Am 26.03.2019 stimmte das Europäische Parlament in Straßburg über den Strombinnenmarkt ab. Das Parlament nahm die Einigung zwischen Europaparlament und Rat zum Strombinnenmarkt an.
Das Gesetzespaket besteht aus zwei Teilen: einer Richtlinie und einer Verordnung. Die Richtlinie ‚Gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt‘ erhielt 551 Stimmen, die Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt wurde mit 544 Stimmen angenommen.
Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament, nimmt zu der Abstimmung Stellung.
Standpunkt von Cornelia Ernst
Dieses Paket zum Strombinnenmarkt enthält Licht und Schatten und deshalb habe ich mich in beiden Abstimmungen enthalten. Gut ist, dass die Verordnung einen Artikel zu ‚Just Transition‘, also dem sozial-verträglichen Kohleausstieg enthält. Dafür hat sich unsere Fraktion stark gemacht. Schlecht ist allerdings, dass dieser Artikel zu ‚Just Transition‘ nicht mit finanziellen Forderungen untersetzt ist – dabei kostet doch der Strukturwandel Geld. Gut ist, dass für Kraftwerke in der Sicherheitsreserve (also in Kapazitätsmechanismen) ein neuer Emissionsstandard gilt – bestehende Kraftwerke dürfen ab 2025 nicht mehr als 550 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ausstoßen. Und neue Kraftwerke dürfen dies nicht mehr ab Inkrafttreten dieser Verordnung. Das ist sehr zu begrüßen, denn damit werden praktisch Kohlekraftwerke aus der Sicherheitsreserve ausgeschlossen. Allerdings hätten wir uns noch eine strengere, europaweite Bewertung gewünscht, ob denn überhaupt eine Sicherheitsreserve nötig ist. Hier haben sich leider die Mitgliedstaaten durchgesetzt und ihre ‚nationale Brille‘ ins Spiel gebracht. Denn de facto haben wir Überkapazitäten in der EU und brauchen keine teuren Sicherheitsreserven bzw. Kapazitätsmechanismen, die die Bürger*innen in der EU seit 1998 bereits 32 Milliarden Euro gekostet haben, und bis 2040 weitere 25 Milliarden Euro kosten werden.
Ich kritisiere, dass in dieser Verordnung der Einspeisevorrang für erneuerbare Anlagen stark eingeschränkt wird. Denn der Einspeisevorrang für erneuerbaren Strom stellt sicher, dass dieser Strom tatsächlich ins Netz kommt und auch verkauft werden kann. Nun soll der Einspeisevorrang nur noch für Anlagen bis 400 Kilowatt gelten – das ist geradezu lächerlich! Ich habe dafür gekämpft, hier Ausnahmen für die Bürgerenergie und Kraft-Wärme-Kopplung zu erreichen, doch leider gegen den Rat und die Konservativen und Liberalen des Parlaments verloren.
Auch bei der Abstimmung der Richtlinie habe ich mich enthalten, denn auch hier gilt: Licht und Schatten. Ich begrüße sehr, dass die Mitgliedstaaten weiterhin regulierte Preise im Strommarkt anwenden können, wenn sie es denn für nötig halten. Ab 2025 möchte die Europäische Kommission diese Möglichkeit erneut prüfen – auch dann müssen wir uns erneut gegen die weitere Liberalisierung des Strommarktes einsetzen. Ich kritisiere jedoch, dass die Vorschriften zur Bekämpfung von Energiearmut genauso schwach sind, wie in der alten Richtlinie. Die Mitgliedstaaten können eine Definition von Energiearmut vorlegen, wenn sie der Meinung sind, dass das ein großes Problem in ihrem Land sei. Aber sie müssen eben nicht! Und sie können Versorgungssperren verbieten (also das Abklemmen von Strom, wenn jemand mit der Stromrechnung im Rückstand ist), aber sie müssen eben nicht. Unsere Fraktion hat dafür gekämpft, dieses Abklemmen zu verbieten, und dass ein kostenloses Grund-Kontingent an Strom gratis angeboten wird, denn der Zugang zu Energie ist ein soziales Grundrecht, und keine Ware!
Beim Schutz der Bürger*innen in ihren Verbraucherrechten ist auch Luft nach oben: so ist zwar die Teilnahme an außergerichtlicher Streitbeilegung für die Stromversorger vorgeschrieben, wenn es Streitigkeiten beispielsweise über die Stromrechnung gibt. Leider aber gibt es hier ein Schlupfloch: Die Mitgliedstaaten können diese Vorschrift umgehen, und setzen die Bürger*innen damit dem Risiko aus, direkt vor Gericht ziehen zu müssen, wenn es Ärger mit dem Stromversorger gibt. Ein Novum hat diese Richtlinie gebracht: Das erste Mal überhaupt beschäftigt sich die europäische Gesetzgebung mit den Rechten und Pflichten von Bürgerenergie und Prosumenten (also Menschen, die ihren Strom selbst produzieren). Hier konnten wir in den Verhandlungen sicherstellen, dass Bürgerenergieprojekte zum Beispiel ein Verteilnetz besitzen, etablieren, kaufen oder leasen dürfen. Und Prosumenten, die einen Speicher besitzen, haben das Recht auf Netzzugang. Dies sind wichtige Punkte, denn die sozial-ökologische Transformation findet auch im Kleinen, in den Kommunen vor Ort, statt.
Titebild: Electricity | Foto: knitnutmsia CC BY-NC 2-0
Info-Kasten Energie-Union
Seit über 10 Jahren steht die Energieunion (mehr zum Stichwort Energieunion kann man auf Wikipedia nachlesen) auf der Agenda der EU.
Die Anfänge der Diskussion reichen zurück bis ins Jahr 2008, als die Heinrich Böll Stiftung ein Konzept für eine Europäische Gemeinschaft für Erneuerbare Energie (ERENE) vorlegte.
2010 folgte auf Initiative von Jacques Delors eine Studie für ein Konzept einer Europäischen Energiegemeinschaft.
Jean-Claude Juncker nahm dann das Thema Energieunion in seine politischen Leitlinien als EU-Kommissionspräsident auf, die er im Juli 2015 veröffentlichte. Siehe dazu auch die entsprechend Webseite der EU-Kommission “Energy union and climate”.
Die Slowakische EU-Ratspräsidentschaft 2016 erklärte das Thema Energieunion zu einer vorrangigen Aufgabe. Vergleiche dazu auch den Wikipedia-Eintrag “Slowakische EU-Ratspräsidentschaft 2016”.
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