Von Bernhard Clasen, Kiew | 04.08.2020

Seit Mitte Juli steht der usbekische Journalist Narsullo Ochunschonow jeden Tag vor der Vertretung der UNO im Kiewer Stadtzentrum.  Von Morgens bis Abends. Auf seinem kleinen Zelt finden sich die Forderungen des Protestierenden. Er will ausreisen, in ein Land, das ihm Asyl und Sicherheit gibt. 

Formal hat er diese Sicherheit auch in der Ukraine. Der regierungskritische Journalist, der bis 2013 beim Nationalen Fernsehen Usbekistans als Abteilungsleiter für politische Bildungsprogramme tätig war, war bei den usbekischen Machthabern in Ungnade gefallen und floh 2013 mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in die Türkei. Doch dort fühlte sich der kritische Journalist nicht sicher, wurde immer wieder von usbekischen Geheimdienstlern bedroht und verfolgt. 

2017 reiste er mit seiner Familie von der Türkei in die Ukraine. Doch am Kiewer Flughafen angekommen, stellte sich heraus, dass die usbekischen Behörden über Interpol einen Haftbefehl für den Mann hatten ausstellen lassen. Und so kam er erst einmal in Auslieferungshaft. Dank dem Eintreten ukrainischer Menschenrechtler, wie Boris Sacharow, und Menschenrechtsorganisationen kam er einen Monat später wieder frei. 

2018 erkannte ihn die Ukraine als Flüchtling an. Im gleichen Jahr wurde ein Auslieferungsgesuchen Usbekistans von den ukrainischen Behörden abgelehnt.

„Eine sehr erfreuliche Nachricht“ hatte am 6. November 2018 Oksana Pokalchuk, Leiterin von Amnesty International in der Ukraine, diese Nachricht auf ihrer Facebook-Seite kommentiert. Neben Amnesty International hatten sich auch die Menschenrechtsgruppe Charkiw, das Committee to Protect Journalists, der internationale PEN-Club, Reporter ohne Grenzen für den kritischen Journalisten eingesetzt. 

Staatlicher Schutz ungenügend

Doch inzwischen nehmen die Nachstellungen usbekischer Geheimdienstler in der Ukraine gegen den oppositionellen Journalisten wieder zu. Und genau deswegen sucht Ochunschonow ein Land, das ihm nicht nur einen Flüchtlingsstatus gibt, sondern das ihn auch vor derartigen Nachstellungen schützen kann. 

So berichtet er in einem Gespräch mit Bernhard Clasen: „Angefangen haben die Nachstellungen 2017, während meiner Haft. Da wurden meine Frau und meine Kinder von Fremden bedrängt, die an die Tür klopften und hereingelassen werden wollten. Am 15. März 2018 hatten sie versucht, meine jüngste Tochter zu entführen. Am 6. November 2019 wollten sie mich direkt an unserem Hauseingang entführen.“

Narsullo Ochunschonow | Foto: Bernhard Clasen

Titelbild / Foto: Narsullo Ochunschonow | Foto: © Bernhard Clasen

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