Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich bin in meinem Innersten recht kindisch veranlagt. Aus diesem Grunde freue ich mich jedes Jahr auf Nikolaus und auf Weihnachten. Jetzt ist es bald wieder so weit. In den Supermärkten gibt es schon die ersten Schoko-Nikoläuse, die sich neben den Halloween-Kürbissen im Regal zeigen. Doch seit einiger Zeit freue ich mich nicht mehr so richtig wie früher. Genau, denn für mich heißt es nur noch „Schauen, ohne zu kaufen“ und vor allem „ohne zu essen“. Warum um alles in der Welt werden Sie nun denken? Nun, es gibt keinen einzigen Weihnachtsmann, der aus veganer Schokolade gemacht wäre. Oje, das wird jetzt wieder eine Predigt pro-Veganismus! Nein, nicht wirklich: heute gibt es ein Plädoyer gegen die Diskriminierung der veganen Lebensweise.

Das Wort „Diskriminierung“ hat es in sich. Da horcht man schon eher hin. Solange man einfach davon spricht, dass man als Veganerin oder Veganer belächelt oder gar bemitleidet wird, das geht noch. Das ist einem zumutbar. Doch „Diskriminieren“, nein, das hat so einen juridischen Beigeschmack; das kann leicht ins Unangenehme rutschen – die Grenze ist subtil. Und wie Sie recht haben. Hier einige Beispiele:

Die Frage ist nämlich: Können wir Veganer ein Recht auf veganes Leben und vegane Lebensmittel überall im Alltag und in unserer Gesellschaft durchsetzen?

Mal ein Beispiel: Der Staat bietet mittlerweile koscheres und Halal-Essen für jüdische und muslimische Kinder in Schulkantinen an. Das finden wir superklasse. Jetzt die Frage: Müsste er dann nicht auch eigentlich veganes Essen für alle anbieten, die an eine vegane Lebensweise glauben, weil sie aus ethischen Gründen das Töten und Essen von Tieren nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können?

Hier noch etwas deutlicher: Sie haben vielleicht von dem Fall gehört, wo ein Arbeiter seinen Arbeitgeber wegen Diskriminierung sogar verklagt hat.

„Ein Arbeitnehmer fordert, dass ethischer Veganismus als philosophische Glaubensrichtung anerkannt wird. Damit wären ethische Veganer gesetzlich vor Diskriminierung geschützt.“ 

„Der Kläger ist ethischer Veganer und arbeitete bis April 2018 in einer Führungsposition für die League Against Cruel Sports, einer Tierschutzorganisation, die sich gegen die Ausbeutung von Tieren im Sport einsetzt. Casamitjana wurde im April 2018 entlassen – nach eigenen Angaben aufgrund seiner Bedenken gegen den Pensionsfonds seines Arbeitgebers. Dieser habe Geld in Firmen investiert, die mit Tierversuchen arbeiteten, so der Veganer. Er habe seinen Kollegen geraten, ihr Geld anders anzulegen, dies habe ihm aber das Management untersagt.“

„Casamitjanas Anwälte argumentieren nun, dass dieser ethische Veganismus eine übergreifende Weltsicht darstelle. Im Zentrum stehe ein moralischer Imperativ, nämlich die Anerkennung nichtmenschlicher Lebewesen als gleichberechtigt mit Menschen. Casamitjanas Veganismus leite ihn bei jeder Entscheidung, die er treffe.“

Das klingt also schon eher wie eine Weltanschauung, Philosophie und nicht nur wie ein modischer Lebensstil. Hier eine interessante Umfrage aus dem Jahr 2014:

„Gleichklang-Psychologe Dr. Guido F. Gebauer meint, dass der geringe Belastungsgrad der meisten vegan lebenden Personen aufgrund erlebter Diskriminierungen sich wahrscheinlich damit erkläre, dass die Entscheidung für eine vegane Lebensweise bereits den bewussten Bruch mit einem gesellschaftlichen Mehrheitskonsens beinhalte.“

„Dennoch stellten Ausgrenzung und Diskriminierung gegenüber vegan lebenden Personen ein gesellschaftliches Problem sei, welches bei einigen vegan lebenden Personen zu einer nicht unerheblichen oder sogar zu einer starken psychischen Belastung führe. Hierzu trügen vermutlich auch immer wieder zu beobachtende reißerische Presselberichte bei (siehe hier ein besonders gravierendes Beispiel), die über Gesundheitsschäden durch eine vegane Ernährung berichteten, die in Wirklichkeit nicht der veganen Ernährung an sich, sondern offensichtlichen Umsetzungsfehlern anzulasten sei.“

„Das ARD-Verbraucherjournal plusminus hat soeben über vegane Ernährung berichtet. Schwerpunkt des Berichtes war die Frage „wie gesund vegan tatsächlich ist?“. Eine Analyse des Berichtes zeigt, dass dem Magazin grobe Fehler unterlaufen sind und dabei die tatsächliche Meinung einer zitierten Expertin durch einen falschen Kontext und eine einseitige Fragestellung nahezu in ihr Gegenteil verkehrt worden ist.“

Aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass ich meist gut, wenn nicht sogar sehr gut behandelt werde, wenn ich zugebe, mich vegan zu ernähren. Manche Menschen sind sehr zuvorkommend, manchmal fehlt es ihnen nur an Erfahrung. Sie sehen mich dann wie einen kleinen „Lebensmittel-E.T.“ Es stimmt auch, dass ich nicht auf Konfrontationskurs gehe und auf Biegen und Brechen meine Umwelt zum tierproduktfreien Leben zwingen will. Meistens erweckt aber meine Ernährungsweise Neugierde und das gibt mir dann die Möglichkeit, über Fakten zu reden. Wahr ist aber auch, dass eine tierproduktfreie Ernährung aus Gesundheitsgründen eher positiv aufgenommen wird als eine aus ethischen Gründen. Ich erkläre mir das wie folgt: gesundheitliche Begründungen stellen die Lebensweise anderer nicht in Frage, das ist irgendwo rein mein Problem; ähnlich, als würde ich laktosefreie Milch kaufen, weil ich reine Milch nicht vertrage. Doch, sobald es heißt, ich mache das aus Respekt zu den Tieren, weil sie misshandelt werden und dass ich es grausam finde, wie man zu Milch, Butter, Joghurt, Fleisch und Fisch kommt, da bricht eine kleine heile Welt zusammen. Indirekt oder auch direkt fühlt sich mein Gegenüber angegriffen oder sogar gezwungen, sich zu rechtfertigen, warum gerade ein Steak seinen Teller ziert. Dann folgt die übliche Aussage „Ja, ich möchte auch gerne auf Fleisch und Fisch verzichten, aber es schmeckt halt so gut“ oder aber „Ich esse bereits seit einiger Zeit viel weniger davon“. Nun ja, was will man da entgegnen? In dem Moment denke ich mir immer: Radikalismus ist da fehl am Platze, doch ein Bild oder ein Video würde so manchem Kritiker ganz guttun. Denn unter uns gesagt: es gibt dann die ganz besonderen Personen, die sarkastisch meinen „die sind ja eh schon tot“. No comment.

Doch gehen wir einen Schritt weiter: was sind denn überhaupt die häufigsten Forderungen von Veganern? (Quelle)

  • Barrierefreier Zugang zu pflanzlicher Ernährung an öffentlichen Einrichtungen.
  • Einheitliche, verpflichtende Kennzeichnung von veganen Produkten.
  • Garantierte Bereitstellung von veganen Non-Food-Alternativen in öffentlichen Einrichtungen, einschließlich Uniformen und Medikamenten.
  • Entwicklung von umfangreichen Richtlinien und Praktiken, die die wachsende vegane Gemeinschaft unterstützen.

Der erste Punkt interessiert mich besonders stark. Daher möchte ich hier noch einen weiteren Beitrag zum Thema „Welche Rechte haben VeganerInnen?“ anführen, wo es um die Forderungen geht.

„2014 haben sich 30 Anwälte und Rechtsexperten aus 13 Nationen zum ersten Mal in der Veganz-Zentrale in Berlin getroffen, und über ein Thema diskutiert: Die formale Umsetzung eines Menschenrechts auf vegan-vegetarische Ernährung und die aktuelle Lage in den jeweiligen Ländern, bezüglich der Diskriminierung von VeganerInnen.“ (Quelle)

Nun diese Frage liegt mir – wie gesagt – sehr am Herzen, denn ich hatte bereits in der Vergangenheit angestoßen, die Mensen der EU-Institutionen sollten doch vegane Abteilungen vorsehen. Vegetarische Gerichte gibt es mittlerweile in Hülle und Fülle und sie schauen bemerkenswert gut aus. Als Veganer bleiben einem aber folgende Lebensmittel – nicht einmal Gerichte – übrig: Suppen (sofern es keine „veloutés“ sind), Reis, Pommes (sofern mit Pflanzenöl gebacken), Salate, Obst, Salate, Obst, Salate, Obst, Salate, Obst. Nun, eine vegane Ecke ist wohl ein Ding des 22. Jahrhunderts….

Doch zurück zur Frage, ob das alles als Benachteiligung bezeichnet werden darf oder nicht. Der folgende Artikel drückt dieses Dilemma des fehlenden Schutzes vor Diskriminierung sehr gut aus und erklärt auch die juridischen Details dazu:

„Sollte sich ein Mensch aus religiösen Gründen vegan ernähren, fällt er unstreitig über den Begriff Religion unter den Schutz des deutschen Antidiskriminierungsrechts. Umso befremdlicher ist es, dass in fast allen Kommentierungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz der ethische Veganismus nicht als geschützt gilt. Um unter den Schutz des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu fallen müsste der ethische Veganismus als Weltanschauung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes angesehen werden. Der Begriff Weltanschauung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz orientiert sich in diesen Kommentierungen an der Auslegung der bisherigen Interpretationen des Weltanschauungsbegriffs des Grundgesetzes. Dieser ist sehr eng und findet nach herrschender Meinung keine Anwendung auf den ethischen Veganismus.“ 

„In der europäischen Richtlinie, die dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zugrunde liegt, wurde allerdings der Begriff „belief“ verwendet. In der Tradition der europäischen Rechtsprechung insbesondere gemäß Art. 9 der europäischen Menschenrechtskonvention, ist belief eindeutig definiert, nämlich als gefestigte Auffassung die ein gewisses Maß an Kohärenz, Dauerhaftigkeit Ernsthaftigkeit und Gewicht hat. Auf den ethischen Veganismus trifft dies nach ständiger Rechtsprechung der europäischen Gerichten zu.“ 

In England wurde dieser Schritt bereits unternommen und dort gilt folgendes (Update 11.1.2020):

„Damit genießt ethischer Veganismus in England einen ähnlichen Schutz vor Diskriminierung wie religiöser Glaube.“ Daher kommentiert der Autor des Beitrages „Es wird wohl nicht lange dauern, bis auch hierzulande ein Gericht darüber entscheidet, ob Veganismus als Weltanschauung und Philosophie denselben rechtlichen Schutz verdient, wie z. B. Religionen.“ (Quelle)

Es gibt aber auch mutige Versuche, den Veganismus Schritt für Schritt zum Alltag zu machen. So zum Beispiel durch Öffnung des ersten veganen Kindergartens in Frankfurt:

„Eine der strittigen Kitas heißt „Mokita“. Sie ist der erste vegane Kindergarten in Frankfurt und hat diesen August die Türen für 40 Kinder geöffnet. Lucien Coy gehört zu den Eltern, die den Kindergarten ins Leben gerufen haben.“ (Quelle)

Doch zurück zu meinem Schoko-Nikolaus, der dort im Regal bleiben wird. Ich ärgere mich sehr darüber, dass es keine veganen Alternativen gibt und zwar solche, die preislich interessant sind und geschmacklich „akzeptabel“. Sie haben richtig gelesen: sehr oft sind die tierfreundlichen Alternativen zu Würstchen, Schnitzel, Falafel, Nuggets, etc. derart vollgepumpt mit Kräutern, Gewürzen und wer weiß was sonst noch, dass es einem noch bis zum nächsten Tag auf dem Magen liegt. Im schlimmsten Fall bringt man den Bissen gar nicht runter. Das andere Problem bleibt genauso auf dem Magen liegen: die überteuerten Preise. Kann mir jemand bitte endlich erklären, weshalb vegane Gerichte derart teuer sein müssen? Da bleibe ich dann lieber bei meinem einfachen Salat, wenigstens weiß ich, was drin ist und der Preis hält sich in Schranken. Und ich akzeptiere einfach nicht die Ausrede „Fleisch und Fisch kosten ebenfalls viel“.

Meine persönliche Forderung ist simpel und einfach: Für jedes Produkt mit Zutaten oder Bestandteilen tierischen Ursprungs sollte in den Supermärkten zu einem angemessenen Preis auch stets eine vegane Alternative angeboten werden. Klingt sehr einfach, nicht wahr? Das betrifft dann Lebensmittel, Produkte für die Hausreinigung, Kosmetika, Kleidung, etc. Wow! Das ist doch eine verrückte Forderung, warum sollte das Gehör finden? Denn es gibt mehr und mehr Menschen, die sich Fragen stellen und Lebensstil wechseln möchten.

Einstein sagte einst „Nichts wird die Gesundheit der Menschen und die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung.” (Quelle) Nun, vielleicht würde er heutzutage eher von „veganer“ Ernährung sprechen.

Eines möchte ich aber gerne klarlegen. Es geht mir nicht darum, die gesamte Welt zu „veganisieren“, selbst wenn ich aus ethischen Gründen so lebe. Das ist aber mittlerweile klar denke ich. Nein, mir geht es als IAMA darum, zu hinterfragen, darzulegen, Zustände aufzudecken in der Hoffnung, dass Menschen informiert(er) sind. Wenn dann jemand entscheidet, aus ethischer oder gesundheitlicher Überzeugung auf Tierprodukte zu verzichten, dann bin ich klarerweise zufrieden. Doch die Entscheidung liegt bei jedem von uns. Und noch einmal: mit radikalen Aussagen und mit diskriminierenden Bemerkungen oder gar Handlungen, hilft man keinem Zwei- oder Vierbeiner weiter. Nur Einsicht und Mitgefühl, Respekt und Liebe können einen Unterschied herbeiführen. Trotzdem wäre ich dankbar, wenn endlich ein veganes Croissant oder eine vegane Creme-Suppe im Supermarkt auftauchen würden – lieber Weihnachtsmann, vielleicht gibt es ein kleines Christkindl-Wunder? – Danke IAMA

Titelbild: Weihnachmänner by 7CO CC BY 2.0 via FlickR

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

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