauerhaften Frieden geben.

Um nicht dauerhaft einer militärischen Logik zu verfallen wäre es über die vorgenannten Maßnahmen hinaus, die auf ein Ende des Krieges und auf das unmittelbare Danach ausgerichtet sind, nötig, dauerhaft vor allem mehr Instrumente zur politischen Konfliktlösung zu schaffen. Das umfasst Institutionen zur frühzeitigen Konfliktidentifizierung, zur Konfliktprävention und zur nicht-militärischen Konfliktbeilegung. Die EU hat durchaus Erfahrungen damit. Es wäre nötig, diese Seite der EU finanziell und personell zu stärken und in den Mittelpunkt zu stellen. Auch wenn kurzfristig Rüstungsinvestitionen nötig sind, bleibt es dabei, dass die Klimaerwärmung die langfristig wesentlich größere Bedrohung darstellt. Zum Klimaschutz tragen Rüstungsinvestitionen jedoch nicht bei. Gerade auch deshalb ist es wichtig zu verhindern, dass die EU in eine dauerhafte Rüstungslogik verfällt.

Titelbild: NATO Secretary General Jens Stoltenberg, the President of the European Council, Charles Michel, and the President of the European Commission, Ursula von der Leyen sign the Joint Declaration on NATO-EU Cooperation, NATO CC BY-NC-ND 2.0 DEED via FlickR

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