[Buchvorstellung]

Vor etwas mehr als einem Jahr, am 20. Januar 2018, begann der türkische Angriffskrieg gegen Afrin / Rojava und damit eskalierte die Vorgehensweise der Türkei gegen das selbstverwaltete und multiethnische Rojava-Projekt in Nordsyrien. Die Türkei verfolgt seit der Etablierung von Rojava eine feindselige Politik, die darauf zielt, Rojava zu zerschlagen oder zumindest zu schwächen. So hat die Türkei von Anbeginn die türkisch-syrische Grenze dichtgemacht und lässt nicht einmal humanitäre Hilfen nach Rojava passieren. Die Türkei setzt bei ihrer feindlichen Politik aber schon länger nicht allein auf die Grenzblockade. Islamistische und jihadistische Gruppen, die bereit waren gegen Rojava zu kämpfen, wurden und werden von der Türkei mit Waffen, Geld und Rückzugsräumen in der Türkei unterstützt. Selbst der „Islamische Staat“ konnte jahrelang recht ungestört über die Türkei Waffen, Kämpfer und Geld nach Syrien bringen. Dies ist nicht anders zu erklären als durch eine aktive Duldung der Türkei, die den IS lange als ein Werkzeug zur Bekämpfung Rojavas angesehen hat. Als der IS nach seinen Niederlagen in Syrien und im Irak an Schlagkraft verloren hatte und erkennbar war, dass andere islamistische und jihadistische Gruppen Rojava ebenfalls nicht ernsthaft gefährden konnten, musste die Türkei direkter vorgehen und mit der eigenen Armee Rojava angreifen.

Der Krieg gegen Afrin scheint indes nur die erste Stufe eines größeren Angriffs auf Rojava zu sein. Die Türkei versucht für einen neuen Angriff die Unterstützung oder zumindest Duldung der beiden Großmächte USA und Russland zu sichern. Der Afrin-Krieg war damals möglich geworden, weil die USA und Russland dies zuließen – und heute droht ähnliches im Bezug auf die übrigen Regionen von Rojava. Um die türkische Politik gegen Rojava adäquat einzuordnen und zu verstehen, müssen wir die Perspektive räumlich und historisch weiten. Im aktuellen Sammelband „Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei“ wollen dies leisten. Rosa Burç, Meral Çınar, Axel Gehring, Alp Kayserilioğlu, Ismail Küpeli, Kerem Schamberger, Mahir Tokatlı und Michael Wilk richten mit ihren Beiträgen den Blick auf Zusammenhänge, die in der öffentlichen Debatte unterbelichtet bleiben. So werden sowohl die politischen als auch gesellschaftlichen Entwicklungen in der Türkei analysiert, wozu selbstverständlich auch eine intensive Debatte um die Frauenbewegung in der Türkei gehört. Ausgehend von der zentralen Bedeutung der „Kurdenfrage“ gerät dann die Perspektive auf die anderen Seite der nationalstaatlichen Grenzen, nach Rojava. Hier fragen wir einerseits danach, ob Rojava eine Alternative zum Nationalstaat darstellt, und andererseits betrachten wir die Folgen des Afrin-Krieges sowohl für Rojava als auch für die Türkei selbst.

Die Publikation schließt mit einen Beitrag von Michael Wilk der davon berichtet, was der Krieg gegen Afrin ganz konkret für die Menschen dort bedeutet, nämlich Tod, Zerstörung und Vertreibung. Unter Bombenhagel versuchten Helfer_innen, wie etwa von Heyva Sor („Kurdischer Roter Halbmond“), Zivilist_innen zu behandeln und untersützen und wurden vielfach selbst zu den Opfer des türkischen Angriffskrieges. Derzeit droht eine weitere türkische Offensive gegen Rojava und so könnte sich das, was in Afrin geschah, auch in den anderen Teilen Rojavas wiederholen. Es gilt das zu verhindern.

Aus dem Inhalt

Ismail Küpeli: Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei: Vorwort

Ismail Küpeli: Hauptsache die Kurd_innen verlieren: Die türkische Nahostpolitik

Rosa Burç: Demokratische Autonomie: Staatenlos regieren als gesellschaftliche Alternative zum Nationalstaat in Nordsyrien und der Türkei

Kerem Schamberger: »Wir sind die Freie Presse« – Journalismus, Rojava und der Kampf um Afrin

Mahir Tokatlı: Präsidentialismus alla Turca und kurdophobe Aspekte des Weges dorthin

Meral Çınar: Der Aufschwung der Frauenbewegung in der Türkei

Axel Gehring: Afrin und die Krise der AKP. Zur Geopolitik des innertürkischen Burgfriedens

Alp Kayserilioğlu: Sieg der Diktatur? Die Türkei nach der Afrin-Invasion und den Wahlen 2018

Michael Wilk: Rojava – die türkische Invasion in Afrin

Ismail Küpeli (Hg.): Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei. edition assemblage, ISBN 978-3-96042-051-4

Der Band erschien Anfang Februar 2019

In Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung stellen die Autor*innen ihr Buch in den nächsten Wochen in den folgenden Städten vor:

14. März 19:00 Berlin Rosa Burç / Berivan Aslan
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1 10243 Berlin

4. April 19:30 Bremen Mahir Tokatlı / Münevver Azizoğlu Bazan
Kulturzentrum Kukoon, Buntentorsteinweg 29, 28201 Bremen

8. April 20:00 Frankfurt Mahir Tokatlı / Anita Starosta
medico international, Lindleystr. 15, 60314 Frankfurt am Main

11. April 18:00 Saarbrücken Axel Gehring / Anita Starosta
Peter-Imandt-Gesellschaft, Futterstraße 17-19, 66111 Saarbrücken

12. April 18:00 Kiel Ismail Küpeli / Anja Flach
Uni Kiel, Christian-Albrechts-Platz 4, 24118 Kiel (konkreter Raum noch nicht bekannt)

15. April 19:00 Erfurt Alp Kayserilioğlu / Evrim Sommer
RedRoXX, Pilse 29, 99084 Erfurt

16. April 19:30 Hamburg Mahir Tokatlı / Anja Flach
Centro Sociale, Sternstraße 2, 20357 Hamburg

17. April 18:00 Cottbus Alp Kayserilioğlu / Nelli Tügel
quasiMONO, Erich-Weinert-Str. 2, 03046 Cottbus/Chóśebuz

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