Immer noch Kinderarbeit in usbekischer Baumwollindustrie – trotzdem investierte die Weltbank eine halbe Milliarde Euro in den letzten beiden Jahren in die usbekische Landwirtschaft.
In einem Monat, Anfang September, ist es wieder soweit. Dann beginnen die drei Monate dauernden Ernteeinsätze auf den Baumwollfeldern im zentralasiatischen Usbekistan.
Usbekistan ist der fünft-größte Baumwollproduzent weltweit. Nach internationalen Protesten gegen die Kinderarbeit in der usbekischen Baumwollindustrie und der Erklärung von 274 Firmen aus dem Textilsektor weltweit, deswegen keine usbekische Baumwolle mehr zu verwenden, hatten die usbekischen Behörden die Kinderarbeit 2014 gestoppt. Doch nun berichten Menschenrechtler von einer erneuten Einsatz von Kindern und weiterer Zwangsarbeit Erwachsener bei der Baumwollernte in dem zentralasiatischen Land.
Eine der Kritikerinnen dieser Kinder- und Zwangsarbeit ist die in Berlin lebende Exil-Usbekin Umida Niyazova, Vorsitzende des „Uzbek-German Forum for Human Rights“ (UGF). In Zusammenarbeit mit Mitarbeitern vor Ort in Usbekistan und der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ ist die Menschenrechtlerin zu dem Ergebnis gekommen, dass Kinder—und Zwangsarbeit in dem zentralasiatischen Land wieder zunehme.
Im vergangenen Jahr, so Umida Niyazova und HRW, sei eine Millionen Usbeken zum Ernteeinsatz auf den Baumwollfeldern gezwungen worden, darunter 200 Tausend Studenten und Schüler. Die jüngsten Erntearbeiter seien 10-jährige Kinder gewesen.
Schulen, Universitäten, Krankenhäuser schließen vielfach im September, dem Beginn der Ernteeinsätze, ihre Tore, damit ihre Mitarbeiter, Schüler und Studenten auf die Ernteeinsätze können. Dort erhalten sie 4 Cent pro gepflückte Kilo Baumwolle. Kaum jemand kommt so auf mehr als 40 Dollar im Monat.
Unabhängigen Kritikern der Zwangs—und Kinderarbeit, so die Menschenrechtler, drohten die Behörden mit Einschüchterungen, Entlassungen von der Arbeit, Kürzungen von Kindergeld und Sozialhilfe und willkürlichen Inhaftierungen. Die Ernteeinsätze werden von Polizei und Geheimpolizei überwacht. Dort herrsche eine Atmosphäre der Angst.
Auch usbekische Mitarbeiter des UGF sind von den staatlichen Schikanen betroffen
Eine von ihnen ist Elena Urlaeva. Sie hatte es gewagt, offen die Ernteeinsätze zu beobachten. Mehrfach war sie 2016 und 2017 von den Behörden festgenommen und einmal drei Wochen in einer psychiatrischen Klinik gegen ihren Willen behandelt worden.
Ein anderer Beobachter, der internationale Menschenrechtsorganisationen regelmäßig mit Informationen über die Ernteeinsätze versorgt hatte, Dmitrij Tichonow, hatte sich wegen zahlreicher Festnahmen und Angriffe zur Flucht aus Usbekistan entschlossen.
Genaue Zahlen, wie viele Kinder 2016 bei der Baumwollernte arbeiten mussten, könne man nicht nennen, so Umida Niyazova, Co-Autorin des von HRW und dem „Uzbek-German Forum on Human Rights“ Ende Juni herausgegebenen Berichtes „We can´t refuse to pick cotton“, da man nicht an allen Ernteeinsatzorten unabhängige Beobachter habe. Jedenfalls habe man in drei Gebieten sechs Schulen entdeckt, deren Kinder im Herbst auf die Baumwollfelder mussten.
Weltbank und ILO verharmlosen die Lage in der usbekischen Baumwollindustrie
2015 und 2016 hat die Weltbank ungefähr eine halbe Milliarde Euro in die usbekische Baumwollwirtschaft investiert.
Angesichts der Kritik von Kinder- und Zwangsarbeit in Usbekistan hatte die Weltbank die Internationale Arbeitsorganisation ILO beauftragt, mit einer eigenen Sonderkommission aus Regierungsvertretern, Arbeitergeber- und Arbeitnehmerorganisationen die Ernteeinsätze zu überwachen.
Und diese Kommission ist im Februar 2017 zur Auffassung gelangt, dass Kinderarbeit in der usbekischen Baumwollindustrie der Vergangenheit angehöre.
Mit dem nun veröffentlichten Bericht „We can´t refuse to pick cotton“ widerlegen die Menschenrechtler von HRW und UGF die Verharmlosung der Menschenrechtsverletzungen in der usbekischen Baumwollwirtschaft durch Weltbank und ILO.
„Es ist die Aufgabe der Weltbank, Armut zu bekämpfen. Aber arme Menschen sind in Usbekistan am stärksten von Zwangs- und Kinderarbeit betroffen“, so Jessica Evans von der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“, die gemeinsam mit Umida Niyazova Autorin des Berichtes „We can´t refuse to pick cotton“ ist. „Die Weltbank darf keine Projekte mehr finanzieren, die das Zwangsarbeitssystem unterstützen. Sie soll sich vielmehr auf Vorhaben konzentrieren, die die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse armer Menschen in den Vordergrund rücken“.
Weiterführende Links:
Das Uzbek-German Forum on Human Rights:
Die ILO ist der Auffassung, dass es auf den Baumwollfeldern Usbekistans keine Kinderarbeit mehr gibt. Hier deren Bericht:
http://www.ilo.org/ipec/Informationresources/WCMS_543130/lang–en/index.htm
Titelfoto: Anti-Slavery International: Eine Frau bei der Baumwollernte Herbst 2015 | Simon Buxton
6426
Leave A Comment