Von Thomas Schmidinger

Es mag angesichts der humanitären Katastrophe, der weltweiten ökonomischen Verwerfungen und der kulturellen Zerstörungen eine Marginalie sein, aber es ist für mich als Politikwissenschaftler trotzdem eine interessante Beobachtung: Der Ukraine-Krieg ist eine neue Form von Krieg, vor allem aber eine neue Form von politischer Kommunikation des Krieges. War/Ist Syrien der erste Bürgerkrieg/transnationale Krieg des Social Media Zeitalters, so ist der Ukraine-Krieg der erste klassische Staatenkrieg des Social Media-Zeitalters, in dem Meinungsbildung bzw. Propaganda sehr stark über diverse Social Media-Kanäle, Liveschaltungen von Politikern etc. funktioniert. Das wird verschiedene Auswirkungen haben und das wird es weiter zu beobachten und analysieren gelten. Drei davon halte ich für besonders gefährlich:

  1. Das Leid von ZivilistInnen wird dabei noch mehr zur Währung in der Propagandafront, was dazu verleiten könnte dieses bewusst in Kauf zu nehmen. Das bedeutet nicht, dass es dieses nicht gibt oder nicht darüber berichtet werden soll, ganz im Gegenteil. Ich sehe hier aber eine Gefahr.
  2. Die Verteidigungsbereitschaft der Zivilbevölkerung spielt dabei eine wichtige Rolle. Immer wieder wird militärisches Training von ZivilistInnen gefilmt, fotografiert,… So verständlich und legitim das aus Sicht der einzelnen ZivilistInnen ist, so sehr droht damit die, für das humanitäre Völkerrecht entscheidende, Unterscheidung zwischen ZivilistInnen und Kombatanten aufzuweichen.
  3. Die gezielte Anwerbung von Freiwilligen auf beiden Seiten führt dazu, dass Personen Kampferfahrung bekommen, die später einmal auch woanders eingesetzt werden kann, darunter vermutlich auch Rechtsextremisten oder andere wirklich problematische Gruppen. Und auch die, die keine Extremisten sind, werden psychisch schwer beschädigt aus dem Krieg heimkehren und vielleicht nur mehr genau das tun können: Wieder woanders kämpfen. Schon jetzt gibt es eine wachsende Zahl globaler Söldner aus Kriegsregionen wie Sudan oder Syrien, die Kriegsführung finanziell und politisch billiger machen. Das könnte sich nun noch einmal potenzieren.

Ich teile diese Beobachtungen hier ohne sie abschließend beurteilen zu können, aber ich fürchte, dass diese Weiterentwicklung des Krieges dazu beitragen kann, dass bisherige Regeln der Kriegsführung aufgeweicht werden und mehr zivile Opfer und Schäden riskiert werden als bisher, und dass künftige Kriege wieder billiger zu führen sein werden, das Risiko also schneller eingegangen werden kann. Ich hoffe, ich täusche mich.

Titelbild: Birgit Kulbe CC BY-NC 2.0 via FlickR

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