Auf den folgenden Text bin ich über piqd aufmerksam geworden. Achim Engelberg hat ihn dort empfohlen. Mit seiner Zustimmung veröffentliche ich hier die deutschsprachige Übersetzung der Rede des russischen Ex-Generaloberst Leonid Iwaschow. Der Autor der Rede ist Vorsitzender der „Allrussischen Offiziersversammlung“, einer Organisation von Reserveoffizieren mit prosowjetischen und nationalpatriotischen Ansichten. Die Rede wurde am 30. Januar 2022 vor dieser Organisation gehalten. Das russischsprachige Original ist auf der Webseite von Leonid Iwaschow veröffentlicht.
Nach Aussage von Achim Engelberg will der Übersetzer, von dem er das Dokument erhalten hat, aufgrund seiner Position nicht genannt werden. Engelberg verweist jedoch darauf, dass der Übersetzer sich bei den Recherchen für Engelbergs Buch „An den Rändern Europas: Warum sich das Schicksal unseres Kontinents an seinen Außengrenzen entscheidet“ (erschienen bei DVA März 2021) als vertrauenswürdig erwies und das das Dokument zudem von etlichen als echt angesehen wird. Ein Indiz für die Echtheit der Rede ist nach Engelberg u.a., dass sie in einer Mitteilung des Instituts für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung (ISPSW) erwähnt wird. Autor der Mitteilung ist Prof. Dr. Lic. Eberhard Schneider. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau und Leiter der sozialwissenschaftlichen Forschung des Berliner West-Ost-Institus sowie Vizepräsident der International Union of Economics St. Petersburg (IUECON) und Advisory Board Member des EU-Russia Center in Brüssel.
Engelberg merkt in seinem piq noch an, dass Iwaschow zwar in der Wir-Form spricht, dass aber unklar ist, wie viele seiner Offizierskollegen hinter ihm stehen und dass sich die Frage nahelegt, weshalb Iwaschow offenbar noch auf freiem Fuß ist.
(Update: 31.03.2022)
Rede von Leonid Iwaschow vom 30. Januar 2022 vor der „Allrussischen Offiziersversammlung“
Heute lebt die Menschheit in Erwartung eines Krieges. Ein Krieg bedeutet unweigerlich den Verlust von Menschenleben, Zerstörung, das Leiden sehr vieler Menschen, die Zerstörung ihrer Lebensweise sowie die ganzer Nationen und Völker. Ein großer Krieg ist eine große Tragödie, ein schweres Verbrechen. Diese Katastrophe droht nun Russland. Und das vielleicht zum ersten Mal in seiner Geschichte.
Zuvor hatte Russland (die Sowjetunion) nur nötige, und dann auch gerechte Krieg geführt. Und zwar in der Regel dann, wenn es keinen anderen Ausweg gab, wenn die Interessen des Staates und der Gesellschaft bedroht waren.
Was bedroht heute die Existenz Russlands, und gibt es eine solche Bedrohung überhaupt? Man kann argumentieren, dass es tatsächlich Bedrohungen gibt – das Land steht kurz vor seinem Ende. Die Bevölkerungszahl sinkt stetig. Der Populationsschwund bricht weltweit Rekorde, und der Rückgang ist systematisch. In jedem komplexen System kann ein kleiner Fehler zum Zusammenbruch führen.
Dies ist unserer Meinung nach die größte Bedrohung für die Russische Föderation. Es handelt sich jedoch um eine innere Bedrohung. Grund dafür ist das Staatsmodell, sowie die Herrschaftsform und der Zustand der Gesellschaft. Die Gründe sind also interne: das unrentable Staatsmodell, die völlige Inkompetenz und Unprofessionalität des Macht- und Verwaltungssystems, die Passivität und Desorganisation der Gesellschaft. In einem solchen Zustand kann kein Land lange überleben.
Was die Bedrohungen von außen angeht: Diese sind durchaus vorhanden. Nach unserer Experteneinschätzung sind sie jedoch derzeit nicht kritisch und bedrohen nicht unmittelbar die Existenz der russischen Staatlichkeit oder ihre vitalen Interessen. Im Großen und Ganzen ist alles stabil, die Kernwaffen sind unter zuverlässiger Kontrolle, die NATO-Streitkräfte werden nicht aufgestockt, und es finden keine Aktivitäten statt, die Russland bedrohen.
Daher ist die Situation rund um die Ukraine in erster Linie künstlich hervorgerufen worden und dient dem Vorteil einiger innerer Kräfte in Russland. Infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion, an dem Russland (Jelzin) maßgeblich beteiligt war, wurde die Ukraine ein unabhängiger Staat, Mitglied der UNO und hat gemäß Artikel 51 der UN-Charta das Recht auf individuelle und kollektive Verteidigung.
Die russische Führung hat die Ergebnisse des Referendums über die Unabhängigkeit der Volksrepubliken Donetsk und Luhansk noch nicht anerkannt. Auch auf offizieller Ebene hat sie mehrmals, auch während des Minsker Verhandlungsprozesses, betont, dass deren Gebiete und Bevölkerung zur Ukraine gehören.
Sie hat auch mehrmals auf hoher Ebene erklärt, dass sie normale Beziehungen zu Kiew gewährleisten möchte, und keine Sonderbehandlung der Volksrepubliken Donetsk und Luhansk vorsieht.
Die Frage des Völkermords seitens Kiews in den südöstlichen Regionen wurde weder bei den Vereinten Nationen noch bei der OSZE angesprochen. Damit die Ukraine ein freundlicher Nachbar Russlands bleiben konnte, musste sie natürlich die Attraktivität des russischen Staatsmodells und Regierungssystems beteuern. Aber die russische Außenpolitik hat es geschafft, fast alle seine Nachbarn von sich zu entfremden, und nicht nur diese.
Die Übernahme der Krim und Sewastopols durch Russland und die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft diese Gebiete nicht als russisch anerkennt (und daher die überwiegende Mehrheit der Staaten der Welt sie immer noch als zur Ukraine gehörig betrachtet), zeigt auf überzeugende Weise das Scheitern der russischen Außenpolitik und die Unattraktivität der russischen Innenpolitik.
Der Versuch, die Menschen durch Gewaltandrohungen zu zwingen, die Russische Föderation und ihre Führung zu „lieben“, ist sinnlos und äußerst gefährlich.
Die Anwendung militärischer Gewalt gegen die Ukraine würde erstens die Existenz Russlands selbst als Staat in Frage stellen und zweitens Russen und Ukrainer für immer zu Todfeinden machen. Drittens werden auf der einen wie auf der anderen Seite Tausende (Zehntausende) junger, gesunder Menschen getötet. Das würde sich mit Sicherheit auf die künftige demographische Situation in unseren aussterbenden Ländern auswirken.
Wenn dies geschieht, werden die russischen Truppen auf dem Schlachtfeld nicht nur ukrainischen Soldaten gegenüberstehen, unter denen auch viele Russen sind, sondern auch Soldaten vieler NATO-Länder. Und die Mitgliedstaaten des Bündnisses werden gezwungen sein, Russland den Krieg zu erklären.
Der türkische Staatspräsident Erdogan hat deutlich gemacht, auf welcher Seite die Türkei kämpfen wird. Und wir können davon ausgehen, dass die beiden türkischen Feldarmeen und die Marine den Befehl erhalten werden, die Krim und Sewastopol zu „befreien“ und möglicherweise in den Kaukasus einzumarschieren.
Darüber hinaus würde Russland eindeutig in die Kategorie der Länder eingestuft werden, die den Frieden und die internationale Sicherheit bedrohen, mit schweren Sanktionen belegt, aus der internationalen Gemeinschaft ausgestoßen und wahrscheinlich seines Status als unabhängiger Staat beraubt werden.
Der Präsident und die Regierung, sowie das Verteidigungsministerium können solche Konsequenzen nicht einfach ignorieren, so dumm sind sie nicht.
Es stellt sich die Frage: Weshalb provoziert Russland einen Krieg, der zu großen Feindseligkeiten führen könnte? Dass es zu solchen kommen wird, ist klar, wenn man die militärische Stärke beider Seiten betrachtet – mindestens hunderttausend Mann auf jeder Seite. Zumal Russland Truppen aus dem Osten des Landes an die Grenze zur Ukraine verlegt hat.
Wir sind der Meinung, dass die Führung des Landes erkannt hat, dass sie das Land nicht aus der Systemkrise hinausführen kann. Sie hat erkannt, dass diese Unfähigkeit zu einem Volksaufstand und einem Machtwechsel im Land führen könnte. Also hat sie mit Unterstützung der Oligarchie, der korrupten Beamten, der Staatsmedien und der Sicherheitsdienste beschlossen, die endgültige Zerstörung Russlands einzuleiten.
Mithilfe des Krieges könnten sie ihre Macht noch eine Weile erhalten und ihren vom Volk geraubten Reichtum bewahren. Wir können uns keine andere Erklärung vorstellen.
Wir, die Offiziere Russlands, fordern den Präsidenten der Russischen Föderation auf, seine verbrecherische Politik und die Provokation eines Krieges, in dem Russland allein gegen die vereinigten Kräfte des Westens stehen würde, aufzugeben. Wir fordern ihn auf, die Voraussetzungen für die praktische Umsetzung von Artikel 3 der Verfassung der Russischen Föderation zu schaffen und zurückzutreten.
Wir appellieren an alle Reservisten und pensionierten Soldaten und Bürger Russlands, wachsam und organisiert zu sein, die Forderungen des Rates der „Allrussischen Offiziersversammlung” zu unterstützen, sich aktiv der Propaganda und Entfesselung des Krieges zu widersetzen, um einen internen Bürgerkrieg mit dem Einsatz militärischer Gewalt zu verhindern.
Links zum Artikel
Die russischsprachige Originalversion
Die Originalversion, wie sie auf der Webseite von Iwaschow steht (abgerufen am 31.03.2022).
Председатель «Общероссийского офицерского Собрания» генерал-полковник Ивашов Леонид Григорьевич написал Обращение к президенту и гражданам Российской Федерации «Канун войны»:
Обращение Общероссийского офицерского собрания
к президенту и гражданам Российской Федерации
Сегодня человечество живет в ожидании войны. А война это неизбежные человеческие жертвы, разрушения, страдания больших масс людей, уничтожение привычного образа жизни, нарушение систем жизнедеятельности государств и народов. Большая война – это огромная трагедия, чье – то тяжелое преступление. Так случилось, что в центре этой грозящей катастрофы оказалась Россия. И, пожалуй, это впервые в ее истории.
Ранее Россия (СССР) вела вынужденные (справедливые) войны, и, как правило, когда иного выхода не оставалось, когда жизненно важные интересы государства и общества оказывались под угрозой.
А что сегодня угрожает существованию самой России, и есть ли такие угрозы? Можно утверждать, что действительно угрозы налицо – страна на грани завершения своей истории. Все жизненно важные сферы, включая демографию, устойчиво деградируют, а темпы вымирания населения бьют мировые рекорды. И деградация носит системный характер, а в любой сложной системе разрушение одного из элементов, может привести к обрушению всей системы.
И это, на наш взгляд главная угроза Российской Федерации. Но это угроза внутреннего характера, исходящая от модели государства, качества власти и состояния общества. И причины ее формирования внутренние: нежизнеспособность модели государства, полная недееспособность и непрофессионализм системы власти и управления, пассивность и неорганизованность общества. В таком состоянии любая страна долго не живет.
Что касается внешних угроз, они безусловно присутствуют. Но, по нашей экспертной оценке, они не являются в данный момент критическими, непосредственно угрожающими существованию российской государственности, ее жизненно важным интересам. Сохраняется в целом стратегическая стабильность, ядерное оружие находится под надежным контролем, группировки сил НАТО не наращиваются, угрожающей активности не проявляют.
Поэтому нагнетаемая вокруг Украины ситуация носит, прежде всего, искусственный, корыстный характер для неких внутренних сил, РФ в том числе. В результате развала СССР, в котором решающее участие приняла Россия (Ельцин), Украина стала независимым государством, членом ООН, и в соответствии с ст. 51 устава ООН имеет право на индивидуальную и коллективную оборону.
Руководство РФ до сих пор не признало результаты референдума о независимости ДНР и ЛНР, при этом на официальном уровне не раз, в том числе в ходе Минского переговорного процесса, подчеркивало принадлежность их территорий и населения к Украине.
Также не раз говорилось на высоком уровне о стремлении поддерживать нормальные отношения с Киевом, не выделяя в особые отношения с ДНР и ЛНР.
Вопрос о творимом со стороны Киева геноциде в юго – восточных областях не поднимался ни в ООН, ни в ОБСЕ. Естественно, для того, чтобы Украина осталась дружественным соседом для России, необходимо было для нее продемонстрировать привлекательность российской модели государства и системы власти.
Но РФ таковой не стала, ее модель развития и внешнеполитический механизм международного сотрудничества отталкивают практически всех соседей, и не только.
Обретение Россией Крыма и Севастополя и непризнание их российскими со стороны международного сообщества (а, значит подавляющее число государств мира по – прежнему считают их принадлежностью к Украине) убедительно показывает несостоятельность российской внешней политики, и непривлекательность внутренней.
Попытки через ультиматум и угрозы применения силы заставить «полюбить» РФ и ее руководство, бессмысленно и крайне опасно.
Применение военной силы против Украины, во – первых, поставит под вопрос существование самой России как государства; во вторых, навсегда сделает русских и украинцев смертельными врагами. В – третьих, будут с одной и с другой стороны тысячи (десятки тысяч) погибших молодых, здоровых ребят, что безусловно скажется на будущей демографической ситуации в наших вымирающих странах. На поле боя, если это случится, российские войска столкнутся не только с украинскими военнослужащими, среди которых будет много русских ребят, но и с военнослужащими и техникой многих стран НАТО, а государства – члены альянса обязаны будут объявить России войну.
Президент Турецкой Республики Р. Эрдоган четко заявил на чьей стороне будет воевать Турция. И можно предполагать, что двум полевым армиям и флоту Турции будет приказано «освобождать» Крым и Севастополь и, возможно вторгнуться на Кавказ.
Кроме того, Россия однозначно будет занесена в категорию стран, угрожающих миру и международной безопасности, обложена тяжелейшими санкциями, превратится в изгоя мирового сообщества, и вероятно будет лишена статуса независимого государства.
Не понимать таковых последствий президент и правительство, министерство обороны не могут, не настолько они глупы.
Возникает вопрос: а каковы истинные цели провоцирования напряженности на грани войны, и возможного развязывания широко масштабных военных действий? А что таковые будут, говорит численность и боевой состав формируемых сторонами группировок войск – не менее чем по ста тысяч военнослужащих с каждой стороны. Россия, оголяя восточные рубежи, перебрасывает соединения к границам Украины.
По нашему мнению, руководство страны понимая, что вывести страну из системного кризиса оно не способно, а это может привести к восстанию народа и смене власти в стране, при поддержке олигархата, коррумпированного чиновничества, прикормленных СМИ и силовиков, решило активизировать политическую линию на окончательное разрушение российской государственности и истребление коренного населения страны.
И война является тем средством, которое решит эту задачу с целью удержать на некоторое время свою антинациональную власть и сохранить награбленные у народа богатства. Другого объяснения мы предположить не можем.
От президента РФ, мы офицеры России, требуем отказаться от преступной политики провоцирования войны, в которой РФ окажется в одиночестве против объединенных сил Запада, создать условия для реализации на практике ст. 3 Конституции РФ и уйти в отставку.
Обращаемся к всем военнослужащим запаса и в отставке, гражданам России с рекомендацией проявить бдительность, организованность, поддержать требования Совета Общероссийского офицерского собрания, активно выступать против пропаганды и развязывания войны, не допустить внутреннего гражданского конфликта с применением военной силы.
Председатель «Общероссийского офицерского Собрания» (ООС) генерал-полковник Ивашов Леонид Григорьевич выступил с Заявлением по поводу общественной реакции на «Обращение Совета ООС» «Канун войны»:
Titelbild: Abandend house by Dmitriy Protsenko CC BY-SA 2.0 via FlickR
Auch ein Blog verursacht Ausgaben ...
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[…] Doch schon vor Beginn des Krieges in der Ukraine hat Iwaschow als Vorsitzender der Allrussischen Offiziersvereinigung einen offenen Brief formuliert, der sich klar gegen den Krieg ausspricht und vor seinen Folgen für Russland warnt (Übersetzung siehe hier). […]
[…] لكن حتى قبل بدء الحرب في أوكرانيا ، صاغ إيفاشوف ، بصفته رئيسًا لاتحاد الضباط لعموم روسيا ، خطابًا مفتوحًا تحدث بوضوح ضد الحرب وحذر من عواقبها بالنسبة لروسيا (انظر الترجمة). هنا). […]
[…] Doch schon vor Beginn des Krieges in der Ukraine hat Iwaschow als Vorsitzender der Allrussischen Offiziersvereinigung einen offenen Brief formuliert, der sich klar gegen den Krieg ausspricht und vor seinen Folgen für Russland warnt (Übersetzung siehe hier). […]
[…] But even before the start of the war in Ukraine, Ivashov, as chairman of the All-Russian Officers’ Union, formulated an open letter that spoke out clearly against the war and warned of its consequences for Russia (see translation). here). […]