Von Frederik D. Tunnat

Was ich im Umgang mit der jungen Generation (20 bis 30 Jahre alt) feststelle, ist eine erhebliche Anspruchshaltung. Zwei Kinder einer guten Freundin, die ich regelmäßig sehe und spreche, mit denen ich Zeit verbringe, fahren drei bis fünf Mal pro Jahr in den Urlaub. Ich war früher vollauf zufrieden, meiner Familie einen Jahresurlaub im Sommer über vier Wochen bieten zu können. Die jungen Menschen sind Motor affin, sprich, mal muss es ein schweres Motorrad sein, mal ein Sportcoupe, mal ein SUV, in jedem Fall stets ein paar Nummern zu groß und zu teuer in Anschaffung und Unterhalt. Dennoch werden keine Kompromisse gemacht: Urlaub muss sein, Auto muss sein, Motorrad muss sein, Ausgehen muss sein, Fitnessstudio muss sein – immer und alles muss sein. Auf eine Sache verzichten, um sich etwas wirklich „leisten“ zu können, kommt nicht in Frage.

Dabei ist Job-Hopping angesagt, permanent und intensiv. Mal, weil woanders mehr zu verdienen ist, mal, weil man sich nicht selbst verwirklichen kann, der Stress zu groß ist, die Arbeit zu stupid, die Anforderungen zu hoch, was auch immer. Dass das alles nur halbwegs finanziell auf die Reihe zu bringen ist, weil die jungen Leute in jeweils einer Wohnung leben, die ihrer Mutter gehört, so dass sie keine Ausgaben für Miete haben, sondern allenfalls für die Nebenkosten aufkommen, geschenkt. Dankbarkeit dafür, die Einsicht, für den gewährten finanziellen Vorteil der Mutter etwas zu schulden, und sei es, ihr zu helfen den Rasen zu mähen, oder die Reifen ihres Autos zu wechseln, bei der Renovierung zu helfen – Fehlanzeige. Äußerst missmutig, widerwillig kommen die jungen Herrschaften gelegentlichen Bitten der Mutter nach, wenn Hilfe erforderlich ist. Wenn das nicht Anspruchsdenken auf hohem Niveau ist, dann verstehe ich die Bedeutung des Wortes nicht.

Es greift jedoch zu kurz, für das Anspruchsdenken und die Einstellung der jungen Leute pauschal oder vorwiegend Mutter oder Eltern verantwortlich zu machen. Natürlich kann man von einer liebenden Mutter nicht erwarten, sie überließe ihre Kinder der Obdachlosigkeit, so sie es sich leisten kann, sie in einer ihrer Wohnungen wohnen zu lassen. Sich ständig mit ihnen über Finanzen zu zoffen ist kontraproduktiv. Die Priorität der Kinder ist: ich bin jetzt jung, will leben, will Spaß haben. Das nicht zu verstehen und darauf zu verzichten, ihnen Geld abzuverlangen fürs Wohnen, damit sie sich wohl möglich einen Urlaub weniger leisten könnten, oder ihnen das drei Nummern zu große Auto und den damit verbundenen Fahrspaß nicht zu gönnen. Wo kämen wir denn da hin?

Klar besteht eine Wechselwirkung zwischen dem praktizierten Lifestyle der Kinder und dem Unbehagen der Mutter, sich immer und ewig mit ihren erwachsenen Kindern über Geld und Finanzen zu zoffen, statt klein beizugeben und es ihnen zu ersparen, zu lernen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, wozu bei Erwachsenen selbstredend gehört, die vollen Kosten fürs Wohnen selbst zu tragen, wie die für die Freizeitgestaltung, den Urlaub und die Motorisierung. Auch darf nicht vergessen werden, wo etwas vorhanden ist, wie die eine oder andere Wohnung, etwas Klimpergeld, da existieren unausgesprochen Ansprüche der nachwachsenden Generation. Wie kann die Mutter so herzlos sein, statt bis zu ihrem Tod zu warten, sich von ihrem selbst aufgebauten Vermögen zu trennen, damit es den Kindern gut geht und sie sich nicht selbst anstrengen müssen? Da wird also seitens der ältesten Tochter so lange herum genölt, dass den jüngeren Geschwistern kostenfreies Wohnen gewährt wird, bis es der Mutter reicht und sie sich vorab von einer noch nicht abbezahlten Wohnung trennt und diese der Tochter überschreibt. Statt Dank gibt es böses Blut, dass mit der Übertragung des Eigentums auch die Pflicht für den Abtrag der restlichen Hypothek auf die neue Besitzerin übergeht. So ist das im Leben. Aber die jüngeren Geschwister wohnen doch mietfrei. Der Hinweis, sie, die Tochter könne das Einzimmerapartment doch vermieten und so nicht nur die Hypothkenzinsen einfahren, sondern noch etwas Geld verdienen, wird ärgerlich damit kommentiert, dass man zum Vermieten die Wohnung erst mal aufpeppen und modernisieren müsse. Bisher lebte dort ein alter Mann und war überaus zufrieden mit der Wohnung. Doch das eigene Anspruchsdenken diktiert einen luxuriöseren Standard, bevor man die Wohnung dann für eine deutlich höhere Miete an den Mann bringen kann. Dumm nur, dass mit der Modernisierung weitere Kosten und eigenes Engagement verbunden ist. Inzwischen dümpelt die halb sanierte Wohnung seit zwei Jahren vor sich hin, wirft keine Miete ab, denn auf einen der üblichen Urlaube zu verzichten mag man sich nicht zumuten. Dann lieber kein Zusatzeinkommen, aber Lebensqualität muss sein.

Ich finde, meine Beispiele verdeutlichen, wie es um das Anspruchsdenken der jungen Generation bestellt ist, wie problematisch es der Elterngeneration fällt, gegenzusteuern. Letzteres würde ständige Auseinandersetzungen mit drei erwachsenen Kindern bedeuten, etwas, worauf Rentnerinnen nicht unbedingt Bock haben. Also arrangiert man sich mit dem Anspruchsdenken der Kinder, versucht es ein wenig zu kanalisieren, befeuert es ab und an, entgegen der eigenen Überzeugung, um des lieben Friedens willen, und um sich allzuviel Stress zu ersparen.

Das ist sie, die neue, anspruchsvolle Welt der jungen Generation. Im Grunde genommen kann meine Freundin noch froh sein, dass ihre drei Kinder arbeiten, statt sich arbeitslos zu melden, oder der Mutter auf der Tasche zu liegen. Als Mutter muss man in heutiger Zeit kleine Brötchen backen und mit wenig zufrieden sein, um nicht den Unmut des Nachwuchses zu wecken.

Titelbild: Olaf Arndt CC BY-NC-ND 2.0 DEED via FlickR

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