Die Harvard University hat die Forderungen der Trump-Regierung unmissverständlich abgelehnt. Ein starkes Signal, schreibt Ilja Leonard Pfeijffer, denn es ist eine Konstante in der Geschichte, dass Diktatoren oder Regime mit autoritären Bestrebungen ihre Macht festigen wollen, indem sie sich Universitäten unter den Nagel reißen.
Essay von Ilja Leonard Pfeijffer | 21. April 2025
Am vergangenen Montag, dem 14. April, ist die Harvard University um zwei Milliarden Dollar ärmer geworden. Die US-Regierung unter Donald Trump hat entsprechend ihren früheren Drohungen verfügt, diese astronomische Summe an zugesagten staatlichen Subventionen einzubehalten, als Reaktion auf die Entscheidung der Hochschule, den Forderungen der Regierung nicht nachzukommen.
Diese Forderungen hatte die Regierung auch anderen Universitäten gestellt. Sie liefen darauf hinaus, vier angebliche Missstände zu beseitigen. Es sollte gegen Antisemitismus vorgegangen werden, womit gemeint ist, dass pro-palästinensische Proteste der Studenten unterbunden werden müssen. Es wurde Transparenz bei den Einstellungsverfahren für wissenschaftliches Personal gefordert, womit gemeint ist, dass die Regierung kontrollieren will, dass keine Frauen oder Minderheiten aufgrund von inzwischen tabuisierten Diversitätsprogrammen eingestellt werden.
Gleichzeitig wurde Diversität gefordert, in dem Sinne, dass die angebliche Dominanz progressiven Gedankenguts beendet und sichergestellt werden müsse, dass konservative Standpunkte in den Lehrplänen der Universität vertreten seien. Schließlich wurde die Universität aufgefordert, ausländische Studierende aus Ländern, die die Regierung als unfreundlich betrachtet, vom Studium auszuschließen.
Andere Universitäten, darunter namentlich die Columbia University, versuchten, ihre Finanzierung zu sichern, indem sie diesen Forderungen nachkamen, Harvard lehnte dies jedoch ab. Diese Weigerung war zwar heroisch, aber weniger heroisch, als es den Anschein hatte, denn Harvard ist von allen amerikanischen Universitäten die Einrichtung, die es sich am ehesten leisten kann, den Zorn der Regierung auf sich zu ziehen.
Harvard ist 140 Jahre älter als die Vereinigten Staaten von Amerika, verfügt über ein Budget, das größer ist als das Bruttoinlandsprodukt von 100 verschiedenen Ländern, und ist die Alma Mater von acht US-Präsidenten. Dennoch war der Widerstand von Harvard ein wichtiges und notwendiges Signal, denn, wie der Vorsitzende des American Council on Education, Ted Mitchell, sagte, hätte sich Harvard gebeugt, wäre es für die anderen amerikanischen Universitäten fast unmöglich geworden, an ihren Prinzipien festzuhalten.
Diese Forderungen an die Universitäten folgten auf frühere Verordnungen der Trump-Regierung, die bereits die akademische Freiheit einschränkten. Die berüchtigte Executive Order 14168, die Trump zu Beginn seiner Amtszeit im Januar unterzeichnete, enthielt ein Verbot bestimmter Wörter, die auf die seit kurzem offiziell verpönte Gender-Ideologie oder auf Diversitätsagenden verweisen könnten.
Weniger mutige Minidiktatoren in spe wie Geert Wilders bedienen sich der feigen Waffe der Kürzungen von Finanzmitteln
Forschungsprogramme zum Klimawandel wurden eingestellt. Amerikanische Wissenschaftler geraten in Panik. Sie haben Angst. Sie schicken verzweifelte E-Mails an europäische Kollegen, in denen sie aus Angst Codewörter verwenden. Ich habe von einem Dekan einer amerikanischen Universität gelesen, der Personenschutz erwog.
Frankreich hat ein Programm aufgelegt, um amerikanischen Wissenschaftlern Zuflucht zu gewähren, und niederländische Wissenschaftsorganisationen wie die KNAW und das NIAS, die ein feines Gespür für das weltweite akademische Klima haben, sind zu dem Schluss gekommen, dass die Bedrohung amerikanischer Wissenschaftler so ernst ist, dass sie bereit sind, ihnen wissenschaftliches Asyl zu gewähren. Das NIAS erwägt, sein „Safe Haven“-Programm, das für verfolgte Wissenschaftler gedacht ist, für Amerikaner zu öffnen. „Wer hätte das gedacht“, sagte NIAS-Direktor Jan Willem Duyvendak, „das Land, das als Hüter der akademischen Freiheit bekannt war. Es ist eigentlich zu schrecklich, um es in Worte zu fassen.“
Wenn diese Initiativen der amerikanischen Regierung ausschließlich auf die inhaltliche Kontrolle der wissenschaftlichen Lehre und Forschung abzielen würden, wäre dies schon besorgniserregend genug. Aber es ist noch schlimmer. Die akademische Welt als solche steht unter Beschuss. Am 2. November 2021 fand in Orlando, Florida, die National Conservatism Conference statt. Die Abschlussrede hielt J.D. Vance, der zu dieser Zeit in Ohio für einen Sitz im Senat kandidierte und heute, wie bekannt, Trumps Vizepräsident ist.
„Lieber rot als Experte“
Seine Rede trug den Titel „The Universities Are the Enemy“ (Die Universitäten sind der Feind). „Wenn wir die Dinge erreichen wollen, die wir für unser Land und für die Menschen in unserem Land erreichen wollen“, sagte er, „müssen wir die Universitäten in diesem Land entschlossen und aggressiv angreifen.“ Er schloss mit einem Zitat von Richard Nixon: „Der Feind ist ein Professor.“ Dieses Gefühl hat kürzlich auch Elon Musk zum Ausdruck gebracht, als er am 5. April auf X jemandem antwortete, der die Wirtschaftsanalysen von Peter Navarro, einem wichtigen Handelsberater von Trump, mit dem Argumentum ex auctoritate (Argument aufgrund von Autorität) verteidigte, dass der betreffende Mann einen Doktortitel von Harvard habe: „Ein PhD in Wirtschaft von Harvard ist etwas Schlechtes“, schrieb Musk, „nicht etwas Gutes“.
Es ist eine Konstante in der Geschichte, dass Diktatoren oder Regime mit autoritären Ambitionen in einem frühen Stadium ihre Macht zu festigen versuchen, indem sie neben dem Parlament, der Justiz und der Presse auch die Universitäten weitgehend unter ihre Kontrolle bringen. Die Angriffe auf die Wissenschaft, die akademische Freiheit und Professoren trugen zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Masken und waren jeweils unterschiedlich motiviert, stimmten aber in ihrer beabsichtigten Wirkung erschreckend überein.
Fast unmittelbar nach der Machtübernahme Adolf Hitlers als Reichskanzler wurden die deutschen Universitäten von jüdischen, sozialistischen und kommunistischen Mitarbeitern gesäubert. Die Haltung der Nationalsozialisten war vielleicht nicht unbedingt wissenschaftsfeindlich, sie war aber ausgesprochen anti-intellektuell. Die Lehrpläne und Forschungsprogramme wurden germanisiert. Es gab sogar eine „deutsche Physik“, die die Relativitätstheorie und die Quantenphysik widerlegen sollte, weil diese als jüdische Irrlehren galten. In der jungen Sowjetunion wurden die Universitäten mit harter Hand an die stalinistische Ideologie des Regimes angeglichen.
Die chinesische Kulturrevolution war zweifellos das extremste Beispiel für die Einschränkung der akademischen Freiheit durch ein Regime. „Lieber rot als Experte“ war ein Slogan der Roten Garde. Mao schloss die Universitäten, und seine Gardisten verfolgten, demütigten und ermordeten die Professoren. Wissen als solches wurde als ein verabscheuungswürdiges Privileg der Bourgeoisie und als reaktionäre Kraft angesehen, die es mit Stumpf und Stiel auszurotten galt.
Nach der islamischen Revolution wurden die Universitäten im Iran zunächst geschlossen und anschließend von westlichen Einflüssen gesäubert. Während der Diktatur Pinochets wurden die Universitäten in Chile unter militärische Kontrolle gestellt und gemäß der Ideologie des Regimes reformiert.
Viktor Orbán hat die von George Soros gegründete Central European University aus Ungarn vertrieben, mit der Begründung, die Universität verfolge eine politische Agenda. Die Ungarische Akademie der Wissenschaften wurde unter staatliche Kontrolle gestellt, und einzelne Universitäten werden von regierungsnahen Stiftungen verwaltet.
In der Türkei wurden die Universitäten von politischen Gegnern Recep Tayyip Erdoğans gesäubert, denen vorgeworfen wurde, Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu unterhalten. Die Lehrpläne wurden entsprechend den von der Regierung vorgegebenen nationalistischen und moralischen Werten überarbeitet.
In Russland sind die Universitäten seit 2022 verpflichtet, patriotische Werte zu vermitteln und die Ukraine als feindliche Macht darzustellen. Robert Fico hat angekündigt, die Fachbereiche Geschichte und Soziologie an den Universitäten in der Slowakei reformieren zu wollen, weil sie zu westlich geprägt seien.
Der stellvertretende Ministerpräsident Italiens, Matteo Salvini, hat wiederholt mit einem Lächeln im Gesicht erklärt, dass Professoren Feinde des Volkes seien. Weniger mutige angehende Mini-Diktatoren wie Geert Wilders in den Niederlanden bedienen sich der feigen Waffe der Sparmaßnahmen, die nicht weniger wirksam ist.
Die Offensive ist ein Angriff auf die Elite, die in Trumps Augen die äußerst unerwünschte Neigung zeigt, selbstständig zu denken
Der Grund, warum die Universitäten den Diktatoren ein Dorn im Auge sind, ist, dass sie dazu neigen, Wahrheiten zu verkünden, die von den Machthabern als unerwünscht angesehen werden. So sind wissenschaftlich belegte Theorien zum Klimawandel für die Trump-Regierung inakzeptabel. Gleiches gilt für die wissenschaftlich fundierte Feststellung, dass es biologisch unhaltbar ist, von nur zwei Geschlechtern auszugehen, für historische Forschungen, die die Gräueltaten der Sklaverei aufdecken, und für soziologische Studien zur systematischen Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Der Angriff auf die akademische Welt ist in erster Linie ein Angriff auf diese Wahrheiten.
Mindestens ebenso wichtig ist die ideologische Komponente. Die erwähnte Rede von Vance in Orlando befasst sich vor allem mit diesem Thema. Die amerikanischen Universitäten werden von ihm und nun auch von der amerikanischen Regierung als progressive Brutstätten und linke Propagandamaschinen betrachtet, die die Jugend Amerikas mit verwerflichen Ideen über Wokeness, Palästina, kritische Rassentheorie und die problematische Vergangenheit der größten Nation der Erde indoktrinieren.
Da die neuen Machthaber das propagandistische Potenzial der universitären Ausbildung erkennen, versuchen sie, die akademische Welt zu einem Sprachrohr ihrer eigenen Ansichten umzugestalten. Ihre Bemühungen, die Kontrolle über die Universitäten zu erlangen, sind Teil eines Kulturkampfs, des „langen Marsches durch die Institutionen“, wie Rudi Dutschke es nannte, der in der Terminologie von Antonio Gramsci ein Kampf um die „kulturelle Hegemonie“ ist.
Es gibt doch Google
Doch die Offensive gegen die akademische Welt ist vor allem ein Angriff auf die Wissenschaft als solche, denn Trump weiß, dass Wissenschaft und Wahrheit die gefährlichsten Gegner seiner Herrschaft sind. Wer durch Lügen und alternative Wahrheiten regiert, muss die Hüter wissenschaftlicher Methoden der Wahrheitsfindung als seine Erzfeinde betrachten.
Die Offensive ist ein Angriff auf die Elite, die in seinen Augen die äußerst unerwünschte Neigung zum unabhängigen Denken an den Tag legt, und sie ist eine populistische Befriedigung der Bauchgefühle seiner Anhänger, unter denen die Vorstellung vorherrscht, dass das gesunde Volksempfinden keine Wissenschaft braucht und dass es ohnehin keinen Respekt mehr vor Spezialisten gibt, da seit der Erfindung von Google jeder ein Spezialist ist und weil alles zu einer Meinung geworden ist. Als solches hat der Angriff auch unverkennbare revanchistische Züge. Die Offensive gegen die Universitäten ist ein Angriff auf die Intelligenz, denn kollektive Dummheit ist die solideste Machtbasis für jeden Diktator.
Dieser Essay von Ilja Leonard Pfeijffer erschien ursprünglich am 19. April 2025 unter dem Titel „Nu ook in de VS te behalen: een master in collectieve domheid.“ in der belgischen Zeitung „De Morgen“. Übersetzung ins Deutsche: Jürgen Klute
Titelbild: Harvard University; by HarvardUni_0053 CC BY 2.0 DEED via FlickR
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