Von Frederik D. Tunnat

Laut einer kleinen Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann im Jahr 2018, musste die Bundesregierung von Angela Merkel einräumen, dass unvorstellbare 18,2 Millionen Menschen in Deutschland, seit Einführung im Jahr 2004, Hartz IV beziehen mussten. Wir haben inzwischen 2024. Gehen wir also davon aus, dass binnen weiterer sechs Jahre nochmals mindestens 7,3 Millionen Menschen (18,2 Mio. durch 14 J. Mal 20 J.) zusätzlich auf Hartz IV angewiesen waren, auch wenn sich diese soziale Zumutungsleistung heute beschwichtigend Bürgergeld nennt, so kommt eine aberwitzige, unvorstellbare Summe von über 25 Millionen Deutsche zusammen, die kurz- oder langfristig auf Hartz IV angewiesen waren! Anders ausgedrückt, durfte rund ein Drittel aller Deutschen die unendlich kostbare Erfahrung durchleben, wie es ist, zu nicht existenzsichernden Konditionen zu leben, von Deutschlands ineffizienter, überbezahlter Bürokratie gegängelt und drangsaliert zu werden, um elementarer Grundrechte beraubt, als Erwachsene behandelt zu werden, wie kleine Kinder von einem autoritären Vater. Ich denke derartige existentielle, verstörende Erfahrungen haben das Zeug, unter der Rubrik Trauma einsortiert zu werden. Dass Deutschlands psychotherapeutische Praxen seit 2004 aus allen Nähten platzen, dürfte hierin eine wesentliche Ursache haben.

Da wir inzwischen wegen massenhafter Ausweitung der Teilzeit- und Minijobs angeblich bombastische 44 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland haben (eine Mogelpackung wie so vieles im heutigen Deutschland, denn rechnet man die künstlich aufgeteilten und lächerlichen Minijobs raus, ist man wieder bei um die 36 Mio. Arbeitsplätzen, wie vor Hartz IV), machen die Hartz IV Empfänger davon ca. 52% aus. Zahlen, die beweisen, wie verheerend erfolglos die gesamte Hartz IV Gesetzgebung war und ist, nicht mehr und nicht weniger, als eine staatlich verordnete Neuauflage des Pauperismus des 19. Jahrhunderts, als schon einmal der größte Teil der deutschen Bevölkerung existentieller Armut und Ausbeutung ausgeliefert war. Der fundamentale Unterschied: war es damals federführend die SPD, die den Pauperismus anprangerte und erfolgreich bekämpfte, war es vor 20 Jahren ausgerechnet die in sich zusammenfallende SPD, die den aktuellen, sozusagen Pauperismus 2.0, schuf.

Die Zahl von über 25 Millionen Hartz IV Beziehern binnen 20 Jahren entpuppt sich noch weitaus entsetzlicher, wenn man berücksichtigt, dass durch Hartz IV zahlreiche, ehedem Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeit- und Minijobs umgewandelt wurden, um den Unternehmen und ihren Besitzern Sozialabgaben und Steuern zu sparen. Hierfür dürfen wir ohne Übertreibung nochmals ca. 9 Millionen prekäre Zeitarbeitsverhältnisse, aufgeteilte und Minijobs hinzurechnen. Damit sind wir bei 36 Millionen Arbeitnehmern, die, aus welchem Grund auch immer, sich in den letzten 20 Jahren gezwungen sahen, sich zeitweilig oder langfristig von und mit Hartz IV auseinanderzusetzen. Mehrere Millionen der „wundervollen“, angeblich „neuen“ Hartz IV Arbeitsplätze sind ehemalige tarifliche Vollzeitstellen, die heute so miserabel bezahlt werden, dass diese Arbeitnehmer „aufstocken“ müssen, sprich vom Hartz IV Sozialsystem auf Kosten der Steuerzahler alimentiert werden, um Vollzeit ihren sklavenähnlichen Jobs nachgehen zu können, da sie ohne aufstockendes Hartz IV nicht einmal die Wohnung bezahlen können, noch die Heiz- und Stromkosten, geschweige denn eine ausgewogene, gesunde Ernährung für sich und ihre Familie.

Wer will und kann bei all diesen Zahlen noch mit Fug und Recht behaupten, Hartz IV sei ein Erfolg gewesen? Da frage ich doch lieber: Für wen?

  • Profiteure von Hartz IV: Zahlreiche Unternehmen und deren Inhaber oder Aktionäre. Sicher auch Deutschlands Beamte und öffentlichen Dienst, da zahllose neue Verwaltungs-Jobs geschaffen wurden und werden, um der Masse von Hartz IV/Bürgergeldbeziehern überhaupt Herr zu werden.
  • Verlierer durch Hartz IV: Die liegen auf der Hand: mindestens die Hälfte bis 2/3 aller abhängig Beschäftigten in Deutschland, zusätzlich der in Armutsrente geschickten Millionen von Rentnern, denen „dank“ Hartz IV erhebliche Teile ihrer erworbenen Rentenansprüche abgesprochen, weg gerechnet, vorenthalten wurden und werden.

Die in beängstigendem Tempo um sich greifende Altersarmut, die es im 20. Jahrhundert ähnlich nur ein, zwei Jahrzehnte in Deutschland gab, bevor sie dank sozialer Maßnahmen und Rentner freundlicher Gesetzgebung beseitigt wurde, kehrt, wie zu schlimmsten Zeiten des entfesselten Kapitalismus des 19. Jahrhunderts nach Deutschland zurück.

Ein unbegreifliches, völlig inakzeptables, zudem unnötiges Phänomen, das durch die fetten Maden aus Beamtenschaft und öffentlichem Dienst konterkariert wird. Diese winzige Bevölkerungsgruppe (1,4%), die nicht nur hundertprozentige Arbeitsplatzgarantie genießt – was zu preußischen Zeiten als Ausgleich für mickrige Besoldung eingeführt wurde – hat es verstanden, sich, abseits des für das Gros der deutschen Bevölkerung geltenden sozialen Abstiegs, zu nie gekannten Einkommens- und Pensionshöhen aufzuschwingen, die mittlerweile zwischen dem drei bis vierfachen dessen betragen, das Rentnern und Vollzeit arbeitenden Leiharbeitern zugestanden wird. Die ausraubende, auf Kosten der Mehrheit lebende Existenz früherer Adliger wurde mittlerweile von unseren Beamten und öffentlich Bediensteten übernommen.

Während frühere Adlige jedoch so etwas wie ein soziales Gewissen und Verantwortungsgefühl für ihre Mitarbeiter und Untergebenen besaßen, führen sich Deutschlands Beamtenschaft und öffentlich Bedienstete, vermehrt um die Riege der Politiker, heute so auf, wie die früheren, blutsaugenden Kapitalisten des industriellen Zeitalters. Gnadenlos, ohne jegliche Empathie, führen sie Gesetze und Bestimmungen aus, die ihre, in den Parlamenten Deutschlands mit über 50% aller Abgeordneten dominierenden, aus der Beamtenschaft stammenden Politiker sich einfallen lassen, um soziale Ausraubung zu Gunsten ihres Berufsstands und der sie stützenden Berufsgruppe der Beamten umzusetzen, so ihre seit 50 Jahren stets steigenden Einkommen, auf Kosten der Masse der Bevölkerung Deutschlands, zu sichern.

Angesichts meines Alters verfüge ich über Erfahrung aus mittlerweile sieben Jahrzehnten. Als aufmerksamer Beobachter meiner Zeit habe ich die soziale Aufholjagd nach Ende des Zweiten Weltkriegs bis Ende der 1970er Jahre miterlebt. Ebenso den zunächst unter Kanzler Kohl und seiner CDU/FDP Regierung einsetzenden, schleichenden sozialen Abstieg weiter Bevölkerungskreise, der sich nach der Wiedervereinigung rasant beschleunigte, um in den Jahren 2002 bis 2004 in den sozialdarwinistischen Grausamkeiten Kanzler Schröders, Vizekanzlers Fischers wie des Verräters jeglicher sozialdemokratischer Ideale, Peter Hartz, kumulierte. Kanzlerin Merkel nutzte Schröders Vorlage gnadenlos, um ihre Landsleute, maßgeblich jene im Osten, in falscher sozialer Sicherheit zu wiegen. Merkel, die angebliche „Mutti“ der Nation,  hat vornehmlich ihre ostdeutschen Landsleute, letztlich auch die im Westen, eiskalt und brutal für ein „Linsengericht“ an den früheren „Klassenfeind“ verschachert. Nebenbei hat Merkel die Renaissance des europäischen Kriegsirrsinns, aktuell nur in der Ukraine, maßgeblich ermöglicht, so durch ihre dümmlich-nostalgische Appeasementpolitik gegenüber Putin (Minsk eins und zwei, Nord-Stream, Verzwergung der Bundeswehr).

Von hier aus, dem CDU-Feldherrenhügel zu Berlin (auch Kanzleramt genannt), geht’s und ging es weiter steil bergab, nicht für die Vermögenden und Besitzenden der Republik, aber, wie die oben zitierten Zahlen beweisen, für den größten Teil der werktätigen Bevölkerungn Deutschlands. „Dank“ Hartz IV sind Existenz- und Zukunftsangst längst in der, diesen Staat ausmachenden, größten Bevölkerungsgruppe – dem Mittelstand – nicht nur angekommen, sondern viel hunderttausendfach salonfähig geworden. Der soziale Abstieg einschließlich der Verarmung großer Teile der Bevölkerung sind inzwischen eine unleugbare Tatsache. Die drangsalierte, entrechtete und verarmte Bevölkerung Deutschlands weiß sich in ihrer Not scheinbar nicht anders zu helfen, als ihr Heil bei den Bauernfängern vom rechten Rand, den Wiedergängern der besiegten, völlig gescheiterten Nazis zu suchen. Der Zulauf und politische Erfolg von AfD und BSW hat ihre vornehmliche Ursache in der seit nunmehr zwei Jahrzehnten anhaltenden, brutalen sozialen Ausbeutung und Verarmung von weit mehr als der Hälfte der Bevölkerung Deutschlands durch die eigene Regierung und ihren Beamtenapparat.

Anhaltende Realitätsverweigerung sowie lächerliche politische Nostalgie bringen die SPD um den verbliebenen Rest ihrer ehemaligen Existenzberechtigung. Die einst als Reformer und gesellschaftlichen Veränderer angetretenen Grünen haben sich in ihre inzwischen finanziell und ideologisch wohl gepolsterte Minderheitenecke zurückgezogen, während die lächerlich kleine FDP sich an den Rockzipfel der Vermögenden und Ausbeuter unseres Staates klammert, um so ihr armseliges politisches Überleben zu sichern. Derweil lassen die in die Armut gezwungenen Bürger – jung wie alt – in ihrer Verzweiflung die gefährlichen Puppen der Vergangenheit tanzen, verhelfen ihnen zu neuem, unerwünschtem Erfolg, in der trügerisch-dümmlichen Hoffnung, wie unsere Vorfahren 1933, die selbsternannten, sich selbst ermächtigenden Führer und lächerlichen Führergestalten in AfD und BSW würden ihre Versprechen nicht ebenso brechen, wie weiland Adolf Hitler, und Deutschland erneut in eine existentielle Katastrophe manövrieren.

Deutsche haben, besonders wenn sie sozial und existentiell unter Druck stehen, die fatale Tendenz, sich wie Lemminge für denjenigen Anführer zu entscheiden, der sie mit tödlicher Sicherheit erst auf die Klippen, und von dort, in den sicheren Tod führt. Dass der Tod der deutschen Lemminge, die bisher die Existenz der Beamteten und politischen Maden sichern, auch deren Ende und Tod herbeiführt, zwangsläufig, scheint diesen egoistischen Entscheidern und Verwaltern unseres Staatswesens in ihrer ausufernden Realitätsverweigerung nicht bewusst zu sein. Statt Deutschland sozial zu befrieden, es erneut etwas sozial gerechter zu machen, um den Verfassungsfeinden von links wie rechts den Wind aus den Segeln zu nehmen, unternimmt die Ampel, mit dem Instinkt von Dekadenten, Todgeweihten, alles in ihrer Macht Stehende, um den Untergang unseres Staates und seines Gemeinwesens, das trotz allem noch einer verblassenden Demokratie ähnelt, zu beschleunigen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat 2018 eine interessante Untersuchung über die Einkommensverteilung in Deutschland von 1871 bis 2013 vorgelegt. Diese würde, rechnete man die Zahlen des letzten Jahrzehnts bis 2023 hinzu, noch darwinistischer ausfallen, als ohnehin. So stellt das DIW fest, dass „Über alle politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen des 20. Jahrhunderts hinweg hat sich vor allem der Einkommensanteil der Top-Zehn-Prozent wenig verändert. In den vergangenen Jahrzehnten hat vor allem die untere Hälfte der Bevölkerung verloren: Erhielt sie 1960 noch mehr als 30 Prozent des Volkseinkommens, waren es 2013 nur noch 17 Prozent (vor Steuern und staatlichen Transferleistungen).

Besonders erschreckend verdeutlichen die beiden, aus der Untersuchung entnommenen Grafiken, wie sozial ungerecht sich die Einkommen in Deutschland binnen der letzten 60 Jahre entwickelten.

Die DIW Untersuchung fährt fort: Die untere Hälfte der Einkommensverteilung erhielt ungefähr ein Drittel des Gesamteinkommens (Abbildung 3) … in den frühen 1970er Jahren fiel der Einkommensanteil der unteren Hälfte auf ein Fünftel des Gesamteinkommens. Parallel stieg der Anteil der mittleren 40 ProzentUm das Jahr 2000 wendete sich allerdings das Blatt und der Anteil der unteren Hälfte sank von 22 Prozent im Jahr 2001 auf 17 Prozent im Jahr 2013.

Gleichzeitig wuchs aber auch der Niedriglohnsektor überdurchschnittlich. Insgesamt stiegen die Einkommen der oberen Hälfte der Einkommensverteilung zwischen 2010 und 2013 deutlich stärker als die der unteren Hälfte.

Die Top Zehn Prozent steigerten ihren Einkommensanteil ziemlich kontinuierlich von der Nachkriegszeit bis heute. Die wirklich hohen Spitzeneinkommen bleiben allerdings bis heute den Unternehmenseignern vorbehalten.

Trotz der Krise nach der Wiedervereinigung und der weltweiten Wirtschaftskrise im Jahr 2009 stieg der Einkommensanteil des obersten Perzentils deutlich. Der Anteil dieser Gruppe wuchs zwischen 1983 und 2013 um gut ein Drittel, während der Anteil der unteren 90 Prozent um zehn Prozent zurückging (Abbildung 5).“

Übrigens hatte ich bereits vor ca. 25 Jahren, als bundesweit über die hohe Zahl an Arbeitslosen und über Hartz debattiert wurde, folgende Idee, die ich nicht nur im privaten und beruflichen Umfeld vertrat, sondern auch mehreren höherrangigen Mitarbeitern der damaligen Arbeitsagentur unterbreitete: gemäß meiner Idee hätten wir das System beim Alten belassen; Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, sowie getrennte Sozialhilfe. Um Geld zu sparen, sowie nebenbei die körperliche und seelische Gesundheit von Arbeitslosen zu verbessern, beinhaltete mein Vorschlag, Arbeitslose auf freiwilliger Basis versteht sich, rund ums Mittelmeer in den touristischen Zentren von Türkei, Tunesien, Marokko, Spanien und Italien unterzubringen. Speziell über die Wintermonate boten zahlreiche Hotels der Region Unterbringung plus Vollpension pro Monat zwischen 150 bis 300 Euro, je Land und Hotelkategorie, an. Hinzu kamen einmalig die An- bzw. Abreisekosten per Flugzeug, ebenfalls für 150 bis 300 Euro zu haben.

Abseits der üblichen Neiddiskussion, nach der Arbeitslose ja eh faul und arbeitsscheu sind und sich auf Kosten der Steuerzahler einen faulen Lenz machen wollen, hätte das mediterrane Klima inklusive ihrer gesunden, dennoch preiswerten Kost, bewirkt, dass viele Arbeitslose aufgeblüht wären, gesundheitlich wie seelisch. Sobald man ihnen einen fair bezahlten Job in der Heimat hätte bieten können, wären sie gestärkt und motiviert zurückgekehrt in den grauen Norden, und hätten hoch motiviert ihre neue Tätigkeit zum eigenen, wie dem Wohl des Unternehmens und der Steuern aufnehmen können.

Das Arbeitsamt hätte vor Ort, also rund ums Mittelmeer entweder regionale Büros betreiben können, wo sich die ausgelagerten Arbeitslosen über Jobs informieren könnten, sowie Qualifizierungsmaßnahmen anbieten können. Auch diese Qualifizierungen, im entspannten Ambiente ums Mittelmeer, hätten weit bessere Resultate erzielt, als diejenigen in der Heimat.

Für das Arbeitsgeld bzw. die Arbeitslosenhilfe hätte die Auslagerung eines nennenswerten Teils der Arbeitslosen spürbare Einsparungen bedeutet. Man hätte, anders als wegen Hartz IV, keine neue Mammutbehörde aufbauen müssen, hätte massiv Verwaltungskosten gespart, hätte die Ausgaben der arbeitnehmerfinanzierten Leistungen ALG und ALH um 1/3 bis ½ reduzieren können, ohne den damaligen und heutigen sozialen Kahlschlag. Deutschland hätte heute dramatisch weniger, mehrere zehntausend, Beamte und öffentlich Bedienstete zu ernähren, Arbeitslose wären nicht dauerdeprimiert und demotiviert, würden nicht elementarer Bürgerrechte beraubt, und würden für die Dauer ihrer Arbeitslosigkeit seelisch wie körperlich auftanken können, allein schon wegen der Urlaubsatmosphäre und der Sonne.

Im Nebeneffekt hätten massenhaft rund ums Mittelmeer ausgelagerte deutsche Arbeitslose dazu beigetragen, die Region nachhaltig wirtschaftlich und damit politisch zu stabilisieren. Der arabische Frühling wäre ein Erfolg geworden, Europa und Deutschland würde nicht von Massen von Einwanderern überlaufen, die ins Land geströmten Gelder hätten die Länder wirtschaftlich und politisch stabilisiert, hätten den diktatorischen Tendenzen wirksam Paroli geboten. In Deutschland gäbe es keine Wohnungsnot, keine aberwitzige Inflation wegen steigender Mieten.

Im Grunde genommen ist es noch nicht zu spät, meine Idee, unsere Arbeitslosen rund ums Mittelmeer auszulagern, umzusetzen. Natürlich fallen inzwischen bestimmte Länder fort, doch was für eine enorme ökonomische Spritze würde diese Maßnahme für zahlreiche Mittelmeerländer bedeuten. Es wäre quasi eine Verhundert- oder Vertausendfachung unserer Entwicklungshilfe, eine Investition in politisch stabilere Verhältnisse in den betreffenden Ländern. Außerdem würde die Masse deutscher Arbeitsloser, bezahlt und unterhalten von Deutschland, der deutschen Außenpolitik und Politik völlig neue Möglichkeiten und Einflussnahme eröffnen.

Natürlich müssten speziell FDP und CDU/CSU wie Deutschlands Behörden und Politik über ihre massiven Vorurteile gegenüber Arbeitslose springen. Ohne Neid, rein sachlich, kühl durchkalkuliert würde sich die Idee für alle Seiten – Bundesregierung, Arbeitslose und Gastländer – rechnen. Eine Win-Win Situation der besonderen Art.

Mit ein wenig gutem Willen ließe sich das Modell auf Rentner, zumindest die, die geistig und gesundheitlich flexibel genug sind, übertragen. Auch ihre in Deutschland mickrigen, nicht existenzsichernden Renten wären in manchen Mittelmeerländern genug wert, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Bei entsprechender Planung und sorgfältiger Umsetzung ließe sich sogar ein Teil der Probleme der Pflegeheime über das Ausland lösen. Dort stehen billige, willige Arbeitskräfte zur Verfügung. Entsprechend umgebaute Hotels wären hervorragende Pflegeheime. Das ins Land strömende Geld würde Menschen dort im Land halten, würde helfen, die politischen Verhältnisse zu stabilisieren. Die EU könnte mit Geldern helfen, um die benötigte Infrastruktur für deutsche Rentner, Arbeitslose und Pflegefälle zu verbessern.

Weshalb um alles in der Welt kommt und kam diese Idee nicht von unseren Politikern? Wer die Dinge einmal durchrechnet, sich neben den logistischen Problemen mit der Umsetzung befassen würde, könnte unschwer das enorme, vielfältige Potenzial einer solchen Maßnahme erkennen. Ich würde mir von allen Seiten, den deutschen Politikern und Beamten, den Rentnern, Arbeitslosen und Pflegefällen (nicht dement) mal etwas Springen über den eigenen Schatten und ein wenig Mitdenken wünschen. So viele Probleme ließen sich teilweise lösen und würden zu einer massiven Einsparung in den Haushalten des Bundes, der Länder, der Rentenversicherung etc. führen. Denken wir groß, nach allen Seiten offen, global, statt national statt Bundeslandhaft. Dann wäre bereits viel gewonnen.

Wie die Reaktion auf den aktuellen Vorschlag der Wohnungsbauministerin, Menschen könnten aus den überfüllten Ballungszentren in den ländlichen Raum ziehen, zeigt, sind Deutsche, weder Bürger noch Politiker, zu vorurteilsfreiem Denken in der Lage. Genau denselben Vorschlag habe ich bereits vor Jahren im Zusammenhang mit armutsgefährdeten Rentnern gemacht. Weshalb, so fragte ich seinerzeit, sollte es auf freiwilliger Basis nicht möglich sein, dass Rentner ihre zu teuer gewordenen Stadtwohnungen gegen ein hübsches, billigeres Refugium auf dem Land eintauschen? Ich kenne Beispiele aus der Familie. Nach der Scheidung war eine Tante plötzlich arm, musste mit wenig Geld und kleiner Rente auskommen, musste das gemeinsame Haus in der Stadt verlassen. Sie zog in die bayerische Provinz. Wie der Zufall wollte, wurde sie Nachbarin von Herrn Höcherl, einem veritablen Politiker der CSU, viele Jahre Abgeordneter im Bundestag und Minister. Nachdem sich die Tante mit Frau Höcherl angefreundet hatte, verfügte sie sogar über die Möglichkeit, das Denken und Handeln des Bundestagsabgeordneten indirekt zu beeinflussen. Herr Höcherl ließ sich ab und an von der Tante und seiner Frau überzeugen.

Also, was spricht gegen einen Umzug aufs Land? Sofern er ohne jeden Zwang – jenseits des wirtschaftlichen – erfolgt? Würde man in die Diskussion den amtlich gesponserten Auslandsaufenthalt am Mittelmeer ins Spiel bringen, ließe sich vermutlich die Motivation mancher Rentner deutlich steigern. Wenn der Staat und sein bürokratischer Apparat mal ausnahmsweise nicht gegen seine, sondern im Interesse seiner Bürger aktiv würde, ließen sich erstens günstige Konditionen für Quartiere und für Flüge arrangieren. Wenn es dann den Behörden gelingen sollte, einige Beamte, die laut Beamtengesetz eh vom Dienstherrn wohin auch immer versetzt werden können, dann könnte Deutschland vor Ort Anlaufstellen, ähnlich Konsulaten, unterhalten, wo Arbeitslose und Rentner ihre behördlichen Dinge erledigen, sowie Hilfe für Rückflüge oder Hilfe bei der Quartiersuche erhalten könnten.

Sämtliche Ideen, der vom Umzug innerhalb Deutschlands aufs Land, wie der etwas kühnere, ins Ausland, besitzt erhebliches Potenzial: zum Einsparen, zur Lösung der Wohnungskrise, zur Stärkung der Demokratie in Mittelmeerländern, zur massiven Einsparung sozialer Ausgaben etc.

Doch wie sollte man einem Aktentaschenkanzler, einem FDP Aufsteiger, der dem Geldadel hinterherhechelt, oder dem Blackrock-Kanzlerkandidaten etwas derart Unübliches schmackhaft machen können? Bayerns Stoiber wäre sicher für Umzüge in den Freistaat, in die bayerische Provinz zu gewinnen, für die anderen Ideen sicher eher nicht. Wo kämen wir denn auch hin, statt Arbeitslose weiterhin zu drangsalieren, ihnen auch noch „Urlaub“ am Mittelmeer zu spendieren? Was die Rentner in Armut betrifft, so sollen die, wenn es nach unseren Politikern und Beamten geht, doch bitte schön brav möglichst schnell sterben, statt im Ausland aufzublühen und ein paar Jahre länger ihren Ruhestand finanziell auskömmlich genießen zu können.

Wo kämen wir denn da hin ??? Das würde ja bedeuten, dass wir schlagartig mehrere zehntausend Beamte ebenso wenig benötigten, wie ihre überproportional ins Parlament abgesandten Politiker. Da würde erstmals tatsächlich und anhaltend eingespart in Deutschland – nicht wie bisher einseitig auf Kosten der Arbeitslosen und Rentner, sondern zur Abwechslung mal ein wenig unter Beamten und Politikern. Wie bitteschön sollten denn Kanzleramt und Außenamt mit ihrem Bedeutungsverlust zugunsten des Entwicklungshilfeministeriums umgehen? Wenn massenhaft deutsche Milliarden, statt in den ineffizienten Beamten- und Politikapparat, rund ums Mittelmeer flössen, die dortigen Staaten und Gesellschaften politisch und wirtschaftlich stabilisierten und gegen die Einflüsse aus China und Russland immun machten?

Titelbild: Tim Reckmann CC BY 2.0 DEED via FlickR

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