Leseempfehlung von Jürgen Klute

Der Kerngedanke der Demokratie besteht darin, politische Macht zu begrenzen: zeitlich und inhaltlich. Zeitlich wird politische Macht durch Wahlen begrenzt. Inhaltlich wird politische Macht durch Verfassungen, durch Gesetze und durch die Gewaltenteilung (Regierung, Parlament, Rechtssprechung) begrenzt. Diese inhaltliche Begrenzung politischer Macht umfasst heute auch den Schutz von Minderheiten, um Mehrheitsdiktaturen bzw. Mehrheitsterror zu unterbinden. Denn Mehrheitswille bzw. „Volkes Stimme“ können kein Unrecht legitimieren. Die Grenze dessen, was Mehrheiten entscheiden können, wird durch den internationalen Menschenrechtskodex gezogen. Das ist nicht zuletzt eine Lehre, die aus dem deutschen Nazi-Terror gegen Juden, Roma und Sinti, gegen Polen, Ukrainer, Russen, gegen Homosexuelle, Menschen mit geistigen, psychischen und körperlichen Behinderungen, gegen politisch Andersdenkende, gezogen wurde.

Folglich ist eine Demokratie dadurch bestimmt, dass es ein Primat bzw. einen Vorrang des Rechts vor der Politik gibt.

Was in den USA seit dem 20. Januar 2025 unter Trump/Musk passiert ist eine Umkehr dieses grundlegenden Prinzips einer Demokratie: Trump/Musk respektieren nicht den Vorrang des Rechts vor der Politik, sondern sie wollen einen Vorrang der Politik vor dem Recht durchsetzen und damit der Willkür und dem Unrecht Tür und Tor öffnen – mit Verweis auf vermeintliche Mehrheiten.

In deutschen Medien findet die Zerstörung der Demokratie in den USA durch Trump/Musk bisher nur begrenzte Aufmerksamkeit. Bis her haben sich vor allem die beiden juristischen Webportale Legal Tribune online und der Verfassungsblog sowie die Blätter für deutsche und internationale Politik tiefergehend mit dem Abriss der Demokratie in den USA unter Trump/Musk befasst.

Kim Lane Scheppele, Professorin für Soziologie und internationale Angelegenheiten an der Universität Princeton (USA) dokumentiert in ihrem Beitrag „Trumps Gegenverfassung: ‚He who saves his Country does not violate any Law.‘“ für den Verfassungsblog, wie Trump mit Bezug auf die so genannte „Theorie der einheitlichen Exekutive“ („unitary executive theory“) und unter Nutzung der „executive orders“ die Verfassung aushöhlt und in ihr Gegenteil zu verkehren versucht.

Franz C. Mayer, Professor und Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht, Rechtsvergleichung und Rechtspolitik an der Universität Bielefeld, nimmt das verfassungsfeindliche Agieren von Trump in einem zweiteiligen Beitrag für Legal Tribune online unter die Lupe. Im ersten Teil seines Beitrags „Der amerikanische Albtraum Teil 1: Wie Trump Recht und Demo­k­ratie zer­stört.“ zeichnet Mayer ebenfalls den Prozess der Zerstörung der Verfassungsordnung durch Trumps Regierungshandeln nach. Zum Ende versucht er eine Antwort auf die Frage, wer die Zerstörung der us-amerikanischen Demokratie auf welche Weise noch stoppen könnte.

In Teil zwei von Mayers Beitrag geht es unter dem Titel „Der amerikanische Albtraum Teil 2: Eine transat­lan­ti­sche Ver­fas­sungs­krise?“ zunächst darum, dass Trump sich mit seiner Zerstörung der Demokratie nicht auf die USA beschränkt, sondern die Axt auch an das internationale Völkerrecht legt. Aus Mayers Sicht muss Europa bzw. genauer die EU sich dem entgegenstellen, um eine Zerstörung der internationalen Rechtsordnung zu verhindern. Schließlich fragt Mayer, welche Auswirkungen Trumps Demokratiezerstörung auf die Bundesrepublik haben kann und was die neue Bundesregierung dagegen tuen sollte.

Abgerundet wird diese kurze Liste von Artikeln aus bundesdeutschen Medien, die sich überhaupt für die dramatischen Entwicklungen in den USA interessieren und sie zudem als das bezeichnen, was sie darstellen, von einem Beitrag von Annika Brockschmidt für die Blätter für deutsche und internationale Politik. Unter dem Titel „Staatsstreich mit USB-Drives: Der digitale Putsch des Elon Musk.“ beschreibt sie in der März-Ausgabe 2025 der Blätter, wie Elon Musk die bundesstaatliche Verwaltung der USA in einem rasanten Tempo im Auftrag von Trump doch gleichwohl nach eigenem Gutdünken willkürlich sabotiert und zerstört.

Brockschmidt geht ebenfalls auf die „Theorie der einheitlichen Exekutive“ ein und legt dar, dass sie aus Sicht seriöser Juristen völlig haltlos ist und der Verfassung der USA entgegensteht.

Schließlich fragt Brockschmidt danach, wie Trump/Musk noch zu stoppen sind. Zum einen zeigt sie auf, dass Trump/Musk sich zwar uneingeschränkten Zugriff auf die Bundesebene der USA verschaffen können, dass sie aber keinen direkten Zugriff auf die Ebene der Bundesstaaten haben. Zudem gibt es die Gerichte – wobei die Frage ist, inwieweit Trump Gerichtsurteile ignorieren wird. Die Bundesstaaten und die Gerichte können zumindest Sand in das Getriebe des Zerstörungsprozess streuen und ihn so abbremsen. Ohne eine zusätzliche breite Protestwelle aus der Zivilgesellschaft wird das allerdings kaum ausreichen.

Im November 2026 stehen die nächsten Wahlen für das Repräsentantenhaus an. Gelänge es den Demokraten, dann eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erringen, wäre das ein wichtiger Meilenstein, um Trump/Musk Grenzen aufzuzeigen. Denn derzeit haben die Republikaner in beiden Kammern (Senat und Repräsentantenhaus) eine Mehrheit, so dass Trump von dort keine Gegenwehr befürchten muss. Das könnte sich mit den Wahlen im November 2026 ändern.

Hier gehts zu den Beiträgen:

Titelbild: 

Auch ein Blog verursacht Ausgaben ...

… Wenn Ihnen / Euch Europa.blog gefällt, dann können Sie / könnt Ihr uns gerne auch finanziell unterstützen. Denn auch der Betrieb eines Blogs ist mit Kosten verbunden für Recherchen, Übersetzungen, technische Ausrüstung, etc. Eine einfache Möglichkeit uns mit einem kleinen einmaligen Betrag zu unterstützen gibt es hier:

524