Kommentar zur Einordnung der AfD als gesichert rechtsextreme Orangisation durch das Bundesamt für Verfassungsschutz

Von Jürgen Klute

Am 2. Mai 2025 teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit, dass es die „Alternative für Deutschland“ (AfD) als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstufe.

Dass die AfD sich dagegen wehrt, überrascht nicht. Dass aber die CDU, die CSU und die SPD sich bisher weigern, die nötigen Konsequenzen aus der Einstufung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu ziehen, überrascht dann doch. Denn nahezu während der gesamten Periode Gründung der alten Bundesrepublik bis zur Integration der ehemaligen DDR wurden ganz selbstverständlich Menschen, die von der Bundesregierung als nicht Verfassungstreu eingestuft wurden, mit weitreichenden Sanktionen bedacht. Allerdings traf das in aller Regel Menschen aus dem linken Flügel der Gesellschaft, während Alt-Nazis in der Regel verschont blieben.

Am 19. September 1950 wurde der so genannte Adenauer-Erlass – benannt nach dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer – von der seinerzeitigen Bundesregierung verfügt. Nach diesem Beschluss waren die öffentlich Bediensteten in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfassungstreue verpflichtet. Diesem Personenkreis war es folglich verboten, Mitglied in einer Organisation zu sein, die seitens der Bundesregierung als verfassungsfeindlich eingestuft war. Rechtsgrundlage für den Adenauer-Erlass war § 3 Abs. 2 des Deutschen Beamtengesetzes, der festlegte, dass die „im Dienste des Bundes stehenden Personen […] sich durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung bekennen“ müssen. Laut dem Wikipedia-Artikel zum Adenauer-Erlass richtete sich der Erlass „explizit gegen 11 tendenziell linke sowie gegen zwei nationalsozialistische Organisationen“.

Am 28. Januar 1972 wurde durch die Bundesregierung unter Willy Brandt der Adenauer-Erlass durch den so genannten Radikalen-Erlass ersetzt. Auch der Radikalen-Erlass zielte darauf, so genannten Verfassungsfeinden den Zugang zum öffentlichen Dienst zu verwehren oder sie aus dem öffentlichen Dienst entfernen zu können. Der wesentliche Unterschied zum Adenauer-Erlass bestand darin, dass ab nun jeder Einzelfall geprüft werden musste. Folglich gab es zu jener Zeit in der Regel zu jeder Bewerbung im öffentlichen Dienst (das betraf Beamte, Angestellte und ArbeiterInnen gleichermaßen) eine so genannte Regelanfrage bezüglich des Bewerbers bzw. der Bewerberin beim Verfassungsschutz. Erst 1985 (Bayern: 1991) wurden die Regelanfragen eingestellt. Insgesamt wurden in der Zeit von 1972 bis 1985 (bzw. 1991) etwa 3,5 Millionen Personen auf ihre Verfassungstreue hin überprüft.

Abgesehen von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die am 17. August 1956 verboten wurde, waren die von der Bundesregierung in jener Zeit als verfassungsfeindlich eingestuften Organisationen und Gruppen keine verbotenen Organisationen. Über knapp vier Jahrzehnte hin hatten Bundesregierungen egal von welcher politischen Farbmischung keine Skrupel, Personen aus dem öffentlichen Dienst auszuschließen, die sie bzw. der Verfassungsschutz für Verfassungsfeinde hielten.

Vor diesem Hintergrund ist das aktuelle Gezetere und Gezaudere von Politikern und Politikerinnen nicht nachvollziehbar, wenn es darum geht, die nötigen Konsequenzen aus der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ durch den Verfassungsschutz zu ziehen. Erklärbar wird die Verweigerung der Bundesregierung und der Mehrheit des Bundestages, einen Antrag auf Verbot der AfD beim Bundesverfassungsgericht zu stellen, nur dadurch, dass es sich bei der AfD nicht um eine linke, sondern um eine rechtsextreme Partei handelt. Denn sowohl der Adenauer-Erlass als auch der Radikalen-Erlass richteten sich bis auf wenige Ausnahmen gegen linke Organisationen. Trifft es die „richtigen“ Gegner, dann haben Bundesregierung und Bundestag noch nie gezögert, alles zu unternehmen, um sie auszugrenzen, was in den Nachbarländern der Bundesrepublik teils auf Unverständnis und heftige Kritik stieß und der Bundesrepublik teil den Ruf einer autoritären Demokratie einbrachte.

Die lange Geschichte der Berufsverbote in der Bundesrepublik zeigt also sehr gut auf, wie man die AfD rechtlich stellen kann, wenn es denn politisch gewollt wäre.

Das heutige Bundesbeamtengesetz (BBG) hat sich zwar gegenüber dem 1950 gültigen Deutschen Beamtengesetz (DBG; vom 26. Januar 1937, in der zuletzt geänderten Fassung vom 17. Mai 1950), deutlich verändert. Die frühere Regelung des § 3 Abs. 2 „Die im Dienste des Bundes stehenden Personen müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung bekennen.“ wurde zwar umformuliert, in ihrem inhaltlichen Kern aber beibehalten und findet sich nun in § 7 „Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses“: „(1) In das Beamtenverhältnis darf berufen werden, wer […] 2. die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten“.

Wäre die neue Bundesregierung also gewillt, in der gleichen Schärfe gegen Verfassungsfeinde vorzugehen, wie in der Zeit von 1950 bis 1985, hätte sie zunächst einmal die Möglichkeit, zu überprüfen, wer im Staatsdienst einschließlich Polizei, Gerichte und Bundeswehr, die als Sicherheitskräfte in besonderer Weise verfassungstreu sein müssen, der AfD nahe steht oder ihr angehört. Die aktuelle Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz reicht dazu allemal aus, wie ein Blick in die Geschichte der Bundesrepublik zeigt. Das kann parallel auch auf Landesebene und auf kommunaler Ebene geschehen. Auch Kommunen sind zur Verfassungstreue verpflichtet und haben mit der Einstufung der AfD als rechtsextreme Organisation die Möglichkeit, sie zumindest aus bestimmten politischen Funktionen auszuschließen – es gibt bestimmt noch pensionierte Staatsbedienstet aus der Zeit der Berufsverbote, die die heutigen politisch Verantwortlichen im Umgang mit der AfD beraten könnten.

Weiterhin sind Bund, Länder und Kommunen aufgrund der Einstufung nicht verpflichtet, die AfD oder AfD nahe Organisationen technisch bzw. finanziell zu unterstützen. Eigentlich sind sie ab nun verpflichtet, der AfD als verfassungsfeindliche Organisation jedwede technische oder finanzielle Unterstützung zu entziehen. Zum Beispiel dürften öffentliche Räume seitens der öffentlichen Hand folglich nicht mehr an die AfD vermietet werden. Auch bei Diskussionsveranstaltungen – vor allem in Schulen, Volkshochschulen und Hochschulen – ist kein Veranstalter verpflichtet, rechtsextreme, verfassungsfeindliche Organisationen zu berücksichtigen und einzuladen.

Auch wenn solche rechtlichen Instrumente der AfD das politische Agieren deutlich erschweren würden, reichen rechtliche Instrumente alleine nicht aus, der AfD den Nährboden zu entziehen. Gleichwohl sind sie aber eine notwendige Bedingung, denn das so genannte politische Stellen der AfD hat seit über einer Dekade nicht dazu geführt, dass die Zustimmung zur AfD abnimmt. Vielmehr hat der aktuelle CDU-Vorsitzende und neue Bundeskanzler Friedrich Merz, der angetreten war, die Zustimmung zur AfD zu halbieren, erreicht, dass die Zustimmung sich mehr als verdoppelt hat. Dafür hat Merz die Zustimmung zur CDU schmerzlich verringert. CSU, FDP und SPD machen es allerdings nicht besser – mit mehr oder weniger gleichem Erfolg wie bei Merz.

So lange politisch Verantwortliche weiterhin glauben, die AfD ließe sich – trotz vielfältiger wissenschaftlich begründeter Einwände (vgl: Annika Brockschmidt: Klare Forschungslage: AfD Ausgrenzen funktioniert, Volksverpetzer, 06.05.2025) – durch das Kopieren ihrer verfassungs- und menschenrechtsfeindlichen Forderungen zurückdrängen, wird die AfD stärker werden.

Um die AfD politisch zurückzudrängen sind zwei Dinge erforderlich. Zum einen ist eine Unterscheidung zwischen der Partei und ihren Wähler*innen nötig. Gerade in der gesellschaftlichen Linken wird das schwer zu vermitteln sein. Aber wenn man alle Wählerinnen und Wähler der AfD für zementierte, unbelehrbare Faschisten hält, dann flogt man nicht gerade einem aufgeklärten Menschenbild, dass jedem und jeder ein Mindestmaß an Lernfähigkeit zugesteht. Damit wäre dann auch eine politische Auseinandersetzung um die Gestaltung einer Gesellschaft und zur Eindämmung der AfD überflüssig, weil sie sinnlos wird, wenn man Menschen als grundsätzlich lernunfähig einstuft.

Dass das Verhalten von Wählerinnen und Wählern beeinflussbar ist und stark von politischen Grundentscheidungen politisch Verantwortlicher abhängt, darauf verweist die Ökonomin Isabella Weber. Sie hat vor einiger Zeit den Begriff einer antifaschistischen Wirtschaftspolitik in die öffentliche Debatte eingebracht. Ganz grob beschrieben ist damit eine Wirtschaftspolitik gemeint, die darauf zielt, Wählerinnen und Wählern ihre wirtschaftlichen Existenzängste zu nehmen. Aus Sicht von Weber spielt dabei die Inflation eine wesentliche Rolle. Linke Regierungen, so zeigt Weber in ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf, haben dann gute Erfolgsaussichten, wenn es ihnen gelingt, die Inflation und damit verbundene massive Existenzängste von Wählerinnen und Wählern deutlich zu verringern. Im Unterschied zur keyneseanischen Wirtschaftspolitik geht es Weber nicht nur um die Rolle der Staatsausgaben. Durch die Sondervermögen werden zumindest die in den kommenden Jahren erhöht werden und vermutlich zu einer Konjunkturbelebung führen (ob der Umfang ausreichend ist und ob die Zwecke wünschenswert sind und die Schuldenbremse damit schon aufgehoben ist, sind berechtigte Fragen, die aber hier nicht zur Diskussion stehen). Nach Weber wäre es im Sinne einer antifaschistischen Wirtschaftspolitik nötig, dass die Bundesregierung nicht allein eine allgemeine Konjunkturbelebung anstößt, sondern dass sie durch entsprechende Maßnahmen dafür Sorge trägt, dass alle Wählerinnen und Wähler in den Genuss existenzsichernder Einkommen bzw. Ausgabenentlastungen kommen. Es geht also um auskömmliche Einkommen und um bezahlbare Preise vor allen in den Bereichen Mieten/Wohnung, Energie, Lebensmittel, Klimaschutz und Mobilität.

Auch wenn es den politisch Verantwortlichen über zehn Jahre lang nicht gelungen ist, die AfD politisch zu stellen, bedarf es dazu keineswegs magischer Kräfte. Es würde ausreichen, wenn politisch Verantwortliche sich für die Antworten aus der Wissenschaft öffnen würden, um der AfD den Nährboden zu entziehen. Das Bundesamt für den Verfassungsschutz hat mit seiner Einstufung der AfD als rechtsextreme Organisation den Boden dafür bereitet, die AfD auszutrocknen. Fundierte Vorschläge von einem Verbotsantrag an das Verfassungsgericht bis zu einer antifaschistischen Wirtschaftspolitik gibt es ausreichend. Man muss sie nur sehen und aufnehmen wollen!

Der aktuelle Koalitionsvertrag steht dem allerdings entgegen!

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Titelbild:  universaldilletant CC BY-ND-SA 2.0 DEED via FlickR

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