Zwar fallen im Augenblick keine Bomben auf Gaza, aber von dauerhaftem Frieden kann absolut keine Rede sein, schreibt Ilja Leonard Pfeijffer. Warum Donald Trump den Friedensnobelpreis verdient hat, lesen Sie hier.
Essay von Ilja Leonard Pfeijffer | 23. Oktober 2025
Es sollte den Anschein haben, als hätte Donald J. Trump die Welt gerettet, weil er – seinen eigenen Worten zufolge – „ewigen Frieden” im Nahen Osten geschaffen habe, aber in Wirklichkeit geschah Folgendes.
Am 9. April 1977 heiratete Donald Trump das tschechische Fotomodell Ivana Marie Zelníčková. Ihr zweites Kind, geboren am 30. Oktober 1981, war eine Tochter namens Ivanka, die am 25. Oktober 2009 auf dem Gelände des Trump National Golf Club in Bedminster, New Jersey, in einer jüdisch-orthodoxen Zeremonie mit dem New Yorker Immobilieninvestor Jared Corey Kushner vermählt wurde.
Weil die Familie Kushner mit Benjamin „Bibi” Netanjahu befreundet ist, setzte Trump während seiner ersten Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten seinen Schwiegersohn Jared als Gesandten für den Nahen Osten ein. Im Jahr 2020 war Jared Kushner in dieser Funktion an der Entstehung der Abraham-Abkommen beteiligt, mit denen Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Marokko ihre Beziehungen zu Israel normalisierten.
Wo normale Menschen einen Völkermord sehen, sieht Kushner Chancen. Schon im März 2024 hatte er den Gazastreifen als „wertvolles Grundstück am Wasser” bezeichnet, was Trump zu seinem Plan inspirierte, den Gazastreifen in eine Riviera mit Luxusresorts zu verwandeln.
Aufgrund seiner großen geschäftlichen Interessen verfügt Kushner über gute Beziehungen in der arabischen Welt. Seine Private-Equity-Firma Affinity Partners wird zu einem großen Teil mit Kapital aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar finanziert. Das letztgenannte Land gewährte den Führern der Hamas Zuflucht, tat dies jedoch mit zunehmender Zurückhaltung, da es aus diesem Grund zum Ziel israelischer Angriffe geworden war.
Die Machthaber in Katar boten Kushner an, Druck auf die Hamas auszuüben, um ein Friedensabkommen mit Israel zu erreichen, wenn er seinen Schwiegervater davon überzeugen würde, ähnlichen Druck auf Netanjahu auszuüben.
Unsere Welt kann sich jederzeit verändern, sobald Trumps Entourage einen Vorteil darin sieht, ihm gefällig zu sein
In den neun Monaten, in denen Trump jetzt Präsident ist, hatte er Netanjahu stets bedingungslos in dessen genozidalen Vorhaben unterstützt, die palästinensischen Gebiete von Palästinensern zu säubern. Warum sollte er jetzt etwas tun, was er zu jedem beliebigen Zeitpunkt in diesen neun Monaten hätte tun können, aber unterlassen hat?
Kushner, der mit seinem Instinkt als Investor spürte, dass Gewinne in Aussicht standen, verstand, dass der Zeitpunkt perfekt war, da in der zweiten Oktoberwoche ein kleines, glitzerndes Objekt verliehen werden sollte, das sein Schwiegervater heiß begehrte, weil es einst seinem Erzfeind Barack Obama verliehen worden war.
So bekam die Angelegenheit einen Stichtag. Am 29. September 2025 wurde Netanjahu ins Weiße Haus bestellt, wo er gezwungen wurde, sich telefonisch für den Bombenanschlag vom 9. September gegenüber Katar zu entschuldigen und einen 20-Punkte-Plan für den Frieden in Gaza zu akzeptieren. Dank des Drucks, den Kushner zusammen mit seinem Kollegen, dem Immobilieninvestor Steve Witkoff, auf die Verhandlungen ausübte, konnte am Tag vor der Bekanntgabe des Friedensnobelpreisträgers durch das norwegische Komitee eine Einigung präsentiert werden.
Moden und Launen
So kam der Waffenstillstand zustande. Manchmal geschehen die richtigen Dinge aus den falschen Beweggründen. Die Welt, in der wir heute leben, kann sich jeden Moment verändern, weil man den Moden und Launen eines großen Kindes in Washington nachgibt oder weil sein Umfeld einen Vorteil darin sieht, ihm zu gefallen.
Allerdings ist fraglich, ob die falschen Beweggründe in diesem Fall tatsächlich zum richtigen Ergebnis geführt haben. Obwohl jede Minute, in der Israel seinen Massenmord am palästinensischen Volk aussetzt, als Segen wert zu schätzen ist, bietet das Abkommen, das Trump als seinen persönlichen Verdienst feiert, keine Garantie für Frieden, da es die Gerechtigkeit mit Füßen tritt, die für diesen Frieden eine unverzichtbare Voraussetzung ist.
Am 10. Oktober wurde bekannt gegeben, dass der Friedensnobelpreis 2025 an die venezolanische Politikerin María Corina Machado Parisca verliehen wird, weil sie „die Flamme der Demokratie in dunklen Zeiten am Leben erhält”. Diese Begründung des Nobelpreiskomitees ist ein noch härterer Schlag ins Gesicht Trumps als die Wahl der Preisträgerin selbst.
Es ist ein Glück im Unglück, dass Trump als Vertreter der absoluten Demokratie (*) der Illusion unterliegt, er würde der Demokratie einen Dienst erweisen, indem er den Rechtsstaat abbaut, und dass er daher nicht in der Lage ist, die Botschaft des Nobelpreiskomitees zu würdigen.
Machado tat, was Trump niemals getan hätte. Weil sie sich wirklich für den Frieden einsetzt und weil sie verstanden hat, dass der Frieden im Nahen Osten von Trumps Laune abhängt, rief sie ihn an, um ihm in einer großartigen Geste der Selbstverleugnung den Preis zu widmen.
„Im Januar wurde ein ähnlicher Waffenstillstand vereinbart, den Israel nie eingehalten hat“
Was unter anderem in dem sogenannten „Friedensplan“ fehlt, den Donald Trump und Benjamin Netanjahu für Gaza vereinbart haben, ist die Garantie eines unabhängigen palästinensischen Staates, das Versprechen, die illegalen israelischen Siedlungen in palästinensischem Gebiet abzubauen, die Freilassung von etwa zehntausend palästinensischen Gefangenen aus illegaler Haft, eine Regelung für die Rückkehr vertriebener Palästinenser in ihr Land und ihre Häuser, aus denen sie seit 1948 vertrieben wurden, eine Vereinbarung über Reparationszahlungen Israels an Palästina und die Gewissheit, dass Netanjahu und andere Israelis an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt werden, um wegen Völkermordes vor Gericht gestellt zu werden.
Was darüber hinaus fehlt, ist jede Form von Garantie, dass Israel die Gewalt und die Feindseligkeiten endgültig einstellen wird. Der Plan, der der jetzt vereinbarten Waffenruhe zugrunde liegt, spricht von einem „Rückzug der israelischen Truppen auf eine vereinbarte Linie”, einer vorübergehenden „Aussetzung militärischer Aktivitäten” und einer „Einfrierung der Frontlinie bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Bedingungen für einen vollständigen Rückzug geschaffen sind”. Im Januar war ein ähnlicher Waffenstillstand vereinbart worden, den Israel jedoch nicht eingehalten hat.
Perversionen
Eine zweifellos erfreuliche Folge des aktuellen Abkommens ist, dass zumindest wieder in geringem Umfang humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelassen wird. Es wäre jedoch pervers, dies als großzügige Konzession Israels zu begrüßen. Die von Israel verursachte Hungersnot wird gelindert werden, und Israel wird endlich die Lebensmittel und Medikamente zulassen, die es gemäß internationalen Verträgen schon längst hätte bereitstellen müssen, unter der Bedingung, dass der Widerstand gegen Israel aufgegeben wird und Israel keine Steine mehr in den Weg gelegt werden.
Gemäß der neunten Bestimmung des Zwanzig-Punkte-Plans wird der Gazastreifen in Zukunft von einer „vorübergehenden, technokratischen, unpolitischen Übergangsregierung” unter der Führung von Trump mit Blair als Stellvertreter regiert werden. Punkt zehn legt fest, dass es die Aufgabe dieser Übergangsregierung sein wird, Immobilienentwicklern freie Bahn zu verschaffen. Jared Kushner kann zufrieden sein. Laut der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten, Francesca Albanese, läuft Trumps Plan darauf hinaus, dass die israelische Besetzung des Gazastreifens durch eine Besetzung des Gazastreifens durch Israel und die Vereinigten Staaten ersetzt wird. Sie bezeichnet den Plan als „kolonialistisch, völkerrechtswidrig und eine Beleidigung der Menschenwürde”.
Die Vereinbarung über die erste Phase der Umsetzung des Zwanzig-Punkte-Plans wird nicht zuletzt von Trump selbst triumphierend als ein Friedensabkommen präsentiert. Auf dem Gruppenfoto, das am 13. Oktober nach Abschluss der sogenannten „Friedenskonferenz” in Sharm El Sheikh aufgenommen wurde und um die Welt ging, posieren 33 Staats- und Regierungschefs (32 Männer und Giorgia Meloni, ganz rechts am Rand) hinter einer Skulptur aus weißem Kunststoff, die die Botschaft „Peace 2025” vermittelt.
„Trump erklärte in der Knesset stolz, sich des Völkermords mitschuldig gemacht zu haben”
„Agreement to end the war in Gaza” (Vereinbarung zur Beendigung des Krieges in Gaza) steht auf dem Hintergrundbild. Dies ist eine irreführende Darstellung der Tatsachen. Erstens kann man nicht von Frieden sprechen, da der Konflikt in Gaza kein Krieg ist, sondern die gezielte Auslöschung der Bevölkerung durch eine gewalttätige, illegale Besatzungsmacht. Zweitens gibt es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit.
Bevor er nach Sharm El Sheikh flog, besuchte Trump Jerusalem, wo er am Morgen des 13. Oktober vor der Knesset sprach. Seine rauschhafte Rede war ebenso aufschlussreich wie beunruhigend. „Wir stellen die besten Waffen der Welt her”, sagte er. „Wir haben sehr viele davon. Und wir haben Israel sehr viele davon gegeben. Dann rief mich Bibi immer wieder an. ‚Kannst du mir diese Waffe geben? Und die? Und die?‘ Von einigen hatte ich noch nie gehört, aber wir haben dafür gesorgt, dass sie hierher kamen. Ihr wisst, wie man sie benutzen muss. Ihr habt diese Waffen sehr gut eingesetzt.“
Mit Stolz erklärte Trump, sich des Völkermords mitschuldig gemacht zu haben. Er lobte die israelischen Streitkräfte. „Großartige Arbeit.“ Er gratulierte Israel zum Sieg. „Mit unserer Hilfe hat Israel durch Waffengewalt alles gewonnen, was es zu gewinnen gab“, sagte er. „Ihr habt gewonnen“, fügte er hinzu. „Ich meine: Ihr habt gewonnen.“
Er sagte, dass die Welt Israel jetzt wieder liebt. Am Ende seiner Rede drängte er Präsident Isaac Herzog, Netanyahu zu begnadigen. „Warum begnadigen Sie ihn nicht? Begnadigen Sie ihn. Kommen Sie schon.“ Die Korruptionsvorwürfe tat er ab als „Zigarren und Champagner, wen interessiert das schon?“
Begraben unter Ruinen
Was wie ein riesiger Schritt in Richtung Weltfrieden aussehen sollte, vollbracht von einem genialen Präsidenten, der einen Krieg beendet, „der schon fünfhundert oder dreitausend Jahre dauert“, ist in Wirklichkeit eine Bestätigung des Rechts des Stärkeren, eine Belohnung für Israels Gräueltaten und eine Anerkennung der Mitschuld Amerikas am Völkermord, die keinerlei Aussicht auf Gerechtigkeit oder eine würdige und unabhängige Zukunft für das palästinensische Volk bieten.
Trump und seine Anhänger sehen das Massengrab der blutgetränkten Ruinen von Gaza nicht als Beweis für Völkermord, sondern als einmalige Gelegenheit für Immobilienentwicklungen. Unter den Trümmern von Gaza liegt das Völkerrecht begraben, und dies wird von einem Präsidenten als Sieg gefeiert, der Rechtsstaatlichkeit, Recht und Gerechtigkeit als lästige Hindernisse für seine absolutistischen Ambitionen betrachtet.
(*) Zur „absoluten Demokratie“ vergleiche den Essay von Ilja Leonard Pfeijffer „Das Ziel der USA? Ein Regimewechsel in Europa!“.
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Dieser Essay von Ilja Leonard Pfeijffer erschien ursprünglich am 18. Oktober 2025 unter dem Titel „‘Soms gebeuren de juiste dingen om de verkeerde redenen’: Ilja Leonard Pfeijffer vertelt hoe de wapenstilstand in Gaza tot stand kwam“ in der belgischen Zeitung „De Morgen“. Übersetzung ins Deutsche: Jürgen Klute
Titelbild: stichting kifaia CC BY-NC-ND 2.0 DEED via FlickR
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