[Aktualisiert am 21.02.2020]
In der Nacht vom 19. auf den 20. Februar 2020 tötete ein rechtsradikaler Terrorist 9 Menschen in Hanau und anschließend offenbar auch seine Mutter und sich selbst. Es ist einer der bisher größten Terroranschläge, die von einem rechtsradikalen, rassistischen Täter in der Bundesrepublik verübt wurden. Abgesehen von seiner Mutter und ihm selbst handelt es sich bei allen Ermordeten nach bisherigem Kenntnisstand um Menschen die selbst oder deren Eltern in die Bundesrepublik eingewandert sind. Dennoch sprechen einige Politiker*innen von wahllosem Morden und verharmlosen damit den rechtsradikalen, rassistischen Hintergrund dieses gezielten Terroraktes.
Dieser seit Jahren erstarkende rechte Terrorismus in der Bundesrepublik ist eine Bedrohung für ganz Europa. Setzt sich der faschistische Terror in Deutschland erneut fest und erneut durch, dann wird das ganz Europa erneut in einen blutigen Abgrund stürzen.
Unter den Ermordeten sind unter anderem Kurd*innen. Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland hat dem entsprechend zu dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau eine Erklärung abgegeben, die im folgenden im vollen Wortlaut wiedergegeben wird.
Mehrere der Ermordeten beim rechten Terroranschlag in Hanau sind Mitglieder im kurdischen Verein von Hanau. Im Folgenden leiten wir Ihnen die Stellungnahme des größten kurdischen Dachverbands in Deutschland KON-MED (Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland) weiter.
Wir sind traurig und wir sind wütend. Traurig sind wir, weil unsere Gedanken nach der gestrigen Nacht bei den Angehörigen der Opfer des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau sind. Unter den Opfern befinden sich auch mehrere Opfer kurdischer Herkunft. Ihre Angehörigen versammeln sich gegenwärtig im Kurdischen Kulturzentrum in Hanau, wo zahlreiche Menschen in dieser schweren Stunde an ihrer Seite stehen und ihren Schmerz teilen.
Wütend sind wir, weil die politischen Verantwortlichen in diesem Land sich rechten Netzwerken und Rechtsterrorismus in diesem Land nicht entschieden entgegenstellen: der NSU, der Anschlag von Halle, der Mord an Walter Lübcke und nun der Terroranschlag in Hanau sind das Ergebnis einer staatlichen Politik, welche sich auf dem rechten Auge blind stellt. Die politische Rhetorik der AfD und ihre Verharmlosung durch die Medien und Politiklandschaft bereiten den Nährboden für den rechten Terror in Deutschland.
In dieser schweren Stunde möchten wir nochmals allen Angehörigen der Opfer unser tiefstes Beileid bekunden. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten ihnen.
Angesichts der Art des Umgangs mit dem rechten Terroranschlag von Hanau und seinen Opfern hat KOMKAR – Verband der Vereine aus Kurdistan in Deutschland e.V. am 21. Februar 2020 die folgende öffentliche Stellungnahme abgegeben:
Rassismus tötet! Deutschland schütze Deine Bürger*innen!
Junge Kurd*innen unter den Opfern des rechtsextremen Terroranschlags von Hanau
„Mit Entsetzen, Trauer und Wut haben wir den rechtsextremen Terroranschlag in Hanau zur Kenntnis genommen. Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gelten den Opfern und ihren Angehörigen. Es ist an der Zeit, dass Deutschland endlich all seine Bürger*innen schützt. Rassismus vergiftet nicht nur das Miteinander und schafft Diskriminierung und Ungleichheit, sondern Rassismus tötet! Wie viele Menschen sollen noch sterben bis Konsequenzen gezogen werden?
Unter den Opfern des feigen Terroranschlags waren in der Mehrzahl auch junge Kurd*innen. Umso befremdlicher erscheint es uns, dass Beileidbekundungen an den türkischen Präsidenten geschickt werden. Die getöteten Kurd*innen sind entweder selbst vor Krieg und Terror geflohen oder ihre Eltern. Aus Kurdistan mussten sie aufgrund von antikurdischem Rassismus und Diskriminierung fliehen. Es ist ein verheerendes Signal, dass Kurd*innen, selbst wenn sie Opfer eines rechtsextremen Anschlags werden, sowohl in deutschen Medien als auch zum Teil auf Demonstrationen von Türk*innen vertreten werden. Menschen, die sich nicht mit der Türkei identifizieren, werden so vereinnahmt. Grotesk ist es auch, dass Nicht-Muslime, wie in diesem Fall die ermordeten jungen alevitischen und êzîdischen Kurd*innen von islamischen Organisationen vertreten werden.
Ziel von Rassismus sind unterschiedliche Menschen. Eine Vereinheitlichung und Vereinfachung werden den Opfern nicht gerecht. Die über 1,2 Millionen Kurd*innen in Deutschland können und wollen sich selbst vertreten!“
Rohat Geran, Bundesvorsitzender von KOMKAR – Verband der Vereine aus Kurdistan in Deutschland e.V. am 21.02.2020 in Berlin

Kommentare und Analysen
Rechter Terror in Westeuropa. Von Mathias Brandt | Statista, 24.02.2020
Die Liste: 208 Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt seit 1990. Seit 1990 wurden in Deutschland 208 Menschen Opfer rechtsextremer oder rassistischer Gewalt. Offiziell anerkannt sind bislang allerdings nur 85 Fälle. | Belltower.News, 21.02.2020
Rechte Gewalt: Rassismus ist kein Gift. Seit Hanau sprechen viele von Rassismus als Gift. Das Bild hat in Deutschland eine lange Geschichte. Dabei ist es weder zutreffend noch politisch hilfreich. Ein Gastbeitrag von Mark Terkessidis | Die Zeit, 04.03.2020
Friedrich Merz: Ein brutaler Satz. Nach seinem maximal breitbeinigen Bewerbungsauftritt wissen wir: Auch die Merz’sche Strategie gegen Rechtsextremismus passt auf einen Bierdeckel. Ein Kommentar von Lenz Jacobsen | Die Zeit, 25.02.2020
Und am Ende steht Hanau. Von Aida Baghernejad | Spex, 24. Februar 2020
Attentate in Hanau: Fehlende Kultursensibilität bei Medien und Politikern. Kommentar von Elke Dangeleit | Telepolis, 24.02.2020
Solidarität nach dem Anschlag in Hanau: Abgenutztes Ritual. Ein paar warme Worte vielleicht, sonst einfach weitermachen wie bisher. Das geht nur für jene, die den Luxus haben, nicht bedroht zu sein. Von Saskia Hödl | taz, 24.02.2020
Eine Schweigekolumne. Von Samira Quassil | Übermedien, 24.02.2020
Anschlag in Hanau: Wahn und Tat. Die Morde von Hanau haben binnen kürzester Zeit eine Welle von Analysen und Schlussfolgerungen ausgelöst. Zwischen all den Zeilen bleiben allerdings ein paar unscharfe Flecken. Eine Kolumne von Thomas Fischer | Der Spiegel, 24.02.2020
Interview: »Geschichte wiederholt sich nicht.« Julien Reitzenstein über die Gründung der NSDAP vor 100 Jahren, historische Parallelen und Unterschiede. Von Katharina Schmidt-Hirschfelder | Jüdische Allgemeine, 23.02.2020
Die Toten von Hanau: Neun Menschen sind in Hanau aus rassistischen Gründen getötet worden. Wir haben Informationen über sie zusammengetragen. | ANF News deutsch, 22.02.2020
Nach rassistischem Anschlag in Hanau: „Alles Kinder aus Deutschland.“ Tausende nahmen am Samstag an einer Kundgebung in Hanau teil. Zu Wort kamen auch Angehörige von Opfern des NSU. Von Vulkan Agar Und Jasmin Kalarickal | taz, 22.02.2020
Wir brauchen einen Masterplan gegen Rechtsextremismus. Deutschland versagt beim Kampf gegen Rassismus. Drei Experten aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft haben ein Konzept entwickelt, um dem Hass den Boden zu entziehen. Von Farhad Dilmaghani, Stephan J. Kramer und Matthias Quent | Die Zeit, 21.02.2020
Hanau: Das Making-of eines Rechtsterroristen. Nach dem Attentat von Hanau wird eine Frage laut, vor der sich niemand mehr verstecken kann: Wie krank ist eine Gesellschaft, die solche Täter hervorbringt? Eine Analyse von Georg Seeßlen | Die Zeit, 21.02.2020
Soziologe über den Anschlag von Hanau: „Das ist kein Zufall.“ Die Kontinuität rechten Terrors werde oft verdrängt, sagt Wissenschaftler Sebastian Wehrhahn. Die Hypothese des Einzeltäters sei politisch falsch. das Interview führte Patrick Wagner | taz, 21.02.2020
Nach dem Terroranschlag in Hanau: Mörder, die sich nur wehren. Einer wie Höcke drückt nicht selbst ab. Aber er schafft das Klima für die, die sich ängstigen lassen, und die ihre Angst zur Aggression wandeln. Kolumne von Robert Misik | taz, 21.02.2020
Hanau nach dem Attentat: Die Zeit der Worte ist vorbei. „Viele haben Angst“, sagt der Hanauer Eren Okcu und fordert echte Solidarität. Viele Statements von Politikern klingen zu sehr nach Routine. Von Konrad Litschko | taz, 21.02.2020
Hanau: Es reicht nicht, ins Feuer zu spucken. Rassistische Anschläge werden häufiger, die Halbwertszeit der gesellschaftlichen Empörung immer kürzer. Wir brauchen endlich Widerspruch. Auch wenn es unbequem ist. Ein Kommentar von Christian Vooren, Hanau | Die Zeit. 21.02.2020
Nach dem rassistischen Attentat in Hanau: Vergebliches Erinnern. Deutschland braucht eine Debatte über Rechtsterrorismus. Stattdessen reden Konservative seit Wochen darüber, wie linksextrem Bodo Ramelow sei. Kommentar von Volkan Agar | taz, 21.02.2020
Rechtsterrorismus: Gegen den Hass. Hass bricht nicht plötzlich auf, er wird gezüchtet. Die anders glauben oder anders aussehen als eine behauptete Norm – sie müssen wir schützen. Von Carolin Emcke | Die Zeit, 21.02.2020
Anschlag von Hanau: Die Saat geht auf. Seit Jahrzehnten werden Migranten in Deutschland als Gruppe betrachtet und als Fremde behandelt. Das wird der Realität nicht gerecht – und bildet den Nährboden für rassistisch motivierte Taten wie die von Hanau. Kommentar von Dunja Ramadan | Süddeutsche Zeitung, 21.02.2020
Anschlag in Hanau: Die Gewaltbereiten fühlen sich plötzlich verstanden. Dass Rechtsterroristen SS-Rangabzeichen kennen und streng ideologisch sind, ist ein Missverständnis. Oft sind sie Einzelgänger, ermutigt von einem Strom völkischer Gesinnung – der bis in die Parlamente reicht. Von Annette Ramelsberger | Süddeutsche Zeitung, 21.02.2020
Manifest für eine plurale Gesellschaft. Demokratie gibt es nur mit uns. | Neue deutsche Organisationen, 20.02.2020
Hanau: »Rechtsextreme Blutspur« in Deutschland. Zentralratspräsident Schuster fordert Politik und Zivilgesellschaft nach dem rassistischen Anschlag zum Handeln auf | Jüdische Allgemeine, 20.02.2020
Hanau: Bewaffneter Arm der völkischen Bewegung. Täter wie der Angreifer von Hanau fühlen sich von einer rechtsradikalen Stimmung getragen, die in Deutschland immer weiter um sich greift. Kommentar von Annette Ramelsberger | Süddeutsche Zeitung, 20.02.2020
Hanau: Raus aus der weißen Perspektive. Was Gesellschaft zur Prävention rechten Terrors leisten muss, ist zusammenzuwachsen, und zwar nicht nur an Tagen wie heute. Höchste Zeit für Anteilnahme und Solidarität. Von Elsa Koester | Der Freitag, 20.02.2020
Ideologie: Die Germanomanen. Das völkische Denken kam nicht erst mit den Nazis auf, sondern hat seine Ursprünge im 19. Jahrhundert. Von Julien Reitzenstein | Jüdische Allgemeine, 29.10.2019
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