Am 31. März 2019 fanden in der Türkei Kommunawahlen statt. Die meisten Großstädte der Türkei, die bisher von der AKP beherrscht wurden, fielen an die CHP (türkische Sozialdemokraten) und im Osten der Türkei an die kurdisch geprägte HDP. Dieser Machwechsel auf kommunaler Ebene ist das Ergebnis eine politischen Kooperation zwischen der HDP und der CHP. In Städten, in denen die CHP erfolgversprechende Kandidat*innen aufgestellt hatte, verzichtete die HDP auf eigene Kandidat*innen und unterstützte die der CHP und umgekehrt.
Im folgenden veröffentlicht Europa.blog die deutschsprachige Übersetzung der englischsprachigen Version der Stellungnahme des KCK Executive Council zu den Kommunalwahlen.
AN UNSERE VÖLKER UND DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG.
Die türkische faschistische AKP-MHP-Regierungskoalition zielte darauf ab, die Kommunalwahlen am 31. März unter beispiellosen ungleichen Bedingungen zu gewinnen, indem sie maximalen Druck auf die Oppositionsparteien ausübte und die Wahlen zu einer Frage des Überlebens der Türkei und des Kampfes gegen in- und ausländische Operationen gegen die Türkei machte. Ziel war es, ihrer bereits untergrabenen und geschwächten Machtposition sozial und ideologisch Legitimität zu verleihen. Sie glaubten, dass sie ihre Macht durch eine Kriegspolitik im In- und Ausland aufrechterhalten könnten. Aber die Völker der Türkei und die demokratischen Kräften haben der „Überlebensdemagogie“ der AKP-MHP, mit der sie ihre Feindschaft gegenüber den Kurden, den Frauen, der Jugend, der Arbeit und der Demokratie rechtfertigten, einen großen Niederlage zugefügt. Sie wiesen die kriegstreibende und faschistische Politik der AKP-MHP-Koalition zurück, die auf der Rhetorik des „nationalen Überlebens“ beruhten. Sie reagierten auf die antikurdische Politik des AKP-MHP-Faschismus, indem sie das Prinzip der Brüderlichkeit der Völker sowie die Entschlossenheit und das Bewusstsein für das gemeinsame Leben förderten.
Die faschistische Koalition aus AKP und MHP erlitt eine große Niederlage in der Türkei und Kurdistan. Die Ära der staatlich ernannten Amtsträger, die den Willen des Volkes in Kurdistan untergraben, ist zu Ende. Sie haben zwar die Amtszeit einiger dieser parteipolitischen Amtsträger in Şirnak und anderen Städten verlängert, indem sie auf Wahlmanipulation und Wahlbetrug zurückgreifen, doch konnten sie eine große Niederlage in der Türkei und Kurdistan nicht verhindern. Die antikurdische und antidemokratische Politik der AKP und Erdogans ist gescheitert. Die schrumpfende MHP hat sich als Geldgeber dieser Politik erwiesen. Die Distanzierung der AKP von ihrer anfänglichen Rhetorik und Politik, die ihr 2003 zur Macht verhalf, führte zu ihrer Niederlage bei den Wahlen am 31. März 2019 und verhalf ihr zu dem Status einer kurzlebigen Partei. Die Fortsetzung der gegenwärtigen antikurdischen und antidemokratischen Politik wird das Ende der Herrschaft der AKP bedeuten.
Die Strategie, die die HDP bei den Wahlen am 31. März zu Recht verfolgt hat, wird weitreichende Auswirkungen auf die politische Zukunft der Türkei haben. Mit dieser Strategie haben die demokratischen Kräfte und die Kurden eine neue Ära des demokratischen Kampfes in der Türkei eingeleitet. Der gemeinsame Kampf der Völker der Türkei und ihre Ambitionen zur Schaffung einer demokratischen Verwaltung in der Türkei werden eine wichtige Rolle bei der Veränderung der politischen Einstellung in der Türkei spielen. Die Völker der Türkei zeigten ihre Haltung und Entschlossenheit, ihr Schicksal mit den Kurden teilen zu wollen. Sie wiesen die spaltende und polarisierende Politik der AKP-MHP-Herrschaft zurück und machten einen großen Schritt in Richtung demokratische Einheit der Völker. Die Wahlergebnisse vom 31. März werden, wenn sie von den demokratischen Kräften der Türkei ordnungsgemäß umgesetzt werden, einen Durchbruch in der türkischen Politik bewirken, das Ende der Krisen einläuten und die Türkei wird im 21. Jahrhundert von einem friedlichen und stabilen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Klima geprägt sein.
Wir beglückwünschen die Völker der Türkei, das kurdische Volk, die Arbeiterbewegung, die Frauen, die Jugend und alle demokratischen Kräfte zu ihrem Erfolg bei den Wahlen vom 31. März, die der Türkei eine neue Hoffnung gegeben. Die faschistische AKP-MHP-Koalition hat alle Städte verloren, die das Potenzial haben, eine Partei in der Türkei an die Macht zu bringen. Es ist schwierig für eine Partei, nach dem Verlust von Städten wie Istanbul, Ankara, Izmir, Adana, Mersin und Antalya noch an der Macht zu bleiben. Die faschistische AKP-MHP-Koalition, die bereits in Kurdistan unterlegen ist, befindet sich an einem Punkt, an dem sie die Türkei nicht mehr länger regieren kann.
Ausschlaggebend für die Verluste der faschistischen AKP-MHP-Koalition bei diesen Wahlen war der große Widerstand der Kurden und der demokratischen Kräfte in den letzten Jahren gegen die faschistische Unterdrückung. Sie haben es dank ihres Widerstandes geschafft, dass die faschistische Herrschaft keine totale Kontrolle erlangt hat, dass die Hoffnungen der demokratischen Kreise lebendig geblieben sind und dass der Faschismus am 31. März besiegt werden konnte. Der Widerstand des kurdischen Volkes gegen die aggressivsten Unterdrückungen und sein Beharren auf dem gemeinsamen Kampf für Demokratie zusammen mit den Völkern der Türkei haben das heutige politische Milieu geschaffen. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass das kurdische Volk die bedeutendste demokratische Kraft in der Türkei und im Nahen Osten verkörpert.
Die Ergebnisse dieser Wahl haben den Weg einer richtigen Politik für alle politischen Kräfte aufgezeigt. Es wurde deutlich, dass die Konzepte einer „demokratischen Nation“ und eines „gemeinsamen Heimatlandes“ die grundlegenden Probleme in der Türkei lösen und sie zu einem exemplarischen demokratischen Land machen können. Der Widerstand der DTK-Ko-Vorsitzenden Leyla Güven und ihrer Mitstreiter in türkischen Gefängnissen und in Europa, die darauf zielen, die Isolationshaft von Herrn Öcalan zu durchbrechen und den Faschismus zu besiegen, hat ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt, um den faschistischen Charakter der AKP-MHP aufzudecken und zurückzudrängen. Die Völker der Türkei und die demokratischen Kräfte haben die möglichen politischen Folgen erkannt, die die Beendigung der Isolationshaft in der Türkei, Kurdistan und im Nahen Osten mit sich brächte. Dieses Verständnis hatte maßgeblichen Einfluss auf die Niederlage des AKP-MHP-Faschismus bei den Wahlen am 31. März.
Das Ergebnis dieser Wahlen hat dazu geführt, dass die Völker der Türkei, alle politischen Kräfte sowie alle internationalen Mächte und Institutionen nun die Kräfte kennen, die Frieden und Stabilität in der Türkei wollen, sowie die Politik, die verfolgt werden sollte. Die bei diesen Wahlen konkret gewordene demokratische Union der türkischen Völker zeigt auch, wie die Lösung der Kurdenfrage aussehen könnte. Die Isolationshaft des politischen Führers APO (Abdullah Öcalan; A.d.R.) zu durchbrechen und letztlich seine Freiheit zu bewirken, ist für die Demokratisierung der Türkei äußerst wichtig. Die Niederlage des AKP-MHP-Faschismus am 31. März hat auch gezeigt, dass alle demokratischen Kräfte an dem von Leyla Güven und anderen Häftlingen begonnenen Kampf teilnehmen sollten, um die dem Führer APO auferlegte Isolationshaft zu durchbrechen; denn er wird eine wichtige Rolle spielen und einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der Kurdenfrage, der demokratischen nationalen Einheit der Völker der Türkei und der Schaffung einer demokratischen Türkei leisten. Seine 20-jährigen Bemühungen im Gefängnis Imrali sind ein Beleg dafür.
Der Erfolg des kurdischen Volkes und der demokratischen Kräfte sollte sich nicht nur auf die Wahlen beschränken. Sie sollten diesen Erfolg nutzen, um den AKP-MHP-Faschismus vollständig zu besiegen und die Türkei zu demokratisieren. Das gesellschaftliche, politische und psychologische Klima dafür ist bereits geschaffen. Die Absage an die antikurdische Politik der AKP-MHP-Regierung und ihre Demagogie des „nationalen Überlebens“ in Städten und Regionen, die das kulturelle, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Leben im Land bestimmen, hat eine große Chance eröffnet, einen Wandel in der Denkweise und der Entwicklung einer demokratischen Politik zu bewirken. Jetzt haben alle demokratischen Kräfte die Pflicht, den AKP-MHP-Faschismus vollständig zu besiegen und eine demokratische Türkei aufzubauen. Die Erklärungen der faschistischen AKP-MHP-Allianz, dass es in den kommenden vier Jahren keine Wahlen geben wird und jeder die Politik der aktuellen Regierung akzeptieren und den Kampf um Veränderungen stoppen sollte, sollten mit einer Erhöhung des Widerstands beantwortet werden. Der Kampf sollte mit allen demokratischen und legitimen Mitteln fortgesetzt werden. Denn was am 31. März geschah, war nicht nur ein Wahlsieg, sondern es war die Niederlage des AKP-MHP-Faschismus.
Der Prozess sollte nun dazu dienen, diese Regierung durch eine anti-kriegsorientierte, demokratische Politik zu Fall zu bringen.
Wir beglückwünschen das kurdische Volk und die demokratischen Kräfte zu ihrer Haltung und ihrem Erfolg bei den Wahlen vom 31. März und rufen alle auf, ihren Kampf zu verstärken, indem sie sich auf die vom 31. März inspirierte demokratische Union der Völker der Türkei stützen.
Co-Präsidentschaft des KCK Exekutivrat
3. April 2019
Titelbild: Dogan Ucar CC BY-NC-ND 2.0
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