Von Peter Scherrer
Heiko Lietz ist Schweriner Urgestein. 1943 in der Landeshauptstadt geboren, studierte er in Rostock Theologie. Seine konsequente Friedensarbeit, er war 1967 Totalverweigerer, brachten ihm den ersten Konflikt mit der Staatsmacht und Untersuchungshaft ein. 1970 – 80 arbeitete er als Pastor in der Domgemeinde Güstrow. Theologische Konflikte führten zur Aufgabe des Dienstes als Seelsorger. In den achtziger Jahren arbeitete er bei der Volkssolidarität, setzte aber sein kirchliches Engagement fort. Aktiv beteiligte sich Lietz an der Planung und Koordinierung der jährlichen „Frieden konkret“ Treffen. Für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war Heiko Lietz einer der „…ca. 60 … unbelehrbare(n) Feinde des Sozialismus…“. Er gehörte für das MfS zum harten Kern der „…maßgeblichen Inspiratoren/Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit“.
Ab 1989 engagierte er sich beim Neuen Forum und vertrat die Bürger – und Freiheitsrechtler am Zentralen Runden Tisch. Er war aktiv bei Bündnis 90/Die Grünen und bis 1994 deren Sprecher in Mecklenburg-Vorpommern. 1997 trat Lietz aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen aus und gründete im Landkreis Güstrow die Wählergemeinschaft Bürgerbündnis 2000. Bei den Grünen trat er 2019 wieder ein.
Im Oktober 2015 unterzeichnete Lietz mit 46 weiteren DDR-Bürgerrechtlern aus unterschiedlichen politischen Lagern den von Katrin Hattenhauer initiierten Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem es eingangs heißt: „Wir unterstützen Ihre Politik der offenen Grenzen. Wir unterstützen Ihre Flüchtlingspolitik und Ihren Einsatz um der Menschen willen. Mit größtem Respekt sehen wir Ihre feste Haltung zur Aufnahme asylsuchender Flüchtlinge bei uns in Deutschland […] 70 Jahre nach dem Holocaust öffnet Deutschland seine Grenzen und rettet Menschen aus Not und Tod.“ Für den Kämpfer für freie Grenzen, für ein offenes Europa, hat die heutige Europäische Union nach wie vor zentrale Defizite. Die deutsche EU Ratspräsidentschaft habe den Ist-Zustand in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres halten können, aber z.B. die Flüchtlingspolitik ist nach wie vor eine Katastrophe, so Heiko Lietz im Interview. Er fragt nach der Realität der „Europäischen Werte“ und plädiert dafür, konsequent europäische Fördergelder zu streichen, wenn ein Mitgliedsstaat gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstößt. Eine sehr konkrete Europäische Zusammenarbeit geht für Heiko Lietz immer über die Emotionen, über die konkrete menschliche Erfahrung. Den zwischenmenschlichen Austausch zwischen Menschen, Schülerinnen/Schüler und Familien aus MV und Frankreich, Dänemark oder Polen gilt es zu fördern. Europa läßt sich nicht verordnen und Begegnungen über die Grenzen hinweg sind durch nichts zu ersetzen. „Treffen sich die Menschen so bekommt Europa ein Gesicht in Form eines Menschen“.
Das komplette Video-Interview kann hier angeschaut werden:
Autoren-Info
Das Gespräch führte Peter Scherrer, ehemaliger Gewerkschaftssekretär und Freier Redakteur der digitalen Tageszeitung „Schwerin-Lokal“
Titelfoto: Heiko Lietz; Foto: Peter Scherrer
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