Das Wissen ist da, die Appelle auch. Der MV Zukunftsrat hat Mitte März seine Empfehlungen vorgelegt. Die Politik und die Gesellschaft – jetzt sind wir alle am Zug!
Von Peter Scherrer
Im Herbst vergangenen Jahres nahm der von der Landesregierung MV ins Leben gerufene Zukunftsrat seine Arbeit auf. Dabei machten die Beschränkungen durch die Corona-Pandemie die Beschäftigung mit drängenden Zukunftsfragen nicht gerade einfach. Wie längst üblich, so mussten auch hier die Treffen der Mitglieder größtenteils digital stattfinden. In sechs Fachsitzungen und unterschiedlichen Arbeitsgruppen wurden eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensbereiche auf ihre Zukunftsfähigkeit diskutiert. Von Energie, Wirtschaft, soziale Sicherung, Landwirtschaft bis Bildung und Kultur kamen dabei Entwürfe für eine nachhaltige Zukunft auf den Tisch. Das Gremium war entsprechend mit 49 Experten aus diesen unterschiedlichen Bereichen der Zivilgesellschaft besetzt. Den Vorsitz des Rates übernahmen gemeinsam Frau Dr. Franziska Tanneberger vom Greifswald Moor Centrum (GMC) der Universität Greifswald und Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). In einer Abschlusssitzung des Rates ist das Papier mit den Empfehlungen einstimmig verabschiedet und der Landesregierung übergeben worden. Die regionalen wie lokalen Medien haben mit der gewohnten Bebilderung über die Veröffentlichung der Empfehlungen berichtet. Tiefergehende Beiträge über den Inhalt und den Fortschritt bei der Umsetzung der Empfehlungen blieben bisher aus.
Ein neuer Ansatz der Beteiligung
Es war ein unkonventioneller Weg, Überlegungen zu unser aller Zukunft zu organisieren. Ein bislang nicht angewendetes Format der Beteiligung. Die Kritik der Verbände, die nicht am Tisch saßen, ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Im Februar wurde den Vertreterinnen und Vertretern der Verbände und ebenso Mitgliedern der Landtagsfraktionen ein Zwischenstand vorgestellt. Und auch jetzt suchen die beiden Vorsitzenden und Mitglieder des Zukunftrates den Dialog. Sie wollen mit den Verbänden, Kommunen und der Zivilgesellschaft ins Gespräch kommen. Gerade kürzlich sind beispielsweise Mitglieder des Zukunftrates für eine Sitzung einer Stadtvertretung angefragt worden, um das Dokument vorzustellen. „Das würde ich mir viel mehr wünschen, […] denn sehr viel in der Umsetzung muss in den Kommunen stattfinden“, so Dr. Tanneberger.
Aktive Mitglieder und spürbarer Wille zu Lösungen beizutragen
Der Schritt, den die Landesregierung mit einem zivilgesellschaftlichen Rat verband, ergebnisoffen und unbeeinflusst über die Fragen unserer Zukunft zu diskutieren, war ein mutiger Auftakt zu einer beispielhaften Diskussionskultur. Beeindruckend war dabei für die Co-Vorsitzende Tanneberger die Bereitschaft der Mitglieder des Zukunftsrates, sich in die Arbeit einzubringen. Schnell hätten sie sich in die digitalen Formen der Kommunikation eingefuchst und lebhaft an den Debatten in den entsprechenden Fachgruppen teilgenommen. Diese Form der Partizipation und Mitarbeit kann sich die Wissenschaftlerin durchaus auch für andere Bereiche der Gesellschaft vorstellen. Auch in Kommunen und Landkreisen sind beispielsweise aus ihrer Sicht Gremien denkbar, die beratend an besonderen Fragestellungen mit den lokalen politisch Verantwortlichen zusammenarbeiten. Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern muss dabei eben nicht auf die Mitwirkung in politischen Parteien beschränkt bleiben. Gleichwohl ermutigt die parteilose Tanneberger gerade junge Menschen, sich in politischen Parteien zu engagieren, will man unsere Zukunft gestalten.
Wirksame gesellschaftliche Beteiligung von jungen Menschen macht es nötig, dass dazu auch Budgets bereitgestellt werden. Engagieren und beteiligen sich Jugendliche, dann müssen sie auch die Wirkungen ihres Handelns sehen, rät Franziska Tanneberger.
Die Diskussion um die Empfehlungen nimmt langsam Fahrt auf
Einzelne Landesministerien befassen sich gegenwärtig mit dem Dokument. Die Moorexpertin Tanneberger ist erfreut darüber, dass die Empfehlungen im Juni im Landtag auf der Tagesordnung stehen sollen. Das einige der Empfehlungen nicht auf volle Zustimmung gestoßen sind, war abzusehen. „An einigen Punkten wird die Umsetzung der Empfehlungen zu Veränderungen führen”. Sie ist sich über unvermeidlich kontroverse Diskussion durchaus im Klaren. So müssen z.B. die europäischen bzw. nationalen Treibhausziele auf die Landesebene und letztendlich auf die lokale Ebene heruntergebrochen werden. Die klar definierten Wegmarken müssen dann auch für alle Kommunen verbindlich gelten. „Und diese Ziele müssen dann durch die Politik eingefordert werden“, zitiert die Forscherin eine Unternehmerin eines mittelständischen Betriebes. Sie ist ebenfalls Mitglied des Zukunftsrates.
Wirtschaft und Gemeinwohl – das muss zusammengehen, und das ab heute!
Einprägsam und nachhaltig appellieren die Ratsmitglieder, sofort zu Handeln. Es sei keine Zeit mehr zu verlieren und in Wahlperioden zu denken. Es müsse jetzt gehandelt werden. Ein wichtiges Ziel der Empfehlungen ist die Nachhaltigkeitsökonomie. Hier geht es darum, mit den natürlichen Ressourcen zu haushalten. Ziel der Nachhaltigkeitsökonomie ist es, dass das Wirtschaften den Einzelinteressen aber eben auch gleichzeitig dem Gemeinwohl dient. Auch mit dem Thema der Digitalisierung hat sich der Zukunftsrat befasst. Die gegenwärtige Pandemie hat die Defizite deutlich gemacht. Gleichzeitig sind aber auch die Chancen der Digitalisierung, z. B. bei der Treibhausgasverminderung, beschrieben.
Gute Lesbarkeit und solider Informationsgehalt
Die Empfehlungen sind aufgelockert mit sogenannten Zukunftsbildern und Überblickskarten. Leicht verständlich in der Sprache, aber dennoch gehaltvoll, was Fakten und Daten betrifft die für unser Land wichtig sind. Demographische Strukturen, Wirtschaftsdaten, Arbeitslosenstatistiken ebenso wie Überblicke über Umwelt-Emissionen finden sich in der Broschüre wider. Eine sprachlich vereinfachte Version, die sich an Schülerinnen und Schüler richtet, soll demnächst noch erscheinen. Aber auch ohne diese schulgerechte Variante waren die Empfehlungen schon in einigen Schulen Gegenstand des Unterrichts.
Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg unverzichtbar
„MV ist keine Insel“, hat ein Mitglied des Zukunftsrates die Notwendigkeit überregionaler und nachbarschaftlicher Kooperation kurz und knapp beschrieben. Für Tanneberger bietet gerade die Zusammenarbeit mit Nachbarländern, deren Wirtschaft auch deutlich landwirtschaftlich beeinflusst ist, zahlreiche Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Zusammen an den Problemen einer nachhaltigen Umwelt und Ökonomie zu arbeiten, das berge viele Chancen, die es zu realisieren gilt.
Ein Fazit ihrer Arbeit ist: Das Wissen liegt auf dem Tisch, wir müssen uns nun an die Umsetzung machen. Gefragt nach den Beweggründen für ihr und das von uns allen geforderte Engagement für unsere Zukunft, so antwortet die Forscherin ebenso so kurz wie überzeugend: “Wir sind es unseren Kindern schuldig!”
Infos zum Artikel
Exemplare der Empfehlungen des Zukunftrates, Anfragen und Rückmeldungen unter:
MV ZUKUNFTSRAT bei der
Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern
Tel: 0385-58810312
Interview von Peter Scherrer mit Franziska Tanneberger
Titelbild: Franziska Tanneberger | Foto: Peter Scherrer
Auch ein Blog verursacht Ausgaben ...
4216
Leave A Comment