Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Können Sie sich vorstellen, dass gerade in dem Augenblick, in welchem Sie begonnen haben diesen Beitrag zu lesen, einem Baby der Schädel eingeschlagen wird? Leider ist es so, ich möchte heute über die Jagd auf die Robbenbabys mit Ihnen reden: weshalb und wie sie gejagt werden, dass nicht nur Babys Opfer der Jäger sind; was jeder von uns tun kann, um diese Grausamkeit zu stoppen.

Zunächst musste ich für mich selbst ein paar Dinge klären: sind Seehunde und Robben dasselbe? Robben mit sichtbaren Ohrmuscheln nennt man auch “Seelöwen” oder “Seebären”, wenn man hingegen die Ohrmuscheln nicht sieht, dann spricht man von “Seehunden”. Babys sind im Alter zwischen einem Tag und zwei Wochen für die Wirtschaft von höchstem Interesse, warum? Man nennt diese Kleinen „Whitecoats“, denn deren Fell ist noch weiß und extrem flauschig, daher umso begehrter. Das besonders Schlimme, Whitecoats sind nicht in der Lage vor den Jägern zu fliehen, sie sind somit eine extrem leichte Beute. Sie liegen einfach da auf dem Eis in der Hoffnung, dass ihr weißes Fell sie in all dem Weiß des Eises unbemerkbar macht. Und nein: das geübte Auge der Jäger findet sie sofort und da nützen die Kulleraugen der Babys gar nichts. Kein Erbarmen, die Jäger sehen nur ein kostbares und gut verkäufliches Fell. Besonders wichtig: dieses Fell soll möglichst „rein“ bleiben. Wenn ein „korrektes Umbringen“ einen gezielten Schlag oder Schuss in den Kopf zwecks sofortiger Betäubung vorsieht, wobei außerdem noch die Adern unter den Flossen aufgeschlitzt werden müssen, damit das Tier möglichst schnell verendet, dann kann man sich vorstellen, dass wohl kein Jäger ein weißes Fell mit Blut verschmutzen wird. Wozu den auch? Das Tier wird soundso gehäutet, lebendig, betäubt oder tot. Ich frage mich, wer schafft schon solche Regeln, die reine Augenauswischerei sind?

1983 konnten Tierschutzorganisationen endlich ein Verbot der Jagd auf die Weißmäntel erringen. Doch dies bedeutet lediglich, dass ab dem 14. Tag, wenn das Fell grau wird, die Tiere, die weiterhin Babys bleiben, wie bisher massakriert werden. Ein Großteil der gejagten Robben ist somit zwischen 2 Wochen und 3 Monate alt, sie werden nie das erwachsene Alter erreichen.

Doch was bedeutet eigentlich „geregelt Jagd“? Laut einem Artikel von Holidogtimes sterben nahezu 80% der Robben nicht nach dem ersten Schlag. Viele werden bei lebendigem Leibe gehäutet. Manche schaffen es, sich trotz der Wunden ins Wasser gleiten zu lassen, um dort – elendiglich- aber wenigstens mit Fell zugrunde zu gehen.  Ein Boot hat Anrecht auf 400 Robben pro Tag, ein Jäger auf 250. Als die Europäische Union und Russland den Handel mit Robbenprodukten boykottiert haben, kam man soweit, dass neue Produkte erfunden wurden und dass nicht selten, der Körper der Robbe einfach der Verwesung überlassen wurde, da keine ausreichende Nachfrage für Robbenfleisch war.

Wozu verwendet man aber eigentlich Robben? Sie wurden seit jeher überall dort gejagt, wo es sie gibt (von Norwegen bis Namibia). Jeden Frühling suchen beispielsweise grönländische Robben die Eisschollen vor den kanadischen Küsten auf, um ihre Babys zu bekommen – und das wird ihnen zum Verhängnis. Grundsätzlich wurden sie getötet, um das Fleisch, das Fell, das Fett und die Knochen zu verwerten. Eskimos zum Beispiel waren sehr wohl auf die Robbenjagd angewiesen, um zu überleben. Wir hingegen verwenden das Fell (möglichst das weiße), das Öl und vielleicht das Fleisch – in manchen Erdteilen beginnt man sogar das männliche Glied der Robben zu verwerten (was läßt sich der Mensch sonst noch einfallen?). Was mich sehr schlimm überrascht hat, ist die Tatsache, dass aus der Fettschicht der sogenannte „Blubber“ gewonnen wird. Dieser dient unter anderem der Gewinnung von Omega-3-Fettsäurekapseln! An dieser Stelle möchte ich eine Klammer öffnen: für viele Präparate, wie eben diese Kapseln gibt es vegane Versionen. Es reicht, einen Blick ins Internet zu werfen, im Bioshop oder in der Apotheke nachzufragen.

Die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage werden Robben nicht zwecks Überlebens, sondern rein aus industriellen, aber oft auch aus touristischen Gründen auf brutale Art und Weise umgebracht.

Der Spiegel berichtete 2004 über den Jagdtourismus in Norwegen.

Reiseveranstalter boten Robbenjagd für Touristen als spektakuläres Ferienerlebnis an. 2001 sprach ein Artikel über Jagdpässe für Touristen in Norwegen. 2005 erschienen weitere Artikel, wo darüber berichtet wurde, dass Kanada-Urlaube aus der Wunschliste gestrichen wurden.

Die Jagd auf Robben hat aber nie aufgehört, es gab lediglich zunehmende und abnehmende Fangquoten, wobei der Markt sehr stark vom Boykott Europas und Russlands beeinflusst wurde. So durften beispielsweise laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahre 2010 Robben (N.B. ab März) bis zum 15. Mai in Kanada für kommerzielle Zwecke gejagt werden. Auch in Grönland und Namibia werden Robben gejagt, insgesamt werden pro Jahr nach EU-Schätzungen etwa 900.000 Robben getötet. (N.B. Dieser Link kann eventuell nicht sofort zum gewünschten Artikel führen, Sie brauchen nur den Link einzugeben oder aber den Titel des Artikels, dann erreichen Sie die Seite)

Ich habe bereits mehrmals einen Boykott erwähnt, worum geht es eigentlich? Insbesondere in Kanada lebt ein Teil der Wirtschaft von der Robbenjagd. In dem Moment, wo allerdings keine oder eine drastisch reduzierte Nachfrage nach Robbenprodukten herrscht, zerbricht diese Wirtschaftsbranche. Genau dies geschah nach dem Jahre 2010. 2009 hatte das EU-Parlament ein weitreichendes Handelsverbot verabschiedet, das Robbenfelle und andere Produkte wie Öle und Tran, der heutzutage in der Kosmetik oder Medizin verwendet wird, betrifft. Von diesem Verbot sind lediglich Produkte ausgenommen, die von den Inuit, den arktischen Ureinwohnern, hergestellt sind, denn sie verfolgen keine kommerziellen Zwecke. Einzig und allein dieses drastische Einfuhrverbot für Robbenartikel seitens der Europäischen Union, aber dann auch seitens Russlands konnte diese mörderische Wirtschaft wenigstens zum Teil zum Einbruch führen. Die Verbote wurden allerdings von Kanada und Norwegen sogar vor der Welthandelsorganisation angefochten, allerdings erfolglos. Das Verbot ist mit den WTO-Gesetzen kompatibel und die EU durfte es aufgrund öffentlicher moralischer Tierschutzbedenken einführen. Allerdings wurde bald ein neuer Abnehmermarkt gefunden: China. Was war die häufigste Begründung der Tierschützer gegen Robbenbaby-Jagd? Die Tatsache, dass sie oft bei lebendigem Leib gehäutet werden, denn der Schlag auf den Schädel gibt keine 100%ige Sicherheit, dass das Tier effektiv tot sei. Warum passiert es, dass ein Schlag nicht ausreicht? Der Grund ist, dass die Robben bereits eine gewisse Fettschicht am Kopf aufgebaut haben, die ein Durchdringen des Hakens verhindern kann.

Hier ein Ausschnitt aus einem Artikel vom deutschen Tierschutzbund: „Durch einen Schlag auf den Hinterkopf mit der stumpfen Seite des Hakens soll der Schädelknochen sofort brechen und das Tier bewusstlos werden. Doch oft wird dafür mehrfach zugeschlagen. Dann wird die Spitze des Hakapik tief ins Gehirn der Robbe getrieben. Durch einen Schnitt durch die Blutgefäße der Vordergliedmaßen soll das Tier ausbluten und das Bewusstsein verlieren. Aber manche Jäger setzen keinen Schnitt, um das Fell nicht zu verschmutzen. So kommt es vor, dass ein Tier nicht tot ist, wenn es enthäutet wird.

Können Sie sich das vorstellen? Das Tier wird nicht den Regeln entsprechend umgebracht, um das Fell nicht dreckig zu machen? Hier etwas mehr im Detail ein Artikel von Deutschland-Funk aus dem Jahre 2008.

Ein hoher Anteil der getöteten Tiere wird mit Knüppeln und so genannten Hakapiks erschlagen. Hakapiks sind Knüppel, die einen spitzen Dorn auf der Seite haben und es ist natürlich schwierig, hier festzustellen, ist ein Tier nach dem ersten Schlag schon tot?“ Um das sicherzustellen, seien die Jäger nun angewiesen worden, den Robben die Schlagadern unter den Flossen zu durchtrennen. Bevor ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird, müssten zudem die Pupillen der Tiere auf Reflexe überprüft werden. Auf diese neuen Regelungen verweist zumindest das kanadische Fischereiministerium: „Ob das in der Form wirklich auf dem Packeis in der Situation, wo ein Tier getötet wird, gemacht wird, das ist die große Frage. 12.000 Robbenjäger können in der kurzen Fangsaison nicht überprüft werden, auch nicht durch staatliche Inspektoren.“

Irgendwie habe ich einen leisen Zweifel, dass jemand, der imstande ist, einem Baby den Schädel einzuschlagen, sich allzu viele Sorgen und Mühe macht, noch zu checken, ob die Pupillen effektiv so sind, wie sie bei einem toten Tier sein sollten. Wenn die Jagd hingegen mit dem Gewehr vom Schiff aus erfolgt, kann es noch schlimmer kommen. Durch die Bewegung des Wassers haben die Jäger keinen sicheren Stand und können somit nicht gut zielen. Das heißt, sie müssen öfters schießen. Wie oft wird wohl ein Schuss daneben gehen, wenn man entweder vom Schiff oder sogar aus der Luft schießt? Hat man von dort aus, irgendeine Chance, die Pupille der Robbe zu überprüfen, um zu sehen, ob sie ja auch gestorben ist? Vielleicht mit einem Fernglas? Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent der Robben nicht richtig getroffen wird.

Immer der Deutschland-Funk: Die so genannten White coats. Das sind die Robben, die noch ihr Babyfell haben, was in den ersten zwei Wochen weiß ist und die Tiere müssen dann nach der Säugephase ihr Fell wechseln, bevor sie überhaupt ins Wasser gehen und durch ihr Fell geschützt sind.“ Zwar hat die kanadische Regierung das Töten der Neugeborenen gestoppt, die Jagd ging aber trotzdem weiter. Die Tiere wurden einfach zwei Wochen später tot geknüppelt. Für viele Fischer – so das Argument der Kanadier – sei der Robbenfang nach wie vor die wichtigste Einnahmequelle: „Wir sind keine Barbaren, wie einige Leute meinen, wir wollen nur den Lebensunterhalt für uns und unsere Familien verdienen.“

Kann der Mensch nur so widerwärtig sein, dass er einfach zwei Wochen später demselben Baby den Schädel einschlägt, und sich dabei mit Gott und der Welt in Ordnung fühlt, weil er ja kein Neugeborenes, sondern nur ein Baby umgebracht hat? Das ist Perversion pur.

Was der Mensch aber nicht mit einem Hakapik oder einem Gewehr imstande ist, das erreicht er durch die Folgen des Klimawandels. Die Eisdecke zieht sich zunehmend zurück und wir vernichten das Habitat der Robben. Wie trauen wir uns, uns „Menschen“ zu nennen?

Erlauben Sie mir aber, zu unseren „Whitecoats“ zurückzukehren. Gerade, weil die Reinheit des Fells so wichtig ist, haben die Tierschützer begonnen, die Felle der Neugeborenen zu verfärben, dadurch wurden die Tiere nicht mehr nutzbar.

Als endlich nach etlichen Jahren die Zahl der umgebrachten Robben zurückging, erhöhte die kanadische Regierung wiederum die Fangquoten drastisch. Warum das denn? Die Regierung und die Fischereilobby behaupteten, der Rückgang der Kabeljaupopulation wäre durch die zunehmende Robbenpopulation verursacht, da aufgrund der geringeren Jagd plötzlich mehr Robben da waren.

Das war allerdings eine pure Ausrede, da die Öffentlichkeit verstärkt auf diese grausame Praktik aufmerksam und somit die Jagd verstärkt unakzeptabel wurde. Menschen wie Paul Mc Cartney oder Brigitte Bardot, ließen sich mit Robbenbabys fotografieren, um die Allgemeinheit zu sensibilisieren.

Man vermied es, die Wahrheit zu erklären, nämlich, dass der Robben-Speiseplan maximal ca. 3% Kabeljau vorsieht und dass Robben die Jungfische der Raubfische essen, die ihrerseits auf Kabeljau Jagd machen. Der Fischbestand ging somit zurück, weil nicht genügend Robben da waren, um die Raubfische zu verzehren. In diesem Artikel von Paul Watson, dem Gründer von Sea Shepherd, kommt dieser Zusammenhang sehr deutlich zum Vorschein.

Dieser Beitrag ist mir besonders schwergefallen, da die Artikel, die ich dafür gelesen habe, leider sehr explizit sind. Andrerseits ist das die Realität. Aber gerade deshalb möchte ich mit zwei positiven Aspekten zum Ende kommen.

Immer Paul Watson von Sea Shepherd hat noch 1994 eine Alternative für die Jäger vorgeschlagen: „Mit Hundebürsten kämmen die Männer die weißen Haare des Babypelzes ab. Darunter ist schon das grausilberne „Erwachsenen-Fell“ der Robbenkinder gewachsen. Die Tiere lassen sich die Behandlung gefallen – manche drehen sich von selbst auf den Rücken, um sich den Bauch striegeln zu lassen. (…) Die Vision des Tierschützers: Das Haar der Robbenbabys soll zu Futter für Winterjacken verarbeitet oder zu Garn versponnen werden.“

Interessant außerdem, wie hier aus einem DuMont Reisetaschenbuch zitiert wird, wo es um das bestbewahrte Robbenfangschiff Norwegens geht und um die Tatsache, dass sehr einseitig über die Robbenjagd gesprochen wird; DuMont spricht Klartext, indem gesagt wird, dass die Tiere oft bei lebendigem Leib gehäutet wurden.

Und sie verweisen gleichzeitig auf den Tierschutzbund, der noch expliziter wird:

Etwa 750.000 Robben töten und häuten Jäger weltweit jedes Jahr für kommerzielle Zwecke. Der Großteil der Jagden findet noch immer in Kanada, Grönland und Namibia statt. Über 90 Prozent der getöteten Tiere sind Jungtiere im Alter von zwei Wochen bis drei Monaten.

Erschlagen mit dem Hakapik – Schlag auf den Hinterkopf mit der stumpfen Seite des Hakens soll der Schädelknochen sofort brechen – doch oft wird dafür mehrfach zugeschlagen – Spitze tief ins Gehirn der Robbe getrieben – Schnitt durch die Blutgefäße der Vordergliedmaßen soll das Tier das Bewusstsein verlieren –  manche Jäger setzen keinen Schnitt, um das Fell nicht zu verschmutzen – so kommt es vor, dass ein Tier nicht tot ist, wenn es enthäutet wird. (…)

Kommen wir aber zum zweiten positiven Aspekt, mit dem ich diesen Artikel ausklingen lassen möchte.

Sieben Spieler der deutschen Handball-Nationalmannschaft haben sich vor Beginn der Europameisterschaft aus Protest gegen die Robbenjagd mit nackten Oberkörpern ablichten lassen, es wurden ihnen auch künstliche Blutspuren aufgetragen. „Rettet die Robben“ nennt sich die Kampagne, mit der PETA und die Handballer „gegen das blutige Töten der Tierbabys in Kanada“ protestieren wollen. Hier der Link dazu.

Ich ersuche Sie aus Respekt gegenüber dieser Aktion dieser sieben Sportler, deren Videobotschaft anzuschauen und zu verbreiten.

Hier geht es zur PETA Petition, die noch unterschrieben werden kann. Ich habe gerade eben mitgemacht.

Wir können Robbenprodukte boykottieren, wir können über diese Grausamkeit reden, Petitionen unterschreiben, unseren Kindern mit angebrachten Worten erzählen, dass es Menschen gibt, die Tieren viel weh tun, ohne dass es notwendig wäre.

Es kann nicht sein, dass diese Grausamkeiten erst dann enden, wenn es kein Eis mehr gibt, worauf sich die letzte Robbe hinlegen kann. Wir werden doch soviel Gewissen haben, vorher einzuschreiten. Wir brauchen keine Robbenfelle, wir brauchen keine Tierfelle, lassen wir diese armen Geschöpfe endlich in Ruhe. Wer gibt uns das Recht, Tiere zu züchten, Babys zu ermorden, um ein modisches Kleidungsstück zu tragen? Sagen wir bitte NEIN zu all dem – IAMA!

Titelbild: Robbenparadies Helgoland | Bjoern Schwarz CC BY-SA 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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