Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser von IAMA,

Ich wollte schon seit längerem über dieses Thema schreiben. Das ist aber nicht in fünf Minuten gemacht. Denn jeder Satz enthält soviel Grausamkeit, dass es einem schwer fällt, einen solchen Beitrag zu verfassen. Wie üblich stelle ich Ihnen und auch mir dieselbe Frage: “Kann der Mensch so schrecklich erfinderisch sein, wenn es darum geht, ein Tier zu misshandeln?”

Zu Beginn habe ich noch gezögert. Mit der Antwort. Mittlerweile kommt sie schneller als ich die Frage zu Ende formuliert habe. Ja, ohne jeglichen Zweifel. Der Mensch ist unendlich kreativ, wenn es darum geht, Profit, Wirtschaft, Handel, Konsum und Genuss zu fördern – auf Kosten von Leben. Vor allem von Tierleben. Doch kommen wir endlich zum Eingemachten. Worum geht es heute? Um PMGS Pregnant Mare  Serum Gonadotropin – ein Hormon, das im Blut der tragenden Stuten enthalten ist. Pharmafirmen produzieren daraus Hormonprodukte, die zum Beispiel die Schweinezüchter einsetzen, um die Zucht rentabler zu gestalten. Wie bitte? Ja, das war auch meine Reaktion. Hier die Details – dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2022, doch dieses barbarische Verfahren ist gute 40 Jahre alt:

Die Bilder aus Island sind unfassbar grausam: Stuten werden mit Holzbalken geschlagen, um sie in enge, verrostete oder vergammelte Fixier-Boxen zu treiben. Dort wird ihnen eine fünf Millimeter dicke Kanüle in die Halsvene eingeführt, um fünf Liter Blut abzuzapfen. Stuten, die sich vor Schmerzen und Panik wehren, haben keine Chance. Viele wissen schon, was auf sie zukommt und sind bereits vom letzten Mal traumatisiert, wenn sie in die Boxen kommen. Erst wenn der letzte Tropfen Blut im Kanister ist, dürfen sie wieder raus. Denn diese Tortur bringt den Pferdebesitzern viel Geld. Und den Blutstuten extreme Qualen…”

Die Stuten sind meist halbwilde Tiere, die niemals an den Umgang mit Menschen gewöhnt wurden. Sie dienen lediglich der Fleischfabrik oder eben der Blutabnahme. Terrorisierte Tiere, die wöchentlich dieselbe Folter durchmachen müssen. Geschlagen, getrieben, misshandelt und traumatisiert. Das alles, damit die Schweinezucht wiederum produktiver wird. Tiere werden emotional, seelisch und physisch misshandelt, brutalisiert, damit andere Tiere schneller einen grausamen Tod finden können. Paradox? Nein, ganz einfach “menschlich rational erklärbar”.

Mit PMSG wird die Ferkelproduktion industriell getaktet. Das Hormon lässt Muttersauen gleichzeitig brünstig werden, die Geburten laufen auf wenige Stunden genau synchron ab – und entsprechend können die Schweine auch alle gleichzeitig zum Schweinemäster. Es ist ein Geschäft, bei dem es nur darum geht, die Produktionskosten so niedrig wie möglich zu halten, um billiges Schweinefleisch anbieten zu können – auf Kosten der Tiere.”

Das Schlimmste kommt noch. Ursprünglich kam dieses Geschäftsmethode aus Südamerika. “So wurden auf Blutfarmen in Südamerika den Stuten bis zu zehn Liter Blut pro Woche abgenommen. Dabei starben immer wieder Stuten und oft wurden die Fohlen abgetrieben. So konnten die Stuten zweimal im Jahr besamt werden. Das alles deckten die Tierschützer auf. Ein Aufschrei ging um die Welt. Mit scheinbarem Erfolg: „Vier von fünf europäischen Pharmafirmen haben danach den Import aus Argentinien und Uruguay gestoppt“ Gestoppt, denn ab dem Zeitpunkt wurde die Produktion nach Island verlegt. Und das mit derselben, wenn nicht noch einer schrecklicheren Grausamkeit. Island, der Traum vieler Touristen. Diese Bilder werden aber wohl nicht in den Reisebüros hängen, nehme ich an. Warum auch? Diese Methoden müssen geheim gehalten werden, die Außenwelt darf nur die idyllischen Bilder sehen.

Ausgerechnet Island: Das Land zwischen Feuer und Eis ist nämlich für seine Islandpferde berühmt – und hatte bislang einen guten Ruf. Doch die Bilder der Tierschützer zeigen eine grausame Realität. Und die ist gar nicht so neu: „Die Produktion des Fruchtbarkeitshormons PMSG ist in Island ein ‚Big Business‘, das seit rund 40 Jahren besteht und in den letzten zehn Jahren erheblich gewachsen ist. Auf der Insel handelt nur „Isteka ehf“ mit PMSG. Das isländische Pharmaunternehmen bezieht das Blut der Stuten hauptsächlich von vertraglich gebundenen und überwachten Farmen. Das Blut wird dann im Labor zu einem reinen PMSG-Pulver verarbeitet und an andere Pharmaunternehmen verkauft. Das Geschäft mit dem Blut zeigt „Isteka ehf“ in einem Imagefilm: Da werden die Stuten liebevoll gestreichelt, die Atmosphäre ist entspannt, alle wirken sehr kompetent.

All das aus Geldgier und Profitdrang:

Die meisten Stuten, die in Island zur Blutentnahme verwendet werden, stammen aus der Fleischindustrie. Doch längst ist das Blutgeschäft für die Bauern rentabler: „Rund 80 bis 100 Euro bekommen sie für ein Fohlen“, sagt Informant Hreggvidur Hermansson den Tierschützern. „Und 430 Euro für das Blut der Mutter. Die Fohlen sind für die Farmer längst nur ein Nebenprodukt des lukrativen Blutgeschäfts.“
Dazu kommt: Die Schlachthäuser wissen, dass ihre Lieferanten eine neue Einnahmequelle haben – und drücken die Preise für Fohlen. Die Folge: Der Preis für das Schlachten von Fohlen ist in den letzten Jahren drastisch gesunken. Für die tragenden Stuten bedeutet das: Sie müssen „liefern“. Fünf Liter Blut werden ihnen pro Woche abgenommen. Rund 40 Liter werden im Schnitt insgesamt abgenommen – pro Saison! Das sind bis zu 20 Prozent mehr, als sie Blut im Körper haben.”

Wie kann so etwas akzeptiert werden? Der Grund ist Unwissen. Wenn jemand nicht informiert ist, dann kümmert es einen auch nicht. Doch gerade darum geht es. Die Animal Welfare Foundation hat heuer 2023 wieder einen Dokumentarfilm zu diesem Skandal veröffentlicht. Außerdem läuft einen Petition.

Doch es reicht nicht, Petionen zu unterzeichnen und sich ein wenig aufregen, wenn man solche Dinge liest. “Ach die armen Pferdchen, ach die bösen Isländer”. Nein! Das Problem muss an der Wurzel gelöst werden. Wenn die Schweinezuchtindustrie alles tut, um rentabler zu werden, dann heißt das, dass es irgendwo VerbraucherInnen gibt, die möglichst viel Schweinefleisch zum niedrigst möglichen Preis haben wollen. Wir sind schuld! Wir Konsumenten. Wir müssen umdenken. Es reicht nicht, dass wir über die bösen Züchter schimpfen. Schluss mit der Mini-Max-Regel und endlich Ja zu Respekt für das Tierleben. “Heute sind die Fohlen längst nur noch ein billiges Nebenprodukt des Blutgeschäfts. Die Farmer verdienen mit dem Blut einer Stute ungefähr viermal so viel wie mit einem “Schlacht”fohlen.” Schlachtfohlen?? Wo leben wir? Kann es das sein, dass wir uns bewusst sind, dass für unser billiges Stück Fleisch Fohlen, Ferkel, Kälber, Lämmer, Küken – Babies massakriert werden müssen? Macht uns das nichts aus? Kennt die menschliche Vorstellungskraft wirklich keine Grenzen, wenn es um Grausamkeit geht? Nein, leider nicht. Grenzenlos. Unendlich.

Sie brauchen weitere Details? Bitte sehr! Sie finden übrigens auch einen sehr aufschlussreichen Trailer in diesem Artikel:

Damit das Geschäft läuft, werden die Stuten in Fixierboxen getrieben – und dabei mit Eisenstangen und dicken Holzbalken brutal geschlagen. „Das ist Pferdequälerei und strikt verboten. Das ist strafbar, nach dem Gesetz kann es eine hohe Geldstrafe bedeuten, Gefängnis bis zu zwei Jahre und den Verlust der Erlaubnis, Tiere zu halten“, sagt der isländische Anwalt Árni Árnason. Sein Fazit: „Die Pferde werden geschlagen, sind in Panik, es werden Hunde zum Treiben genutzt – all das verstößt eindeutig gegen das isländische Tierschutzgesetz.

Nun mal ganz ehrlich, wenn es sich um eine solch enorme Einkommensquelle handelt: welche Regierung wird sich mit einer solch mächtigen Wählerschaft schon in den Clinch legen? Wirtschaft und Politik – wo besteht denn hier noch eine minimal Chance für Tierschutz und Tierrechte? Einer der ärgsten Aspekte dabei ist, dass gerade die Behörde, welche die Einhaltung der Tierwohlnormen überwachen sollte, die Videoaufnahmen der Animal Welfare Foundation untersuchen soll.

Doch die Berichte der Tierschützer haben auch Island aufgeschreckt. Denn bis vor wenigen Monaten wussten die meisten Isländer nicht, wie es auf den Blutfarmen zugeht. Jetzt will MAST, die isländische Lebensmittel- und Veterinärbehörde, die verdeckten Aufnahmen der Tierschützer untersuchen. Dabei gerät auch die unter Druck. Denn: Die für die Überwachung der Blutfarmen ist sie selbst zuständig.”

Wer glaubt denn schon, dass es dabei zu einer neutralen und objektiven Bewertung kommen wird? Wie jemand sagen würde “und die rosa Elefanten haben Flügel”.

Die Blutfarmen sind über die ganze Insel verteil: In nur zehn Tagen fanden die Tierschützer auf Island 40 Blutfarmen. Insgesamt sind ihnen dort aktuell 119 Blutfarmen bekannt, auf denen 5.386 Blutstuten „genutzt“ werden. Und es sollen noch viel mehr werden: „Jetzt soll die Produktion noch einmal vervierfacht werden“, sagt Gurtner. Heißt: Bald könnten 20.000 Stuten leiden – und bis zu 20.000 Fohlen als „Abfallprodukt“ anfallen.”

Was ist der letzte Stand? Die Animal Welfare Foundation hat heuer einen neuen Dokumentarfilm veröffentlicht.

Wenige Wochen nach der Veröffentlichung unseres Dokumentarfilms “Island – Land der 5.000 Blutstuten” im November 2021 wurde dem Parlament ein Gesetzentwurf vorgelegt, der ein Verbot der Blutentnahmen von trächtigen Stuten fordert. Der Gesetzentwurf wird derzeit von einem parlamentarischen Ausschuss geprüft. Gleichzeitig hat die Landwirtschaftsministerin eine Arbeitsgruppe beauftragt, die Rechtsgrundlagen und die wirtschaftliche Bedeutung der PMSG-Gewinnung zu untersuchen und bis im Juni 2022 Ergebnisse und Empfehlungen zu präsentieren.

Wir unterstützen den isländischen Gesetzesantrag sowie den Beschluss des Europäischen Parlaments vom Oktober 2021, welcher die EU-Kommission dazu auffordert, sowohl den Import als auch die EU-weite Gewinnung von PMSG zu stoppen.

Trotz heftiger öffentlicher Diskussion hat die isländische Agrarministerin im August 2022 eine neue Verordnung erlassen. Sie erlaubt weiterhin Blutentnahmen bis 2025. Die Qualen gehen unvermindert weiter. Einzige Änderung: Die Blutentnahmen sind jetzt staatlich genehmigt. Für die Pferde ändert sich nichts. Man darf Stuten weiterhin fünf Liter Blut pro Woche und insgesamt 40 Liter Blut pro Saison entnehmen. 2025 will das Agrarministerium eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der PMSG-Gewinnung in Island treffen. So lange werden wir den Druck auf die Regierung und die Profiteure des Qualgeschäfts aufrechterhalten.

Die AWF hat heuer einen weiteren Film veröffentlicht. Es ist sehr wichtig, dass man über diese Gräueltaten spricht. Denn so etwas liest man kaum in einer Tageszeitung. Sie fragen sich, was ändert das schon, wenn Sie darüber reden oder nicht? Dann stellen Sie sich einfach folgendes vor: “„Die Tiere leiden unter einer erheblichen Reduzierung des Blutvolumens, was auch zu einem sogenannten Volumenmangelschock führen kann. Die regelmäßigen Einstiche in die Halsvene können schmerzhafte Entzündungen und Thrombosen hervorrufen. Und in den Boxen geht die Qual weiter: Viele Stuten wehren sich – doch sie haben keine Chance. Ihre Köpfe werden hochgebunden. Eine Stute wehrt sich auch dann noch so verzweifelt, dass sie stürzt und mit ihrem ganzen Gewicht im Halfter hängt.”  

Schließen Sie kurz die Augen und stellen Sie sich das vor. Dann wissen Sie, warum es essentiell ist, dass Sie mit Freunden und Familie darüber reden. Endlich Schluss mit all dem. Wenn Sie etwas unternehmen möchten, hier geht es zur Kampagne “Island: Schluss mit dem Blutgeschäft”.

Doch, bevor ich Ihnen wie üblich dafür danke, eine kurze Zusatzinformation. Denn wir haben bisher über Extra-EU-Gebiet gesprochen – Drittstaaten. So eine Praxis wird es ja in der EU doch nicht geben, oder? So etwas, wäre “bei uns” doch nicht geduldet? Na, da irren Sie sich.
“Auch das EU-Parlament hat sich bereits mit dem Thema beschäftigt. So hat es bereits im November beschlossen, dass der Import und die heimische Produktion des Hormons PMSG verboten werden soll. Doch die notwenige EU-Verordnung lässt noch auf sich warten. Für die Tierschützer unverständlich. Denn: Die Tierzucht kann auch ohne PMSG wirtschaftlich arbeiten. Nur: Das wäre etwas mehr Aufwand.” Die Folge dieses “auf sich warten lassen”?

“In einem Thüringer Gestüt wird trächtigen Stuten Blut zur Herstellung eines umstrittenen Hormonpräparats abgezapft. Das Thüringer Gesundheitsministerium und das betroffene Gestüt in Meura, erklärten, dass die Methode dort schon länger angewandt und den entsprechenden Behörden bekannt sei. Zuvor hatte die «Animal Welfare Foundation» (AWF) über die Methode dort informiert und sie kritisiert. Der Prozess sei nicht als Tierversuch einzustufen und daher weder anzeige- noch genehmigungspflichtig. «Wir machen ja nichts Verwerfliches, die Stuten werden ständig überwacht», sagte Sendig. Nach Darstellung des Gesundheitsministeriums liefert das Gestüt seit vielen Jahren ein aus dem Blut gewonnenes Serum als PMSG-Rohstoff an ein Pharmaunternehmen in Sachsen-Anhalt, das in diesem Jahr teils an eine französische Firma verkauft worden ist.” Also ein ganz sauberes, EU-weites Geschäft. Wer hätte das geahnt? ” (Quelle)

Nach Aussagen der Tierschutzorganisationen nimmt man den Tieren auf den Stutenfarmen zu schnell zu viel Blut ab: Bis zu zehn Liter pro Woche. Das ist in etwa ein Viertel der gesamten Blutmenge eines Pferds. Auf den Filmaufnahmen sieht man, wie teils extrem geschwächte Pferde brutale Schläge und Tritte erleiden.

Die ungeborenen Fohlen der Stuten sind ein unerwünschtes Nebenprodukt der PMSG-Produktion. Sie sterben oft schon aufgrund der Strapazen und des andauernden Blutentzugs im Mutterleib. Ansonsten tötet man sie meist durch eine Abtreibung per Hand, sobald die schwangeren Stuten kein PMSG mehr produzieren. So kann man die Stuten schnellstmöglich wieder decken und zur erneuten PMSG-Bildung anregen. Sind die Stuten nicht mehr in der Lage, schnell genug schwanger zu werden, gehen sie in die Schlachtung. Das Pferdefleisch aus diesen Betrieben gelangt auch in die EU. Die Abnahme großer Blutmengen führt bei den Tieren zu einem hohen Verlust an Flüssigkeit, roten Blutkörperchen und Proteinen. Auf Dauer sinkt die Immunabwehr. Es kommt zu Erschöpfung, Abmagerung, Blutarmut und Fehlgeburten. Nach letzteren erhalten die Stuten keinerlei tierärztliche Behandlung. Ein qualvoller Tod kann die Folge sein. Laut den Recherchen der TierschützerInnen sterben aufgrund des brutalen Umgangs und der auszehrenden Prozedur der Blutabnahme jährlich 30 % der Stuten.

In Deutschland sind sechs Arzneimittel mit dem Wirkstoff PMSG zugelassen. Sie dienen allein oder in Kombination mit anderen Hormonpräparaten dazu, den Sexualzyklus bei Schweinen und Wiederkäuern (Rindern, Schafen und Ziegen) auszulösen oder zu synchronisieren. Systematisch wird das Mittel hierzulande in der Ferkelproduktion genutzt.”

Gut, das reicht jetzt, ich glaube, jetzt ist klar, warum man darüber reden soll. Ich habe die Eurogroup for Animals angeschrieben, um zu wissen, was der allerletzte Stand ist. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Danke – IAMA

Hier weitere Beiträge dazu von der Animal Welfare Foundation.

Titelbild: Island horses by Kate Ter Haar CC BY 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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