Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

haben Sie jemals zugeben müssen, dass Sie „jemandem auf den Leim gegangen sind“? Nun, das wäre nichts Positives gewesen, denn damit meint man, dieser Jemand hätte Sie überlisten können. Doch dieses Sprichwort hat leider einen sehr traurigen und schmerzhaften Ursprung. Leimruten wurden und werden heutzutage noch eingesetzt, um Vögel zu fangen. Der Grund? Singvögel und andere Kleinvögel sind eben zu klein, als dass man auf sie losballern könnte. Da würde wohl nichts Essbares mehr übrigbleiben. Und da der Mensch ein so hoch intelligentes Wesen ist, hat er ein anderes System ausgeklügelt. Leimruten werden an beliebten Rastplätzen dieser kleinen Dinger ausgehängt. Dort landen die Vögel nichts ahnend und kommen nicht mehr weg. Füße und Federn bleiben kleben. Sie sterben meist aus Erschöpfung nach stundenlangem Kampf, um sich zu befreien. Und wenn sie sich zufällig befreien, dann sind sie nicht mehr imstande zu fliegen und fallen auf den Boden. Wenn sie wirklich Pechvögel sind, dann werden sie lebendig natürlich wieder an einen Ast angebunden, damit sie durch ihren Gesang andere Kleinvögel anlocken.

Ich frage mich immer wieder, „wie kann man nur so pervers sein“? Keine Ahnung wie es Ihnen gerade in dieser Zeit geht. Für mich ist es aber ein Geschenk, wenn ich früh morgens beim Aufstehen das Gezwitscher dieser kleinen gefiederten Freunde höre, das gibt soviel Freude. Natürlich darf man nicht vergessen, dass sie auch einen wesentlichen Bestandteil der Biodiversität darstellen. Stellen Sie sich einmal vor: was wäre unsere Welt ohne Singvögel? Wir können groß über SDGs (Sustainable Development Goals) etc. schreiben und debattieren, aber wenn wir im 21. Jahrhundert noch solche Gräueltaten akzeptieren, dann sind wir wohl irgendwo falsch unterwegs. Aber! Eine gute Nachricht gibt es. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat Mitte März eine kolossale Entscheidung getroffen und dieser Sportart und Tradition, wie sie so gerne bezeichnet wird, in bestimmten Teilen Frankreichs den Garaus gemacht. Warum Frankreich? Es war das letzte Land in Europa, das die Leimfallen-Praxis noch erlaubte.

Hier dazu ein Artikel von Euractiv. Der EU-Gerichtshof in Luxemburg hat am Mittwoch, den 17. März 2021, eine traditionelle französische Vogeljagdpraxis unter Verwendung sogenannter Leimfallen verboten. Das Gericht argumentierte, es sei „wahrscheinlich, dass die mitgefangenen Nicht-Zielarten einen nicht vernachlässigbaren Schaden“ erleiden.

Das Gericht berief sich vor allem auf die sogenannte „Vogelschutzrichtlinie“ der EU. Darin heißt es, die Union solle alle „Mittel, Einrichtungen und Methoden für das massive oder wahllose Töten“, das zur lokalen Ausrottung einer Spezies führen kann, verbieten.

Das luxemburgische Gericht führte weiter aus, dass der besagte Artikel „einer nationalen Regelung entgegensteht“, die abweichend von der EU-Richtlinie diese Fangmethode zulässt und dabei zu Beifängen führt. Auch wenn diese Beifänge „mengenmäßig gering und zeitlich begrenzt sind, sind sie geeignet, der gefangenen Nicht-Zielart einen nicht vernachlässigbaren Schaden zuzufügen.“

Nun, ich bin klarerweise überglücklich. Nur ein kleiner Wermutstropfen. Kann es sein, dass ein Richter nahezu nach Strohhalmen greifen muss, um so einem eklatanten Fall von Tiermisshandlung ein Ende zu bereiten? Warum kann es nicht simpel und einfach heißen: „Diese Jagdmethoden sind der Tiermisshandlung gleichzusetzen, vor allem, weil sie dem Tier stundenlange Schmerzen und Pein zufügen, etc. Daher handelt es sich eindeutig um Tiermisshandlung, welche zu verurteilen und abzuschaffen ist.“ Nicht, dass andere Jagdmethoden zu befürworten wären. Wir sind ja nicht in der Steinzeit oder unter den Indianern in Amerika, die noch Jagd auf Büffel usw. machten, um zu überleben. Wir brauchen die Jagd heutzutage sicher nicht fürs Überleben. Meistens ist es ein reiner Zeitvertreib, ein Sport. Wobei ich unter Sport ganz ehrlich gesagt, etwas Schönes, Faires verstehe, worauf man stolz sein kann. Außerdem haben unsere Ahnen – nur nebenbei erinnert – dem erlegten Tier gedankt und seinem Geist eine gute Weiterreise gewünscht. Sie haben ihm Ehre erbracht. Was erbringen wird den erlegten Tieren heutzutage? Gar nichts. Maximal beklagen wir uns, dass das Geweih doch nicht so imposant ist oder wenn wir Wild kaufen, dass es so teuer ist. Wie sagt man in solchen Fällen? Shame on us!

Doch zurück zu unserem Leim und zu unserer Rute, die hoffentlich bald nirgends mehr in den Bäumen hängen werden. Hier ein sehr gut geschriebener Artikel von der Wildvogelhilfe.org dazu.

Wenn Sie sich nichts unter dieser Folterpraktik vorstellen können, dann schauen Sie sich mal dieses Bild an, und stellen Sie sich vor, an der Stelle dieses kleinen Geschöpfs zu sein.

Auf einer Leimrute gefangene Klappergrasmücke | Foto: Komitee gegen den Vogelmord e.V. Die Wiedergabe des Fotos erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Komitees.

Das Bild findet sich auf der Webseite des Komitees gegen Vogelmord e.V.,die nicht unwesentlich zu dem EuGH-Urteil beigetragen haben, und hier beeindruckende Aussagen:

„Besonders begehrt sind „Ambelopoulia“ – Mönchsgrasmücken. Sie sind eine beliebte Delikatesse aus Zypern. Aber Leimruten fangen wahllos alles, was sich auf ihnen niederlässt. In dem Kochtopf landen grundsätzlich alle Insektenfresser unter den Langstreckenziehern: Neben Mönchsgrasmücken sind die häufigsten Opfer Garten- und Klappergrasmücken, Waldlaubsänger, Gartenrotschwänze, Trauer- und Halsbandschnäpper, Nachtigallen, Sprosser und Rotkehlchen. Auch Bienenfresser (die zum Teil ganz gezielt gefangen werden), Zwergohreulen, Pirole und Grauortolane enden auf den Leimruten, ebenso wie endemische Arten wie die Schuppengrasmücke. Insgesamt haben wir inzwischen mehr als 60 Vogelarten auf Leimruten gefunden, mehr als die Hälfte von ihnen europaweit bedroht. Damit richten die Vogelfänger auf Zypern einen weitaus größeren Schaden an, als die meisten ihrer Kollegen in Frankreich, Spanien oder Italien.“

Besonders unglaublich und enttäuschend finde ich, dass diese Fangart nicht nur Teil der Tradition ist, die für einen Ort wichtig ist, da es überliefert etc. Nein, da es etwas „Typisches“ ist, wird das vor allem für Touristen weiterhin praktiziert. Das bedeutet eindeutig, dass wir alle, die wir das Reisen lieben, uns bewusst sein müssen, welche Auswirkung unsere Entscheidungen haben. Mit anderen Worten, wenn ich in Zypern bin und dort unbedingt die Delikatesse „Singvogel“ auf meinem Urlaubsprogramm habe, dann bin ich nicht viel besser als diese gnadenlosen Leute, die mit Leimruten jagen. Dadurch, dass ich dies in einem lokalen Restaurant bestelle, fühlen sie sich darin bestätigt, dass es für sie eine wichtige Einnahmequelle bleibt. Gerne können Sie hier nachlesen, was Sie bewirken, wenn Sie dieses Gericht im typischen Gasthaus bestellen (Tierwelt.ch) Erlauben Sie mir bitte, eine Klammer aufzumachen: Dies gilt übrigens für viele anderen Highlights, die uns als Touristen angeboten werden: der Ritt auf dem Elefanten oder auf dem Kamel, das Foto mit dem Tiger oder Löwen, das Spielen mit Schlangen, die Attraktion mit Affen und Bären, die wie dumm tanzen müssen. Bei all diesen Fällen von Tiermisshandlung können wir eingreifen, indem wir Nein sagen und uns weigern mitzuspielen. Zurück zu unserem Leim:

„Denn wenn das Vögelchen auf einer Rute landet, klebt es mit seinen Füssen fest und kippt vornüber. Beginnt es zu flattern, verkleben auch seine Flügel, der Schwanz, manchmal sogar der Kopf, wenn es sich mit dem Schnabel befreien will. Oft hängt das Rotkehlchen dann stundenlang am Baum.
Wir sind auf Zypern, der schönen Urlaubsinsel mit ihren weissen Stränden, dem blauen Wasser, der heissen Sonne. Was viele Strandgäste nicht wissen: Im Landesinnern sterben derweil massenweise Singvögel einen grausamen Tod. 800 000 werden allein auf Zypern jedes Jahr gefangen und gegrillt oder mariniert als «Ambelopoulia» aufgetischt, eine traditionelle Delikatesse. Im gesamten Mittelmeerraum sollen es 25 Millionen Singvögel sein. Dabei ist die Vogeljagd mit Leimruten und Fangnetzen auf Zypern bereits seit 1974 verboten.“

Besonders entsetzlich…:

„Wie kann es sein, dass diese Wilderei trotzdem kein Ende nimmt? «Dahinter steckt eine Mafia, und die Polizei spielt mit.» Mários, der seinen richtigen Namen nicht nennen will, arbeitete bis vor zwei Jahren bei einer Anti-Wilderei-Einheit der griechisch-zypriotischen Polizei, dann wurde er versetzt. Sein Chef begründete das mit einem Personalentscheid, er selber sieht es anders: «Ich weiss einfach zu viel.» Viele Polizisten, behauptet Mários, würden mit den Jägern kooperieren. Korruption sei weit verbreitet auf der Insel.

Und subtil. Er nennt als Beispiel Wilderer, die von der Spezialeinheit beim Aufhängen eines Netzes überführt und gebüsst werden. Das sehe gut aus für die Polizeistatistik. In Wahrheit sei es ein abgekartetes Spiel. «Wurden die Jäger einmal angezeigt, lässt man sie gegen Geld in Ruhe.» Dann kämen die Wilddiebe zurück – aber diesmal nicht nur mit einem Netz, sondern gleich mit einem Dutzend Netzen. Seinen Vorgesetzten hatte Mários schon früh über diese Vorfälle berichtet. Doch sei er ignoriert, später unter Druck gesetzt und zuletzt bedroht worden. Inzwischen erledigt er auf der Polizeistation nur noch den Papierkram. Gleichwohl schaut Mários jeden Morgen unter sein Auto. Er fürchte die Vogel-Mafia, wie er sie nennt.“

Irgendwie erinnert mich das an die Praktiken in Südeuropa, um Oliven zu sammeln, die dann zu Öl verarbeitet werden. Können Sie sich noch erinnern, wie durch den Einsatz der Maschinen vor allem in der Nacht mit extrem starken Lichtern die schlafenden Vögel aufgeschreckt werden, erstarren und somit mit den Oliven von den Bäumen gerissen werden und qualvoll enden? Ich hatte vor einiger Zeit hier darüber berichtet .

Vielleicht an dieser Stelle ein kurzes Update dazu, denn ich wurde bereits gefragt „Wo kann man denn Olivenöl finden, dass diesen Kriterien “FAO GIAHS“ (Globally Important Agricultural Heritage System) entspricht?“ Es stellte sich heraus, dass es eigentlich kein eigentliches Siegel ist, welches man auf den Etiketten wieder findet, da diese Auszeichnung von einer UN-Agentur vergeben wird. Dieses Fao Giahs bezeichnet somit Gebiete, die nach bestimmten Kriterien arbeiten, die besonders umweltfreundlich sind. Seit 2005 hat die FAO bereits 62 Anlagen in 22 Ländern als landwirtschaftliche Kulturerbestätten ausgewiesen, und aktuell sind 15 neue Vorschläge aus 9 verschiedenen Ländern eingegangen. Diese Bezeichnung ist allerdings nicht dafür bestimmt, wie zum Beispiel „EVOO“ (Extra Virgin Olive Oil) auf Etiketten abgebildet und somit kommerziell ausgenutzt zu werden. Dies die Erklärung des GIAHS-Sekretariats, auf eine Anfrage einer Leserin, die dies mit mir geteilt hat (Danke noch dafür an dieser Stelle!). Auf der offiziellen Webseite des Sekretariats findet man weitere Informationen dazu, so unter anderem Informationen zu den ausgezeichneten Gebieten in Italien und Spanien.

Wie ich das also verstehe, könnte man davon ausgehen, dass Olivenöl, welches aus den Gegenden Assisi und Spoleto kommt, diesen Kriterien entspricht. Doch es ist nicht klar, ob man so einfach diese Schlussfolgerung ziehen kann. Denn es gibt ja nicht nur einen Produzenten und ich frage mich wirklich, wie dies überprüft wird. Es wäre effektiv für uns Konsumenten einfacher, wenn ein entsprechendes Siegel auf der Flasche zu finden wäre.

Wie wir sehen, geht es den Singvögeln so oder so an den Kragen. Besonders interessant ist dieses Video, welches die Jagd auf Vogeljäger in Malta darstellt. Leider und unglaublich werden dort nicht nur die Singvögel eingefangen, sondern auch Greifvögel abgeschossen, die dann ausgestopft sehr teuer verkauft werden (bis zu 5.000 EUR pro Stück). Souvenirs für Touristen?

Hier allgemein noch ein paar Videos zum Thema Leimrutenjagd. Bilder sagen ja mehr als tausend Worte. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht vergessen, dass leider auch mit Fangnetzen gearbeitet wird – muss nicht humaner sein, nur weil es derzeit weniger Schlagzeilen macht. Wir brauchen allerdings nicht so weit zu reisen, um mit solchen Dingen konfrontiert zu werden. Hier ein Artikel zu einem Brauch aus Österreich. Brauchtum gegenüber Tierquälerei.

Einen Gedanken möchte ich noch mit Ihnen teilen. Es wurde ja argumentiert, dass in diesem Fall aufgrund der Vogelschutzrichtlinie geurteilt wurde und dass somit trotz Tradition, diese Art von Tiermisshandlung verboten ist. Ich frage mich aber, Stierkampf oder Stopfleber zum Beispiel zählen doch auch zur Tradition. Könnte man nicht auch eine „Stierschutzrichtlinie“ oder eine „Stopflebergansschutzrichtlinie“ erlassen? Oder vielleicht wollte ich eher statt Stierschutzrichtlinie, Tierschutzrichtlinie schreiben?

Unterm Strich bedeutet dies alles, dass jetzt zu Frühlingsbeginn wieder Millionen Vögel so oder so wieder den Jägern „entweder auf den Leim gehen werden“ oder „ihnen ins Netz gehen werden“. Bitte reden Sie mit Freunden, Familie und Bekannten darüber – Danke IAMA

Links zum Artikel

Titelbild: Yellow Finch by René Ardanuy CC BY-NC 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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