Ein Mittagessen, das nie serviert wurde, ein Frieden, der nie kam. Ilja Leonard Pfeijffer schreibt darüber, wie Trump und Putin in einer endlosen Tragikomödie zueinander fanden. Gleichwohl läuft auch für den russischen Präsidenten die Zeit ab, denn die westlichen Sanktionen zeigen durchaus Wirkung.

Essay von Ilja Leonard Pfeijffer | 26. August 2025

Und so kam es in jenen Tagen, genauer gesagt am Freitag, dem 15. August 2025, als Mariä Himmelfahrt gefeiert wurde, dass eine Boeing VC-25A, im Dienst als Air Force One, um 10:22 Uhr Ortszeit auf der Joint Base Elmendorf-Richardson in Anchorage landete, etwas nördlich des Alaska Native Heritage Center, dessen Motto „We are storytellers” lautet.

Um 10:55 Uhr landete eine russische Tupolev Tu-214 mit der Registrierungsnummer RA-64531 auf derselben Landebahn. US-Präsident Donald Trump applaudierte auf dem roten Teppich vor den Augen der Weltöffentlichkeit seinem Amtskollegen aus der Russischen Föderation, Wladimir Wladimirowitsch Putin, bevor er ihm die Hand schüttelte und ihm eine Fahrt in seinem gepanzerten Cadillac vom Rollfeld zum Eingang der Basis anbot, wo ein Raum für bilaterale Gespräche über die mögliche Beendigung des Krieges in der Ukraine freigeräumt worden war.

Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Temperatur von 14 Grad Celsius gemessen, bei mäßigem Wind mit einer Geschwindigkeit von 10 Kilometern pro Stunde, einer Luftfeuchtigkeit von 81 Prozent und einem Luftdruck von 1013 mbar.

Im Laufe der Jahre habe ich in Italien leider etliche Makler kennengelernt. Während es in einigen Ländern und Regionen, wie beispielsweise in den Niederlanden, Flandern und Deutschland, inzwischen üblich ist, dass Käufer und Verkäufer einer Immobilie jeweils ihren eigenen Makler haben, ist es in Italien, ebenso wie in Frankreich, Spanien, Wallonien und anderen Regionen, in denen Mariä Himmelfahrt ein wichtiger Feiertag ist, normal, dass nur ein Makler an den Verhandlungen beteiligt ist.

Es gibt nichts zum Protzen

Nach meiner Erfahrung interessiert sich ein solcher Makler nur für eines: Er will so schnell wie möglich einen Deal abschließen. Details wie der Preis, versteckte Mängel, rückständige Zahlungen der Nebenkosten oder eine verschwiegene Hypothek interessieren ihn nicht. Selbst der eigentliche Deal interessiert ihn nicht. Er ist ausschließlich an der Provision interessiert, die er als Vergütung für den Geschäftsabschluss erhält.

Das norwegische Nobelpreiskomitee konnte unmöglich vorhersehen, welche weitreichenden Folgen seine damals bereits umstrittene Entscheidung, Barack Obama am 9. Oktober 2009 den Friedensnobelpreis zu verleihen, haben würde. Trump hasst niemanden so sehr wie Obama, und das will etwas heißen, denn die Namen all derer, die er hasst, sind Legion. Die Tatsache, dass Obama eine Anerkennung zuteilwurde, die ihm selbst verwehrt bleibt, raubt ihm den Schlaf.

Aber er hat sich ausgerechnet, dass ihm der Friedensnobelpreis nicht vorenthalten werden kann, wenn es ihm gelingt, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Trump kommt aus der Immobilienbranche. Wie ein skrupelloser italienischer Makler will er so schnell wie möglich einen Deal abschließen. Details wie Gerechtigkeit oder die Zukunft der Ukraine und Europas interessieren ihn nicht. Er interessiert sich einzig und allein für seine Belohnung.

Dass Trump – zur Erleichterung vieler in Europa – nichts erreicht hatte, zeigte sich auch an der seltenen Stille auf den Kanälen der MAGA-Propaganda

In Anchorage war ein Mittagessen vorgesehen, das aus einem grünen Salat mit Champagner-Vinaigrette bestand, gefolgt von einem Filet Mignon mit Brandy-Pfeffersauce, garniert mit in Butter gebratenen Kartoffeln, geröstetem Spargel und Heilbutt aus Alaska und zum Abschluss einer Crème Brûlée.

Dieses Mittagessen wurde jedoch nie serviert. Die Gespräche zwischen Trump und Putin, die um 11:32 Uhr begonnen hatten, wurden um 14:18 Uhr vorzeitig beendet. Genau vierzig Minuten später fand eine kurze gemeinsame Pressekonferenz statt, auf der der Welt keine konkreten Vereinbarungen mitgeteilt werden konnten. Es gab keine Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Auch wenn es zynisch erscheinen mag, das Scheitern der Friedensgespräche positiv zu beurteilen, war dies für die Ukraine und Europa das bestmögliche Ergebnis dieses Treffens, das niemals hätte stattfinden dürfen. Die einfache, nackte Tatsache, dass Putin, der Aggressor dieses Krieges, gegen den der Internationale Strafgerichtshof (ICC) wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen einen Haftbefehl erlassen hat, mit allen Ehren empfangen und vom Führer der westlichen Welt als gleichberechtigter Gesprächspartner betrachtet wurde, war ein Sieg für Putin, der in den russischen Propagandakanälen ausführlich behandelt wurde.

Dass diese beiden kriminellen Giganten der globalen Gerontokratie ohne die Anwesenheit von Vertretern aus der Ukraine und Europa über das Schicksal der Ukraine und Europas entscheiden wollten, war ein Szenario, dass niemals als Möglichkeit in Betracht hätte gezogen werden dürfen.

Dass Trump in Alaska nichts erreicht hatte, zeigte sich daran, dass er bei der abschließenden Pressekonferenz nichts hatte, womit er protzen konnte, aber auch an der seltenen Stille auf den Kanälen der MAGA-Propaganda

Die Befürchtung in der Ukraine und in Europa war, dass Trump in seiner ungestümen Hatz nach einem Erfolg am Ende mit einem ungerechten Abkommen wedeln könnte und „Frieden in unserer Zeit” verkünden würde, so wie Premierminister Arthur Neville Chamberlain vom Vereinigten Königreich im September 1938 in München ein Abkommen mit dem deutschen Reichskanzler Adolf Hitler schloss, in dem er ohne Rücksprache mit den Tschechen das Sudetenland im Austausch für Friedensgarantien abtrat, die sich ein Jahr später als wertlos erwiesen.

Putin und Selenskyj brauchen beide eine überzeugende Erzählung, aber keiner von beiden kann es sich leisten, sich auf eine Nebenrolle in der Erzählung des anderen reduzieren zu lassen

Dass Trump hingegen – zur Erleichterung vieler in Europa – nichts erreicht hatte, zeigte sich nicht nur daran, dass er bei der abschließenden Pressekonferenz nichts zum Prahlen hatte, sondern auch an der seltenen Stille in den Kanälen der MAGA-Propaganda. Selbst diese lautstarken Geschichtenerzähler von Trumps Heldentaten fanden keinen Dreh, mit dem sie das Treffen in Anchorage als Erfolg präsentieren konnten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste am Montag, dem 18. August, zu Beratungen mit Trump nach Washington, gefolgt von einer schwergewichtigen europäischen Delegation, bestehend aus Ursula von der Leyen, Emmanuel Macron, Friedrich Merz, Giorgia Meloni, Keir Starmer und dem Generalsekretär der NATO, Mark Rutte.

Der finnische Präsident Alexander Stubb kam mit ihnen mit, weil er aufgrund seiner Vergangenheit als semiprofessioneller Golfer während einer Runde auf Mar-a-Lago Trump beeindruckt hatte und seitdem von ihm respektiert wird. Sie telefonieren mehrmals pro Woche miteinander. Obwohl alle Beteiligten dieses multilaterale Gipfeltreffen als durchschlagenden Erfolg präsentierten, konnten keine konkreten Ergebnisse vorgestellt werden, außer dem frommen Wunsch nach Frieden und der angedeuteten Möglichkeit eines Treffens zwischen Putin und Selenskyj.

Ungerechter Frieden

Bei diesem Spektakel mit um den Globus fliegenden Weltpolitikern verliert man leicht die Grundprinzipien aus den Augen. Es gibt zwei Ausgangspunkte, einen von moralischer Natur und einen pragmatischen.

In moralischer Hinsicht ist ein ungerechter Frieden kein Frieden. Ein Abkommen, in dem ukrainisches Territorium an Russland abgetreten wird, verstößt gegen das Völkerrecht, das bestimmt, dass Landesgrenzen nicht mit Gewalt verändert werden dürfen, und belohnt Aggression. Als solches würde es einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Ein Abkommen, das die Ukraine „finlandisiert”, wie es während des Kalten Krieges genannt wurde, und ihr eine Zwangsneutralität verordnet, wäre eine Verletzung der Souveränität der Ukraine und des Selbstbestimmungsrechts des ukrainischen Volkes.

Ein Abkommen, das Russland und den russischen Präsidenten von der Pflicht entbindet, für Kriegsverbrechen Rechenschaft abzulegen, kann nicht als gerecht angesehen werden. Es ist klar, dass Putin kein Abkommen akzeptieren wird, das in genau diesen drei entscheidenden Punkten nicht gegen die Rechtsordnung und Gerechtigkeit verstößt, und dass ein gerechter Frieden nur dann möglich ist, wenn die Ukraine den Krieg gewinnt.

Dass Russland für Verhandlungen offen ist, macht deutlich, dass die westliche Strategie besser funktioniert, als der Westen selbst begreift

Eine pragmatische Betrachtung des Konflikts geht von den Interessen aus, die beide Seiten an einer Beendigung haben. Für die Ukraine ist klar: Die ukrainischen Truppen verlieren an Boden auf dem Schlachtfeld, und es zeichnet sich ein akuter Mangel an wehrfähigen Truppen ab. Russland tut sein Bestes, um seine Schwächen zu verbergen, und schafft es jedenfalls, Trump den Eindruck zu vermitteln, dass die Russen und nicht die Ukrainer die besseren Karten haben. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass Russland wirtschaftlich am Rande des Abgrunds steht.

Kürzlich sprach ich mit dem niederländischen Russland-Experten Sjeng Schijen, den ich als Freund betrachte. Seine Quellen in Russland berichten ihm, dass die russische Wirtschaft viel schlechter dasteht, als es zu den westlichen Medien durchdringt. Die Kriegswirtschaft ist der einzige noch verbliebene Motor der Gesellschaft. Die Einfuhrzölle, die Trump kürzlich gegen Indien verhängt hat, sind für Putin ein Grund zu großer Sorge, da Indien einer der wichtigsten Abnehmer von russischem Erdgas ist und selbst ein geringer Rückgang der Nachfrage aus Indien Russland vor große Probleme stellen würde.

Nebenrollen

Putin hat keinen Vorteil von einem endgültigen Friedensabkommen, da ein Rückbau der Kriegsindustrie den Zusammenbruch der Wirtschaft zur Folge hätte. Aber er hat durchaus und mehr als wir denken einen Vorteil von einem befristeten Friedensabkommen oder von einem Abkommen, das als endgültig erscheint, das er aber als befristet betrachten kann, vorausgesetzt, dass damit die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen einhergeht.

Putin hat keinen Vorteil von einem endgültigen Friedensabkommen, denn ein Rückbau der russischen Kriegsindustrie würde den Zusammenbruch der Wirtschaft zur Folge haben

Eine pragmatische Betrachtung hat noch eine andere Dimension. Für Putin ist es inakzeptabel, mit Selenskyj zu verhandeln, den er stets als Clown, Nazi und illegitimen Führer seines Landes dargestellt hat, es sei denn, er kann das Ergebnis dieser Verhandlungen seinen Anhängern als Kapitulation der Ukraine verkaufen.

Die einzige Möglichkeit für Selenskyj, den Verzicht auf Territorium für seine Anhänger akzeptabel zu machen, besteht darin, dass er im Gegenzug robuste Garantien für die künftige Unantastbarkeit der ukrainischen Souveränität in Form einer NATO-Mitgliedschaft oder etwas Ähnlichem erhält, was Putin jedoch nicht akzeptieren kann. Beide sind Geschichtenerzähler und beide brauchen eine überzeugende Geschichte, aber keiner von beiden kann es sich erlauben, in der Geschichte des anderen zu einer Nebenfigur reduziert zu werden.

Aufgrund dieser Überlegungen ist eine Einigung unwahrscheinlich und ein gerechter Frieden unmöglich. Andererseits macht die Tatsache, dass Russland aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage offen für Verhandlungen ist, deutlich, dass die westliche Strategie besser funktioniert, als der Westen selbst begreift. Die Sanktionen zeigen Wirkung. Der einzige Weg zu einem gerechten Frieden ist die Verschärfung der Sanktionen und die Intensivierung der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Der einzige Weg zu einem gerechten Frieden ist, der Ukraine zu helfen, den Krieg zu gewinnen.

Dieser Essay von Ilja Leonard Pfeijffer erschien ursprünglich am 23. August 2025 unter dem Titel „Waarom Poetin wel degelijk gebaat is bij een vredesakkoord“ in der belgischen Zeitung „De Morgen“. Übersetzung ins Deutsche: Jürgen Klute

Titelbild:  Giuseppe Impera CC BY-NC-SA 2.0 DEED via FlickR

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Ilja Leonard Pfeijffer

Foto: Stephan Vanfleteren

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