Kommentar von Jürgen Klute
Am letzten Freitag, am 8. September 2017, traf sich der frühere Chef der rechtsextremen britischen Anti-EU-Partei UKIP (United Kingdom Independence Party), Nigel Farage, in Berlin mit Vertretern seiner deutschen Schwesterpartei, der AfD.
In den Medien wurde kaum darüber berichtet. Offenbar gab es auch nicht viel zu berichten. Die taz schrieb am 8. September darüber (Europa-Skeptiker treffen sich in Berlin: Nur kurze Einigkeit), dass die AfD für ihre Treffen in Berlin kaum noch Räume anmieten kann. Was erfreulich ist. Fündig wurde die AfD schließlich am Berliner Stadtrand in der Spandauer Zitadelle.
Eingeladen wurde Nigel Farage von seiner Fraktionskollegin im Europäischen Parlament, Beatrix von Storch.
In Großbritannien berichtete der Guardian im Vorfeld am 7. September über das Treffen (Nigel Farage to address far-right rally in Germany). Erwähnenswert an dem Bericht im Guardian ist, dass er – anders als BRD-Medien – das Berliner AfD-Treffen schnörkellos als das bezeichnet, was es ist: als „far-right-rally“, als ein Treffen Rechtsextremer. Und die AfD bezeichnet der Guardian ebenso schnörkellos als „anti-immigrant party“, als Anti-Immigranten-Partei.
Vor allem aber lässt der Guardian es sich nicht nehmen, deutlich zu machen, in welcher Tradition Beatrix von Storch sich mit ihren politischen Ansichten stellt:
„A granddaughter of Hitler’s finance minister, Lutz von Krosigk, von Storch is a leading member of the anti-immigrant party, which has realistic aspirations to enter Germany’s parliament for the first time in federal elections on 24 September.“ (Eine Enkelin des Finanzministers von Hitler, Lutz von Krosigk, von Storch ist ein führendes Mitglied der Anti-Immigranten-Partei, die realistische Aussichten hat, erstmals bei den Wahlen am 24. September in den deutschen Bundestag gewählt zu werden.)
In der Bundesrepublik scheint sich das noch nicht allzu weit herumgesprochen zu haben.
Auf meinen Post dieses Guardian-Artikels in sozialen Medien gab es schnell von linker Seite den Einwand, bei aller Kritikwürdigkeit von Beatrix von Storch könne man sie doch nicht für das verantwortlichen machen, was ihr Großvater gemacht habe. Das sei doch Sippenhaft, die aus guten Gründen abzulehnen sei.
Aber handelt es sich im vorliegenden Fall tatsächlich um Sippenhaft? Ich denke nicht. Niemand wirft hier Beatrix von Storch vor, was ihr Großvater gemacht hat. Der im Guardian-Artikel mitklingende Vorwurf richtest sich ausschließlich an von Storch: Wie verhält sie sich zur Rolle, die ihr Großvater in der Nazi-Diktatur als Finanzminister inne hatte? Als Finanzminister war er ein einflussreiches Mitglied einer Regierung, die zu den menschenverachtendsten und blutrünstigsten Herrschergruppen gehört, die die Menschheit bis heute erleiden musste.
Eltern und Großeltern kann man sich nicht aussuchen, aber man kann sich sehr unterschiedlich zu dem, was Eltern und Großeltern gemacht haben, verhalten. Es gehört zum minimalen Grundkonsens der Gesellschaft der Bundesrepublik, sich dieser Frage zu stellen und sich im Sinne einer historischen Verantwortung von den Gräueltaten der Faschisten – unabhängig vom Verwandtschaftsgrad – unmissverständlich abzugrenzen und dafür einzutreten, dass der Faschismus weder in alter noch in neuer Form jemals wieder in dieser Gesellschaft aufkeimen kann. Das ist den Opfern des Faschismus geschuldet, aber auch der lebenden Generation und zukünftigen Generationen.
Bekanntermaßen hat Beatrix von Storch sich politisch zur extremen Rechten bekannt, missachtet Menschenrechte und forderte u.a. den Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der Grenze.
Der Guardian verweist lediglich darauf, dass Beatrix von Storch sich politisch damit in die Traditionslinie ihres Großvater einreiht, statt sich von dem zu distanzieren, was er mitzuverantworten hat. Dafür ist ausschließlich Frau von Storch selbst verantwortlich. Ihre Verortung in dieser Traditionslinie mit dem Artikel sichtbar gemacht zu haben, ist richtig und nötig und dafür gebührt dem Guardian Anerkennung.
Titelfoto: Funk Dooby CC BY-SA 2.0
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