Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, lieber Leser,

es ist spät und ich möchte lieber schlafen gehen. Ich habe aber von einem Freund eine Nachricht erhalten. Wieder einmal. Er weiß, dass ich über Tiermisshandlung schreibe. Und dass ich irgendwie versuche, einen Beitrag zu leisten, zum Wohle der Tiere. Also kam auch heute Abend so eine Nachricht. Danke. Dieses Danke spreche ich aber unter Zähneknirschen aus, denn was ich da zu lesen bekomme, verdreht mir den Magen. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, über bestimmte Gräueltaten zu lesen und es als etwas hinzunehmen, das eben halt passiert. Aber ich muss diese Dinge lesen, sonst könnte ich nicht darüber schreiben. Also, her mit meinem Laptop und auf geht’s.

Ich entführe Sie nach Island. Ja, gut geraten: es geht um den Walfang. Dieser Artikel der TAZ ist kurz und prägnant. Die Hauptaussagen? Walfang hat mit aller Wahrscheinlichkeit keine Zukunft mehr, Lizenzen werden trotzdem vergeben. Außerdem gehen diese wundervollen Tiere durch einen schrecklichen Todeskampf, der zwischen einigen Minuten und im schlimmsten Fall zwei Stunden dauern kann. Können Sie sich das vorstellen? Schließen Sie die Augen und denken Sie daran, mit einer oder mehreren Wunden zu leiden, aber stundenlang da zu liegen, im Sterben, während man Ihnen die Haut runterreißt und Sie in Stücke schneidet. Unvorstellbar oder? Aber wahr.

„Nur zwei Drittel der Wale starben oder verloren das Bewusstsein nach weniger als einer Minute, nachdem sie von einer Sprengharpune getroffen worden waren. Fast ein Viertel musste mehrfach harpuniert werden, einige drei- oder viermal. Im Schnitt zeigten die Tiere erst gut elf Minuten nach Eindringen der Harpune kein Lebenszeichen mehr. Bei einzelnen Walen dauerte der Todeskampf ein bis zwei Stunden.“

Einige Tiere müssen mehrfach harpuniert werden – was für ein Unmensch kann so etwas vollbringen? Weil das Fleisch so begehrt ist und weil das ein so lukratives Geschäft ist?

Es ist die erste offizielle isländische Regierungsstudie dieser Art, die bestätigt, was Wal- und Tierschutzorganisationen dieser Art des Walfangs schon lange vorwerfen: eine ebenso unnötige wie grausame Tierquälerei.“ Diese Studie, worüber gesprochen wird, hat wenigstens eine klare Nachricht:„Kein Tier, unabhängig davon, wie es getötet wird, sollte über einen so langen Zeitraum leiden müssen.“ Und für die isländische Tierschutzorganisation Dýraverndarsamband Íslands (DÍS) gibt es jetzt nur eine Konsequenz: „Es darf in Island nie mehr Lizenzjagd auf Wale geben.“

Was ist besonders schlimm finde:

Das Fleisch wurde nach Loftssons (der Walfänger, der interviewt wurde) Aussagen zu 90 Prozent nach Japan exportiert, weil es in Island selbst dafür so gut wie keine Nachfrage gibt. Die meisten Experten meinen, dass dieser Fang mit enormen Verlusten verbunden war. Loftsson selbst bestreitet das.“ Ein weiterer Artikel der TAZ hatte speziell darüber berichtet:

„Der von dieser Lobby erhoffte wirtschaftliche Erfolg stellte sich aber nie ein. Von Anfang an gab es Schwierigkeiten mit der Vermarktung des Walfleischs. Die IsländerInnen essen so gut wie keines. Zum größten Absatzmarkt auf der Nordatlantikinsel entwickelten sich deshalb die Touristenrestaurants in der Hauptstadt Reykjavík, die UrlauberInnen trotz der Boykottaufrufe von Walschutzorganisationen erfolgreich mit dem „exotischen Erlebnis“ lockten. Jahrelang konnte das Fleisch auch nach Japan exportiert werden. Seit 2019 fand man aber auch dort keinen Abnehmer mehr. Was der Hauptgrund dafür sein dürfte, warum ab diesem Jahr auch auf einen weiteren Fang verzichtet wurde.“

„Die Studie kam zustande, weil die Regierung im August 2022 neue Bestimmungen einführte, die Hvalur zwangen, den Fang von Vertretern der norwegischen Fischereibehörde an Bord und mit Überwachungskameras dokumentieren zu lassen. Bis dahin hatte es nur eine nachträgliche Kontrolle durch Veterinäre nach dem Anlanden der harpunierten Meeressäuger gegeben.

Die Auswertung zeige eindeutig, dass es zu lange dauert, bis die Wale sterben, sagte Hrönn Ólína Jörundsdóttir, Chefin der Lebensmittel- und Veterinärbehörde MAST.“

Besonders erschütternd finde ich diese Aussage: „Gleichzeitig liege aber formaljuristisch kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor, denn der Fang sei eben nach der derzeit bestmöglichen Praxis erfolgt, konstatierte sie. Was allerdings die Frage aufwerfe, ob es jemals eine Jagd auf Großwale unter Einhaltung der Ziele des Tierschutzgesetzes geben könne.“

Was hat „formaljuristisch“ mit Tierwohl zu tun? Entweder will man Tiere retten und vor Misshandlung schützen oder es handelt sich um ein pures Feigenblatt. Dies erinnert mich an eine Initiative im Rahmen der Eurogroup for Animals über das Wohlergehen von Equiden. Dabei kam auch deutlich zum Vorschein, dass oft die Tierschutznomen sehr wohl vorhanden sind. Sie werden aber nicht eingehalten. Und eine Norm ist nur so gut, wie man sie zur Geltung bringt und das erfolgt meist erst durch Kontrollen und Sanktionen. Die es leider nicht immer gibt, die es zu selten gibt, weil es ja ein wirtschaftlicher Aufwand ist, diese umzusetzen.

Doch Island ist nicht das einzige Land, welches diese grausame Praxis weiterführt. Japan liegt da in gar nichts hinten. Der wohl eklatanteste Unterschied: Japan verkauft diese Jagd als „Forschungstätigkeit“. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern als Teil deren „Research Activity„. Und der Rest der Welt ist so dumm und kauft ihnen das ab. Sea Shepherd, an erster Front Paul Watson der Gründer, bekämpfen seit etlichen Jahren, diese unvorstellbar schreckliche Praxis. Allerdings mussten auch sie sich letzthin – hoffentlich nur vorübergehend – als geschlagen geben :

Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd wird darauf verzichten, in der kommenden Saison die japanischen Walfänger in den Gewässern vor der Antarktis zu behindern. Aktivist Paul Watson erklärte, dass seine NGO nicht mehr mit Tokios Aufrüstung bei der Kontrolltechnologie mithalten könne: „Japan setzt mittlerweile militärische Überwachung ein, die per Satellit alle Bewegungen der Sea Shepherd-Schiffe in Echtzeit verfolgt. Wenn die Japaner wissen, wo unsere Schiffe sind, können sie uns leicht aus dem Weg gehen.

Hier mehr zu dieser Organisation, das ist echt lesenswert.

„Island will 2024 den Walfang beenden – aber nicht aus Tierschutzgründen.“ Nun ja, aus welchen Gründen immer, Hauptsache, dass! Übrigens, dieses Video ist harmlos, Sie können es beruhigt anschauen. Hier hingegen wird es langsam grausamer. Diesen Beitrag werden die wenigsten unter Ihnen verkraften, aber er legt den Finger in die Wunde.

Je weiter mich meine Recherche führt, desto erschreckender finde ich diese ganze Geschichte (Pro Wildlife):

„Islands Regierung gibt bislang einem Millionär das Monopol auf das Töten der zweitgrößten Tierart der Welt, den Finnwal (bis zu 24 Meter lang und bis zu 70 Tonnen schwer). Kein anderes Land bejagt diese bedrohte Art, kein anderes Land hat in den letzten 20 Jahren solche Berge an Walfleisch exportiert wie der nordeuropäische Inselstaat. Von 2019 bis 2021 ruhten die Harpunen, die Fangflotte blieb im Hafen – und Anfang 2022 kündigte Islands Regierung an, die Quoten ab 2024 nicht mehr zu genehmigen.Doch zu früh gefreut: 2022 fuhren Loftssons Schiffe wieder aus und töteten 148 Finnwale.“ Und weiter:

„Island war früher eines der aktivsten Walfangländer: Tausende Blau-, Finn-, Sei- und Buckelwale starben von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1989 in isländischen Gewässern. Das kleine Land profitierte vor allem von den Exporten von Walprodukten nach Japan. Nachdem 1986 das kommerzielle Walfangmoratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Kraft trat, verließ Island wutentbrannt die IWC und hoffte auf fortwährende Exporte nach Japan. Doch Japans Gesetze verbieten den Import von Ländern, die nicht Mitglied der IWC sind. Island setzte 14 Jahre mit der Jagd aus, trat 2003 wieder in die IWC ein – diesmal mit einem formellen Einspruch gegen das Walfangmoratorium. Seither sind mindestens 1.000 Finnwale und 454 Zwergwale mit Explosivharpunen getötet worden (Stand: Okt 2022).“

Und hier kehrt der Namen von vorhin wieder zurück: „Der Finnwalfang Islands ist in der Hand eines einzigen Unternehmers, Kristján Loftsson. Loftsson ist nicht nur Geschäftsführer von Islands einziger Finnwalfang-Firma, der „Hvalur hf“, sondern gleichzeitig auch Mitglied der isländischen IWC-Delegation und einflussreicher Lobbyist in eigener Sache. 1974 hat Loftsson die Leitung von Hvalur hf nach dem Tod seines Vaters übernommen; er und seine Schwester sind bis heute die Hauptaktionäre.“

Wenn dieses Geschäft nicht mehr rentabel ist, warum dann weiter jagen? Es scheint fast, als wäre diese Loftsson von einem immensen Haß gegen diese Tiere erfüllt. Doch lesen wir weiter, denn das Lächerlichste kommt erst noch: „

„Nachdem Japan den Hochsee-Walfang im Sommer 2019 beendete, hoffte Loftsson auf wachsende Absatzmöglichkeiten – doch das erwies sich als Trugschluss: Zwar verschiffte Hvalur hf 2018 noch 1.700 t Finnwalfleisch nach Japan, doch die Lieferung erfüllte erneut nicht Japans Fleischhygienestandards. Mangels Absatzmöglichkeiten blieb die Hvalur-Fangflotte von 2019 bis 2021 im Hafen, u.a. auch weil Islands oberste Veterinärbehörde Loftsson verbot, die angelandeten Finnwale weiterhin unter freiem Himmel zu verarbeiten. Dieses Verbot zog die Veterinärbehörde im Oktober 2021 wieder zurück…

Trotz der erheblichen Absatzprobleme in Japan exportierte Island im Februar 2023 erneut Walfleisch nach Japan – diesmal etwa 2.500 Tonnen mit einem angeblichen Marktwert von 18,7 Mio. Euro. Dies war die größte Walfleischlieferung seit 35 Jahren. Ob diese Rekordmenge die japanischen Hygienestandards erfüllt oder erneut im Hafen liegenblieben, ist bislang unbekannt (Stand Februar 2023).“

Fazit: Das alles muss aufhören: aber wie kann jeder von uns dazu beitragen? Leben wir in Harmonie mit den Tieren, wenn wir in Urlaub nach Island fahren, dann boykottieren wir die Restaurants, die Walfischfleisch als Attraktion anbieten. Reden Sie mit den Leuten dort über unsere Entrüstung über den Walfang. Hier eine Webseite CETACEA die recht gute Tipps gibt:

„Besuchen Sie die Websites von Walschutzorganisationen und informieren Sie sich, wo Sie sich einmischen können. Das geht auch so, ohne dass Sie bei der jeweiligen Organisation Mitglied sind. Gelegentlich gibt es Petitionen oder digitale Unterschriftenaktionen zum Walschutz.“

Wir dürfen unsere „Big Gentle Giants“ der Meere nicht in Stich lassen. Bitte reden Sie mit Freunden und Familie darüber – Danke IAMA

Titelbild: skinner08 CC BY-NC 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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