Beitrag von Vesna Caminades
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Seepferdchen bleiben sich ein Leben lang treu und das Kinderkriegen ist Zuständigkeit des männlichen Pferdchens. Beim Tiger schaut das etwas anders aus, nach dem Paaren sucht das Männchen das Weite. Welch ein Gegensatz, nicht wahr? Trotzdem sind beide vom Aussterben bedroht und dies unter anderem dank der TCM – die traditionelle chinesische Medizin. Die Faktenbox:
- TCM geht auf das dritte Jahrhundert v. Chr. zurück und deckt praktisch jedes denkbare Leiden ab
- Mit einem jährlichen Geschäftswert von ca. 60 Milliarden Dollar ist die TCM ein extrem lukrativer Wirtschaftszweig
- Aufgrund der Tradition und des Placebo-Effektes werden jährlich enorm viele Tiere umgebracht, die meist soundso bereits vom Aussterben bedroht sind: Tiger, Seepferdchen, Nashorn, aber auch Schuppentiere und letzthin vermehrt Esel
- In vielen Fällen ist die Heilwirkung der Medikamente mit Tierkörperteile nicht nachgewiesen und sie könnten meist durch andere Heilmittel ersetzt werden
Leider boomt dieses Geschäft in letzter Zeit wieder
Die TCM oder traditionelle chinesische Medizin ist rund 5000 Jahre alt. Es handelt sich um Aufzeichnungen zu Beobachtungen, die mit der Zeit verfeinert und ergänzt wurden. Sie wird oft wegen der mangelnden Wirksamkeit, insbesondere aber als Ursache für das zunehmende Aussterben bestimmter Tierarten angeprangert. In letzter Zeit wird sie wieder vermehrt als Alternative zur herkömmlichen Medizin zu Rate gezogen, somit nimmt auch die Verwendung der tierischen Heilelemente wieder drastisch zu. Die TCM verwendet grundsätzlich drei Mittel: Heilkräuter, Mineralien und Körperteile von Tieren – 90% der eingesetzten Bestandteile gehen allerdings auf Heilkräuter zurück. Für den Rest müssen jedoch Tausende und Abertausende Lebewesen leiden und sterben.
Ca. 30% des Gesundheitssektors basieren auf die TCM, das bedeutet mit anderen Worten ein enormer Umsatz. Viele Universitäten bieten Ausbildungen in TCM an und es gibt in China rund 500.000 TCM-Ärzte. Laut dem American College of Traditional Chinese Medicine (Vizepräsidentin Lixin Huang) wäre es nicht von Hilfe, bedrohte Tierarten zu jagen. Die Heilüberzeugung beruht insbesondere auf Tradition und Kultur. Der Glaube besagt, dass die Kraft und Eigenschaften des Tieres durch die Einnahme dessen Körperteiles auf den Menschen übergehen.
Genauso sind in Asien viele Menschen davon überzeugt, dass je mehr ein Tier vor dem Sterben leidet, desto schmackhafter das Fleisch danach ist. Daher werden Hunde und Katzen auf den sogenannten „Dog meat festivals“ (siehe zum Beispiel Yulin) schrecklich gefoltert sowie lebendig gehäutet, verbrannt und gekocht. Hier ein Interview des deutschen Arztes Ferdinand Schäfer zu diesem Thema (es sind einige beeindruckende Bilder zu sehen).
Kommen wir aber zurück zur Tradition und zur Frage, wie einige der 1500 Tierarten wirken, die im Rahmen der TCM Verwendung (und Verendung) finden:
Seepferdchen oder Hippocampus gilt in Asien als Wunderdroge. Im Jahre 2000 wurden davon 24 Millionen gehandelt, entweder als Pulver, Pillen oder Tinkturen. Der erwünschte Effekt? Steigerung der Manneskraft oder des Milchflusses, ob dies letztendlich effektiv erzielt wird, bleibt offen. Dass sie vom Aussterben bedroht sind, scheint wohl klar zu sein. Leider haben diese Pferdchen kein Fluchtverhalten entwickelt. Sie sind sehr gut getarnt, aber geübte Jäger können sie gerade deshalb sehr einfach „pflücken“. Das Schlimmste dabei ist, dass diese kleinen Lebewesen sogar als Schlüsselanhänger verwendet werden – unglaublich! Westafrika ist ein besonders großer Lieferant von Hippocampus wie man in diesem Video erfährt.
Genauso erschreckend scheint mir auch die Tatsache, dass letzthin vermehrt Insekten beispielsweise Ameisen beim Nägellackieren als Sondereffekt mit dem Lack vermischt werden; ich frage mich einmal mehr: warum bloß? Hier geht es nicht einmal um ein Medikament, sondern rein um Eitelkeit.
Nashorn – Das Pulver des Hornkegels soll gegen Fieber helfen, allerdings ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Wirkung bei weitem nicht mit jener des Wirkstoffs ASS (Acetylsalicylsäure) gleichzusetzen ist. Um die Tiere zu schützen, haben die Wildhüter begonnen, ihnen kurzerhand das Horn abzusägen, damit die Nashörner für Wilderer uninteressant werden. Leider haben die Schmuggler aber sofort eine andere Quelle gefunden: die Saiga-Antilope. Innerhalb von 20 Jahren ist deren Bestand auf ein 20tel reduziert worden.
Tiger – Seit 1993 sind Tigerkörperteile in China tabu dank des nationalen Handelsverbots, klingt eigentlich gut. Wenn es aber nicht auf legale Art und Weise geht, dann eben illegal – und der Schwarzhandel blüht. Leider werden im Falle des Tigers fast allen Körperteilen Heilkräfte zugeschrieben, sogar den Barthaaren. So soll Tigerkot gegen Alkoholkonsum helfen…Eine einzige gute Nachricht: der berühmte „Tigerbalsam“ enthält keine Tigerkörperteile. Er geht lediglich auf den Namen des Erfinders zurück, der „Haw“ hieß (übersetzt „Tiger“).
Dazu ist zu sagen, dass laut einer Nachricht von 2018 in der „Neuen Zürcher Zeitung“ China die Verwendung von Nashorn und Tiger doch nicht wieder zulassen wollte. Allerdings bedeutet dies kein absoluter Erfolg, denn leider läuft die Zulieferung über den Schwarzmarkt und dies auch aus Nachbarländern wie Vietnam.
Genauso wurden in China und einigen asiatischen Ländern von den Regierungen genehmigte Bären- und Tigerfarmen gegründet, um die Wilderei zu unterbinden. Doch in vielen Fällen stammten die Tiere aus der Wildnis. Und ehrlich gesagt, wo liegt der Unterschied, ob man nun ein frei geborenes Tier oder ein gezüchtetes Tier foltert und tötet? Hat das erstere Glück gehabt, weil es wenigstens eine gewisse Freiheit genossen hat? Das kann doch nicht Sinn machen!
Schuppentier – Die kleine Ameisenfresser werden gejagt und getötet, um deren Schuppen zu einer Paste zu verarbeiten, die angeblich bei Arthritis helfen soll; hier ein Video dazu (Schuppentiere zählen zu den am stärksten bejagten Säugetieren der Welt. Sie werden in Afrika wegen ihres Fleisches gehandelt und die traditionelle chinesische Medizin schreibt den Schuppen wie gesagt Heilkräfte zu. Die Polizei in Thailand stellte knapp 3 Tonnen der Schmuggelware mit einem Marktwert von an die 800.000 Euro sicher – leider sagt das Video nicht, wann dies geschah.)
Moschus – Da müssen insbesondere die männlichen Tiere wegen ihrer Duftdrüsen herhalten, die gerne für Nervenpräparate verwendet werden; leider werden aber sehr oft auch (im Fehler) Weibchen und Jungtiere getötet…. Nun ja, wenn man ca. 30,000 Euro pro Kilo kassieren kann, dann wird im Fall eines Fehlschusses mit aller Wahrscheinlichkeit ein Auge zugedrückt – oder beide.
Bären – Mehrere Tausende werden auf sogenannte „Bären- oder Gallenfarmen“ gehalten; Animal Asia bekämpft insbesondere die Haltung der Kragenbären. Sie werden in Käfigen gehalten, die kaum größer sind, als die Bären selbst, wobei sie einen permanenten Katheter haben, der gegebenenfalls auch rosten oder anderswie eine Infektion verursachen kann; warum? Bärengalle wird wegen der Ursodeoxycholsäure gegen Augenbeschwerden, Fieber oder zum Beispiel Hämorrhoiden verschrieben. Nur am Rande bemerkt, heutzutage kann man diese Säure auch künstlich herstellen – unnötig also, Tiere derart zu foltern und zu misshandeln; hier ein Video von Vierpfoten zur Kragenbärin Hai Chan in Gefangenschaft und hier als sie gerettet wurde und ihre Freiheit genießt.
Esel und chinesische Medizin? Die Antwort lautet „Eijao“ – das ist die chinesische Gelatine, die von Erkältung bis Altersgebrechen alles heilen soll. In Blöcken verkauft, kann sie bis zu 330 Euro pro Kilo lukrieren. China produziert davon laut „China Daily“ 5,000 Tonnen jährlich. Das heißt umgerechnet 1,650,000,000 Euro oder aber 4,000,000 Eselhäute – vier Millionen! In Senegal, Botsuana, Mali, Burkina Faso (hier riskieren die Esel bis 2023 total zu verschwinden) und Gambia gelten Beschränkungen für den Handel mit Eseln. Also werden sie gestohlen oder auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Kenya erlaubt diesen Handel mit Eseln, dafür werden sie auf sehr langen Strecken ohne Wasser und Futter transportiert. Wenn sie Glück haben, sterben sie unterwegs, denn es erwartet sie ein schreckliches Schicksal. Für die Eselhäute werden insbesondere in Afrika Esel nicht nur gezüchtet oder gekauft, sondern außerdem sehr oft gestohlen. Laut der britischen Organisation Brooke, die sich für den Schutz von Eseln und Arbeitspferden einsetzt, sind unter den täglich(!) 400 geschlachteten Eseln in Kenia, zahlreiche geklaute Tiere. Wenn 2016 ein Esel noch ca. 40 Euro kostete, lag der Preis zwei Jahre später bereits bei ca. 170 Euro – also das Vierfache. Viele Bauern in Afrika, für die ein Esel alles ist, können sich somit aufgrund der katastrophalen Preissteigerung infolge der erhöhten Nachfrage sei ein Tier nicht mehr leisten. China investiert massiv in den Handel mit Eselshäuten in Afrika. Daher wurden die Einfuhrzölle nach China von 5% auf 2% gesenkt. Hier ein Video von Peta dazu.
Dies sollte einen Überblick geben, wofür Tiere in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet werden. Als diese Körperteile werden in Form von Pulver, Salben oder Tinkturen eingenommen und sollen wie gesagt, anscheinend Wunder wirken. Eines ist sicher: die Tiere erleben sicherlich kein Wunder – ganz im Gegenteil; und ob die Patienten wirklich diese unglaublichen Heilwirkungen erzielen, bleibt fragwürdig.
Das Paradoxon ist, dass viele TCM-Berufsverbände in China dazu aufrufen, keine tierischen Produkte zu verschreiben; unter anderem weil die Qualitätskontrolle schwierig ist, wenn die „Rohstoffquelle“ – also die Tiere – aus der freien Wildbahn und nicht aus Zuchtbetrieben stammt. Das hilft aber leider nicht viel, denn der Schwarzmarkt blüht.
Wie man sieht, ist der Schmuggel besonders wichtig, um diese Tradition weiterhin am Leben zu halten. In Afrika wird zum Beispiel eine besonders innovative Methode gegen Elefanten-Wilderer eingesetzt – Dronen. Hier wird sehr gut erklärt, wie das funktionieren soll. Das hier ist Hope, ein Nashornweibchen, das von den kriminellen Banden eingeschläfert wurde, um ihr das Horn abzusägen. Wenn man das sieht, dann versteht man, wie wichtig der Einsatz der Tierschützer weltweit ist. Quelle: dpa
Für all die Tiere, die aufgrund von Tradition und Überlieferungen derart leiden müssen, ist ein dringendes Umdenken notwendig. Nicht nur für diese natürlich, sondern auch für diese. Um PETA zu zitieren „Medizin aus Tieren passt nicht in dieses Jahrhundert“. Deswegen ist es so wichtig, darüber zu schreiben und zu lesen, damit man weiß, was vor sich geht. Besonders die junge Generation kann da einen enormen Unterschied bewirken. Zum Wohle der Tiere – IAMA
Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.
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