Von Frederik D. Tunnat

In der Nachkriegszeit (gemeint sind die ersten beiden Jahrzehnte nach 1945) gab es sowohl in der jungen Bundesrepublik Deutschland, als auch in den USA jede Menge sogenannter Schlüsselkinder. In den USA heißen sie „Latchkey Kids“, nach dem Schlüssel, den sie immer an einer Schnur um den Hals trugen, um ihn nicht irgendwo und wie zu verlieren. Die Kriegsgeneration musste, angesichts der enormen Zerstörungen in Deutschland, in den USA wegen der kriegsbedingten Ausfälle vieler Männer, beiderlei Geschlechts die Ärmel hochkrempeln und auf Teufel komm raus arbeiten, Frauen wie Männer, um den Wiederaufbau und das Bruttosozialprodukt zu finanzieren. Während es in der ersten Nachkriegsphase in Deutschland darum ging, die Bäuche zu füllen, sprich ausreichend Lebensmittel finanzieren zu können, ging es später um die erste Konsumwelle, während der neue Möbel angeschafft wurden, erste technische Geräte und Konsumgüter, die zuvor lange Jahre nicht käuflich oder erschwinglich gewesen waren.

Was auch immer die konkreten Gründe und Ursachen waren, Fakt ist, dass zahlreiche, speziell ärmere Eltern aus Unter- und Mittelschicht genötigt waren, gemeinsam arbeiten zu gehen, um die Familie zu ernähren, sowie ihr Heim nach und nach wieder auszustatten. Das bedeutete für die Kinder dieser Paare, Einzelkinder wie Geschwisterkinder, ganztägig auf sich allein gestellt zu sein, eben als Schlüssel-Kinder, die den heimischen Schlüssel um den Hals trugen, als Zeichen ihres Schicksals. Die Auswirkungen, die die Existenz als Schlüsselkind nach sich zogen, waren unterschiedlich und stark vom jeweiligen Alter abhängig. Die jüngeren Schlüsselkinder hatten mit Einsamkeit, Langeweile und großer Angst zu kämpfen, allein in einer großen Wohnung oder einem Haus sein zu müssen. Im Teenager-Alter bestand für Schlüsselkinder eine größere Anfälligkeit zum Gruppenzwang, der oft zu Alkohol- und Drogenmissbrauch, sexueller Promiskuität oder zum Rauchen führte. Eine zeitgenössische soziologische Studie ergab, dass Schlüsselkinder bereits dann signifikante Verhaltensauffälligkeiten, hohe Affinität für Depressionen und ein gestörtes Selbstwertgefühl aufwiesen, wenn sie nur drei Stunden am Tag allein auf sich gestellt waren. Was das Alleinsein mit Kindern anstellte, die bis zu 12 Stunden pro Tag an sechs Tagen die Woche auf sich allein gestellt waren, mag man sich gar nicht ausmalen.

Donald Trump weist und wies schon immer eine Reihe von Merkmalen auf, wie sie typischen Schlüsselkindern zu eigen waren und sind. Doch anders, als bei typischen Schlüsselkindern, die in Kindheit und Jugend von ihren Eltern allein gelassen wurden, sind dieses Mal, während seiner zweiten Präsidentschaft keinerlei Eltern, keinerlei Erwachsene mehr im Weißen Haus anwesend. Trump, das lebenslange, aggressive, zornige, vernachlässigte, verhaltensgestörte Kind, dass er innerlich immer geblieben ist und das sich mit zunehmendem Alter häufiger und ständig brutaler agierend zeigt, hat es vermocht, dieses Mal sämtliche Erwachsenen aus dem Weißen Haus, aus seiner Regierung, ja sogar aus seiner Partei zu verbannen. Dieses Mal haben wir es ungefiltert mit Trump dem Schlüsselkind zu tun, das ohne jegliche Einschränkung und Lenkung durch Erwachsene als zorniges Kind agiert, im Körper eines mittlerweile alten, orangefarbenen, blondgefärbten Seniors. Keine Mutter, die ihn umsorgen könnte, ihn liebkost, tröstet und besänftigt existiert weit und breit; noch ein gestrenger Vater, der erziehend, strafend, anleitend eingreifen könnte.

Während Trumps erster Präsidentschaft waren noch „Adoptiveltern“ vorhanden, die das zornige Kind einhegten, beruhigten und besänftigten, kurzum bändigen und behutsam auf den rechten Pfad zurück leiten konnten. Dieses Mal hat Trump sie alle vorsorglich verbannt, ja sich zusätzlich mit weiteren Schlüsselkindern umgeben, Menschen, die wie er emotional in ihrer Kindheit stecken geblieben sind und nun ihre Wut und ihren Zorn auf die eigenen Eltern, die eigene trostlose, emotional grausame Kindheit als verhaltensgestörte Kinder in Erwachsenengestalt austoben unter ihrem Oberindianer, dem ober verhaltensgestörten Schlüsselkind namens Trump.

Schlüsselkind Trump, (den einige vermutlich ebenfalls aus Schlüsselkind-Verhältnissen stammende oberste Richter mit einer Blanko-Vollmacht für ungebührliches Verhalten ausgestattet haben, u.a. um Absolution für eigene massive Korruptionsvergehen zu erlangen), jedenfalls nutzt die gänzliche Abwesenheit von Erwachsenen im Weißen Haus, um sich seinen Allmachtsphantasien skrupellos hinzugeben. Innerhalb der ersten 14 Tage allein zu Haus im Weißen Haus, ließ Trump seinen imperialen Irrsinns-Träumen freien Lauf: er will sich (denn mittlerweile kann er nicht länger unterscheiden zwischen den USA und sich selbst) den Panama-Kanal einverleiben, der in Trumps frühkindlicher Phase den USA abhanden kam, will sich Kanada und Grönland einverleiben, als kleine Extravaganz den Gazastreifen, um diesen mit dem Geld anderer Länder, über das Schlüsselkind Trump selbstverständlich, wie über die ganze Welt eigenmächtig verfügt, schön als neue Riviera am Mittelmeer herrichten zu lassen. Mit dem Geld der anderen seine eigenen Taschen zu füllen, war immer schon Trumps Lebenszweck und Prämisse. Nun also muss es die ganze Welt sein. Neben den paar Territorien, die er sich als Schlüsselkind-Krongüter einverleiben will (Panama, Kanada, Grönland, Gaza), will er nun auch die seltenen Erden der Ukraine für sich haben, weil die so schön viel Geld bringen. Dass ein Großteil davon unter dem Boden derjenigen Gebiete schlummert, den sich das andere namhafte Schlüsselkind dieser Welt, Russlands Diktator Putin bereits einverleibt hat, und sicher nicht freiwillig, sprich ohne Krieg wieder hergeben wird, hat Schlüsselkind Trump noch nicht begriffen – dafür fehlen die Erwachsenen im Weißen Haus, bzw. eine ordentliche Encyclopaedia Britannica oder der Große Brockhaus.

Bleibt abzuwarten, welche Begierden Schlüsselkind Trump innerhalb der nächsten zwei Wochen oder nächsten Monate überkommen. Wie ein Kind hüpft Trumps lädierter Verstand von einem Objekt seiner Begierde zum nächsten und wieder vor und zurück. Wir sollten uns einen großen Vorrat an Diät-Cola, Big Macs und jede Menge Dollarbündel bereit legen, um Trump anlässlich seiner Aus- und Einfälle ab und an ein wenig bestechen und einhegen zu können, sowie seine hin und her hüpfenden Einfälle in etwas geordnete Bahnen lenken zu können.

Denn Trump will ja zusätzlich zu den Ländern von uns eine Menge zusätzlicher Zölle, zusätzliche Ausgaben und Steuern, auf dass wir die USA, was bei Schlüsselkind Trump identisch ist mit sich selbst, reich und immer reicher zu machen. Wir haben gefälligst „sein“ Gas und Öl zu kaufen, „seine“ Kriegsgeräte, „seine“ Autos, Computer, Chips etc. Wir haben „seine“ inzwischen völlig unkontrollierten Sozialen Medien, die er sich mal so nebenbei anlässlich seiner Wahl untertan gemacht hat, zu konsumieren, haben ihm Honig ums Maul zu schmieren, seinen klobigen, primitiven Mafioso-Ring zu küssen, haben vor ihm auf die Knie zu fallen, ihn als größten Denker und Lenker zu verehren, ihn als größten Dealmacher und besten Geschäftsmann aller Zeiten anzuerkennen, und dürfen uns glücklich schätzen, wenn er nicht umgehend Musk und sein Abrissteam zu uns schickt, um Deutschland und die EU „aufzuräumen“ wie die USA, Beamte und Behörden abzubauen, die „falschen“ politischen Parteien zu verbieten, eine Marionettenregierung zu installieren, die voller Demut von morgens bis abends auf des Schlüsselkinds neueste Ideen und absurden Befehle wartet, um diese ohne wenn und aber, wie die Republikanische Partei umzusetzen.

Was man vor Wochen noch für einen feuchten Traum im Stil einer Hollywood-Schmonzette abgetan hätte, ist inzwischen traurige Schlüsselkind-Realität geworden. Ein emotional zu kurz gekommenes Kind im Körper eines schlaffen, alten, weißen Erwachsenen schafft es, binnen weniger Wochen die älteste neuzeitliche Demokratie der Welt zu schleifen, sie sich untertan zu machen, sämtliche Gewaltenteilung auszuhebeln und ad absurdum zu führen. Uns erwarten zunächst einmal vier höchst unkonventionelle Jahre, die Monat für Monat neue Tabus brechen werden, die Reste von Moral und Anstand zuverlässig entsorgen, die Umorientierung sämtlicher demokratischen wie moralischen Werte und Normen mit sich bringen werden, um schließlich entweder in eine zeitlich unbegrenzte Schlüsselkind-Diktatur Trumps selbst, oder eines Familienmitglieds bzw. des Trump Familien-Klans überzugehen. So oder so. Dieses Schlüsselkind ist nicht gekommen, um die Schlüsselkinder dieser Welt zu befreien, sondern um die Schlüsselkind-Existenz, speziell die von „Gottes Auserwähltem“, sich selbst, für alle Ewigkeit zu zementieren.

Titelbild: IoSonoUnaFotoCamera CC BY-SA 2.0 DEED via FlickR

Auch ein Blog verursacht Ausgaben ...

… Wenn Ihnen / Euch Europa.blog gefällt, dann können Sie / könnt Ihr uns gerne auch finanziell unterstützen. Denn auch der Betrieb eines Blogs ist mit Kosten verbunden für Recherchen, Übersetzungen, technische Ausrüstung, etc. Eine einfache Möglichkeit uns mit einem kleinen einmaligen Betrag zu unterstützen gibt es hier:

470