Beitrag von Bernhard Clasen

Es kocht im Krywbas. Das Krywbas, eine durch Eisenerzabbau geprägte Region in der Ostukraine, dürfte die wichtigste Eisenerzregion Osteuropas sein. In diesem Gebiet finden sich riesige Eisenerz- und andere Erzvorkommen.

Krywbas steht für „Eisenerzbecken von Krywyj-Rih“. Und Krywyj-Rih ist nicht nur die Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten Volodimir Selenski. Hier findet sich auch das Bergbau- und Aufbereitungskombinat Krywyj-Rih (KRBAK) mit über 7000 Beschäftigten und vier Minen. Nirgendwo anders in der Ukraine wird unter Tage so viel Erz gefördert wie in den vier Minen vom KRBAK. Sechs Millionen Tonnen Eisenerzrohstoff sind das jährlich.

Seit dem 3. September streiken Arbeiter des Unternehmens. Zuerst hatten 29 Arbeiter der Mine Oktjabrska ihre Arbeit niedergelegt. In den folgenden Tagen und Wochen hatten sich zeitweise über 400 Arbeiter in Krywyj-Rih den Untertagestreiks angeschlossen. Derzeit sind noch gut hundert Arbeiter unter Tage. Sie fordern einen Lohn von 1000 Euro pro Monat, bessere und weniger gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, wollen keine Erhöhung des Rentenalters. Im Durchschnitt erhalten die Beschäftigten des Kombinats 520 Euro im Monat. Dies ist jedoch ein Durchschnittswert. Der Direktor des Werkes erhält über 11 Tausend Euro pro Monat, so die renommierte ukrainische Zeitung „Nowoje Wremja“ unter Berufung auf die Gewerkschaft der Bergarbeiter. 2019, so die „Nowoje Wremja“, hatte das Kombinat einen Reingewinn von 55 Millionen Euro gemacht.

Die Betriebsleitung sieht die Schuld für den Konflikt bei den Bergarbeitern. Diese hätten das Angebot des Arbeitgebers von Lohnerhöhungen zwischen 10 und 25 % nicht angenommen. Für den Arbeitgeber ist der Streik illegal. Und so hat die Firmenleitung von KRBAK die staatlichen Behörden aufgefordert, dem ihrer Auffassung illegalen Streik ein Ende zu bereiten.

Gleichzeitig hat die Firmenleitung auf ihrer Homepage erklärt, sie sehe sich angesichts der „gesetzwidrigen Blockade der Produktion“ zu einem [vorläufigen? bc] Einstellen des Betriebes gezwungen. Wer jetzt noch weiter unter Tage bleibe, gefährde seine Gesundheit und sein Leben. Außerdem kündigte sie Entlassungen an.

Unterdessen berichtet Michailo Wolynez, Chef der „Unabhängigen Bergarbeitergewerkschaft der Ukraine im West-Donbass“ und Abgeordneter der Timoschenkio-Partei „Vaterland“ auf seiner Facebook-Seite, ein Top-Manager des KRBAK habe Adressen von streikenden Bergarbeitern im Internet veröffentlicht – und wenige Stunden später sei bei einem dieser Bergarbeiter eingebrochen worden.

Schon seit zwei Wochen klagen Gewerkschaftsaktivisten über Verfolgungen durch den ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU. So berichtet die Partei „Soziale Bewegung“, der SBU habe am 15. September Arbeiter an einer Fahrt nach Kiew gehindert, wo sie mit Aktionen vor dem Regierungsgebäude ihre streikenden Kumpel unterstützen wollten.

Unbegründet scheinen die Befürchtungen der Bergarbeiter um ihre Sicherheit nicht zu sein. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die staatliche Behörde „Derschprazi“, die die Einhaltung der am Arbeitsplatz gültigen Vorschriften überwacht, ein Liste von 190 Mängeln im Bereich Arbeitsschutz der Minen bei KRBAK.

Längst ist der Bergarbeiterstreik von Krywyj-Rih über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden. 4000 Solidaritätsadressen aus aller Welt seien bei der ukrainischen Bergarbeitergewerkschaft eingegangen, berichtet Michailo Wolynez auf seiner Facebook-Seite.

Noch sind gut 100 Bergarbeiter unter Tage. Doch es ist nicht nur der Druck der Firmenleitung, der den streikenden Bergarbeitern zu schaffen macht. Viele klagen über gesundheitliche Probleme. Am Wochenende haben sich weitere 8 Bergarbeiter der Mine „Rodina“ entschlossen, aufzugeben und sind nach oben gefahren.

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