Von Frederik D. Tunnat

Auf der großen politischen Bühne der USA geschah in den Dreißiger Jahren hinter den Kulissen Vieles, von dem die Öffentlichkeit nichts ahnte und wusste, was es für sie bedeuten würde. Anders als Dummschwätzer Trump und seine machtbesoffenen Helfershelfer, die vorab alles, was sie aktuell umsetzen, lange vorher aufschrieben und hinausposaunten – nur niemand wollte es hören und ernst nehmen – ging der damalige US-Präsident Roosevelt weitaus geheimer, dennoch effektiver als gegenwärtig Trump, vor. „Roosevelt legte den Grundstein für einen amerikanischen Überwachungsstaat am 24. August 1936 … Drei Megabehörden Roosevelts stehen dabei … im Zentrum: das „FBI“, dem im Laufe der vierziger Jahre neben der Verbrechensbekämpfung immer mehr politisch-ideologische Aufgaben übertragen werden; das während der Kriegsjahre operierende „Office of Censorship“; und das „Office of Strategic Services“, das mit gutem Grund „Americas First Central Intelligence Agency“ genannt wird … Die Zahl der Special Agents (SA) schnellt von kaum mehr als 300 Mitte der dreißiger Jahre auf ca. 5.000 bei Kriegsende in die Höhe. Hoover stellt zwischen 1941 und 1943 fast 7.000 neue Mitarbeiter für administrative Aufgaben an … Seit 1938 entdeckt das vier Jahre zuvor zur Untersuchung von nazistischen und faschistischen Umtrieben in den USA gegründete House Un-American Activities Committee unter der Leitung von Martin Dies und J. Parnell Thomas, dass der wirkliche Feind nicht rechts, sondern links steht, von Ausländern kontrolliert …  Mit dem Alien Registration Act (Smith Act) von 1940 setzte der Kongress das Gesetz zur Anstiftung zum Aufruhr wieder ein, das 1921 ungültig geworden war. Der Smith Act (deutsch: „Smith-Gesetz“) besagte: It shall be unlawful for any person to […] advocate […] [the] propriety of overthrowing or destroying any government in the United States by force and violence“. (zu Deutsch: Es ist für jeden Menschen unrechtmäßig, den gewaltsamen Umsturz irgendeiner Regierung der Vereinigten Staaten zu befürworten.) Fragt sich, wann Trump und seine Mitstreiter den Wert dieses Gesetzes für sich entdecken und es wieder in Kraft setzen?

Wie sich die Dinge doch ähneln! Erinnern uns die Maßnahmen Roosevelts, die Reaktionen Hoovers, die HUAC, die Reaktivierung alter Gesetze und weitere Reaktionen der Politik nicht fatal an das, was unter G.W. Bush nach dem 11.09.2001 in den USA begann und gegenwärtig unter Donald Trump neuerlich abläuft? In Hollywood kommt es 1936 zur Gründung der Hollywood Anti-Nazi-League (HANL): „During the 1930s, Hollywood became a hotbed of anti-Nazi politics. Many in Hollywood, including many screenwriters and actors, were on the political left and saw Nazism as both, an internal and external threat to America. They included many European refugee actors, writers, and filmmakers, who had first-hand experience of the German Nazi regime … In 1936, the Hollywood Anti-Nazi League (HANL) was founded. It soon became the largest popular Front Organization in Hollywood and enjoyed support not only from those on the left, but also from a small number of powerful, more conservative Hollywood figures, most notably Jack and Harry Warner. The Anti-Nazi League, published a newsletter entitled Hollywood Now, protested visits to Hollywood by Leni Riefenstahl and other representatives of Nazi Germany and Fascist Italy, and generally tried to raise awareness of the threat fascism posed to democracy.”

Die HANL war jedoch bis 1939 ein ziemlich zahnloser Tiger. Das hing vornehmlich damit zusammen, was Steven J. Ross in seinem exzellenten Aufsatz: „Confessions of a Nazi Spy“ ausführt: “Sometimes a single movie can awaken the political consciousness of a nation. The opening of D.W. Griffith’s The Birth of a Nation in 1915 ignited protests and heated debates throughout the country. Twenty-four years later, the opening of Warner Bros.’ Confessions of a Nazi Spy’, the first film to portray Nazis as a threat to America, sparked equally passionate responses … Not everyone was enamoured with the film. Nazi sympathizers in Milwaukee burned down the local Warner Bros. theater shortly after the movie opened. Angry citizens in other cities picketed theatres, slashed seats and threatened exhibitors. In Poland, anti-Semitic audiences hanged several theater owners in their movie houses for exhibiting the film. Nazis banned the film everywhere they could exert pressure … Confessions of a Nazi Spy was a milestone in American cinema. It was the first major studio production to take an explicit stand on foreign policy and warn Americans about the dangers of a particular regime … At a time when few studios were willing to jeopardize lucrative foreign sales, the Warner brothers produced a slew of highly politicized anti-fascist films: Black Legion (1937), Juarez (1939), Confessions of a Nazi Spy (1939), Espionage Agent (1939), British Intelligence (1940), Sea Hawk (1940), Underground (1941) and Sea Wolf (1941) … The Rise of Anti-Fascist Hollywood The 1930s did not mark the beginning of political activity in Hollywood.”

Ähnlich wie zur Zeit des 1. Weltkriegs, als Regisseur D.W. Griffith mit seinem Film „The Birth of a Nation“ für das politische Wachrütteln seiner Landsleute sorgte, so rüttelte „Confessions of a Nazi Spy“ die Amerikaner Ende der 30er Jahre wach, machte sie schlagartig auf die Bedrohung aufmerksam, die von HitlerDeutschland und den Nazis selbst für ein Land wie die USA ausgehen könnte. Die ersten Studiobosse, die sich bereits 1934 vehement und ohne Rücksicht auf ihre finanziellen Einbußen gegen Hitler und die Nazis stellten, waren die Brüder Harry und Jack Warner. Die Warners waren die führenden Köpfe hinter der HANL. Sie waren es auch, die den seit 1933 immer stärker ins Land drängenden deutschen Juden Jobs in ihren Studios gaben. Ross führt dies als einen der wesentlichen Gründe dafür an, warum gerade in Hollywood der Anti-Nazismus so großen Zulauf hatte. Die Warner Brüder hatten sehr persönliche Gründe für ihr Eintreten für ihre Glaubensbrüder und für ihren Kampf gegen die Nazis: ihre Familie war nur mit Mühe den entsetzlichen Judenpogromen entronnen, die Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts in Polen (nicht in Deutschland!) getobt hatten. Konsequent beantworteten die Warners Hitlers Boykott der jüdischen Geschäfte in Deutschland damit, dass sie ihre deutsche Niederlassung schlossen und fortan keine Geschäfte mehr mit Nazideutschland machten, im Gegensatz zu den ebenfalls von jüdischstämmigen Bossen gemanagten Studios Fox, MGM und Paramount, die ihre Geschäfte mit Nazideutschland bis 1939 fortführten.

Wie Ross ausführt, bedurfte es gar nicht des berüchtigten „langen Arms“ der Nazis, um in Hollywood dafür zu sorgen, dass man um der guten Geschäfte Willen still hielt und mit den Nazis, wie zuvor mit der Weimarer Republik, Geschäfte machte. Die zitierten Äußerungen zeigen, dass nicht nur der oberste Zensor Hollywoods, Joseph Breen, sich eines unverhohlenen Antisemitismus bediente, sondern, dass selbst die jüdischen Studiobosse mehr fürs Geldverdienen waren, denn für die Menschenrechte, gegen die Unterdrücker ihrer Glaubensbrüder. Dass es einen Mittelweg gab, einerseits weiterhin Geschäfte mit Nazideutschland zu betreiben und dennoch nazikritische Filme zu produzieren, beweisen die Lämmles, Vater und Sohn, die zu den ältesten Freunden Vollmoellers aus dem Filmbusiness zählten, wie Benjamin L. Alpers in seinem Aufsatz  ausführt: “Frank Borzage, a native of Salt Lake City, Utah… came from a Catholic family… As far as we can tell, Borzage was not active in Hollywood Anti-Nazi (or any other kind of) politics, either before or after the formation of the HANL. Nonetheless, it appears that Borzage himself actively lobbied to direct Hollywood’s first attempt to address the issue of German politics in the 1930s, Little Man, What Now? (Universal, 1934), a melodrama centered on the contrast between familial order and social chaos. Little Man was based on German writer Hans Fallada’s best-selling novel of the same name, which does include one fairly major Nazi character. But given Hollywood politics of 1934, the film of Little Man had to couch its argument very carefully. The film makes no direct mention of the Nazis nor is the clear social crisis confronting Germany ever resolved on screen. Instead, the film allows the viewer to fill in these details. Politics, rarely wholly visible, lurks off-screen as the negation of the picturebook Germany of Little Man… Hans Fallada’s novel Little Man, What Now? was in many ways the perfect vehicle for an early Hollywood exploration of the German political scene which would avoid offending Nazi authorities, capture public interest at home, and deliver the sort of message suggested by Laemmle’s opening title… In Borzage’s hands, Little Man, What Now? went from being an apolitical work celebrating perseverance despite the chaos of the public life of late Weimar Germany, to an anti-political work that saw love and domesticity as a route to an absolute escape from that life… The film of Little Man, What Now? pictures Germany on the verge of the Nazi dictatorship as a country torn by economic ruin and political strife. One of the most prominent signs of this collapse is the destruction of home life… Indeed, Universal had earned a justified reputation for germanophilia. Carl Laemmle, Sr., the studio’s founder, was himself a German immigrant. During the 1920s, the studio had tried to distinguish itself by importing significant German film-makers. And German-, and more generally European-, themed films featured prominently among its productions.

Die Quintessenz des oben Gesagten, dass die politische Aussage des Films nach Hans Fallada darin liegt, dass sich die Kritik an den Nazis in der Flucht ins Private erschöpft, so wie es damals Millionen Deutscher versuchten, darunter auch eine Menge jüdischer Deutscher, die glaubten, wenn sie sich in die private Nische zurückzögen, würde sich das Nazigewitter schon irgendwann legen. Ein tragischer, folgenschwerer Irrtum, wie sich zeigte.

Das Fallada-Thema und die Umsetzung durch Regisseur Borzage macht aber auch deutlich, dass dem deutsch-jüdischen Emigranten Lämmle seine Heimat noch sehr am Herzen lag und er sich mühte, ein Deutschlandbild für seine amerikanischen Landsleute zu zeichnen, dass differenzierte zwischen der politischen Führung aus Nazis, und den einfachen Menschen, die wie ihre entsprechenden Gegenstücke in den USA, vornehmlich mit dem täglichen Kampf ums Überleben beschäftigt waren, und sich wenig um die Parolen der Nazis scherten. Das sollte sich im Laufe der 30er Jahre allerdings ändern. Aus politisch Uninteressierten wurden mehr und mehr Mitläufer und Sympathisanten. Erst 1939 entschloss sich Universal eine neue Version des Antikriegsfilms von Remarque, „All Quit on the Western Front“ herauszubringen, und eine Anti-Nazi Episode einzubauen. In Nazideutschland war dieser Film von Beginn an verboten, wegen seiner „wehrzersetzenden“ Aussage.

Doch zurück zu den Umständen, die zu der veränderten, politisch antideutschen Haltung in Hollywood in 1939 geführt hatten. “On February 26, 1938, FBI head J. Edgar Hoover announced that the Bureau had uncovered and dismantled a Nazi spy ring operating in the United States that included members of the German-American Bund … The Nazi spy case was broken by G-man Leon G. Turrou, who serialized his story in the New York Post and then released it as a bestseller, „Nazi Spies in America“ (1939). Seeing this as a golden opportunity to make a film about the dangers of Nazism, the Warners immediately contacted Turrou and bought the rights to his story. In October, Jack (Warner) sent studio writer Milton Krims to New York to cover the trial with an eye toward turning it into a screenplay. By the end of December, a second draft of Krim’s script, initially titled Storm Over America, was sent to the PCA with a special request to keep it “under lock and key when you are not actually reading it, because the German-American Bund, the German Consul and all such forces are desperately trying to get a copy of it.”

Dr. George Gyssling, German Consul General in Los Angeles, called on PCA head Joseph Breen to stop the film from being made. Gyssling threatened that the Reich would ban all subsequent productions that featured any actors who appeared in Confessions.  Rival studio leaders were worried that Warner’s anti-fascist campaign would lead the German government to ban all American films. Given that many studios earned 40-50% of their revenues from foreign markets, this was a dire prospect. “So far as we are concerned,” Paramount Pictures executive Luigi Luraschi wrote Breen in December 1938, “our policy at the moment is that we will not attempt to make any picture that will be obviously uncomplimentary to any nation abroad.” The Warners also encountered fierce opposition from PCA censors who repeatedly warned them that Confessions would cost them money and do irreparable harm to the film industry. “It is our thought,” Breen wrote Jack Warner in December 1938, “that (censorship) boards in a number of foreign countries will not be disposed to approve the exhibition of a picture of this kind.”

Wie der Abschnitt zeigt, bedurfte es nicht der drohenden Hinweise Dr. Gysslings, um die Studiobosse – abgesehen von den Warners – von der Brisanz des Vorgangs zu überzeugen. Alle fürchteten den enorm wichtigen Einbruch ihrer deutschen Filmeinnahmen, die damals bis zu 50% ihrer Jahresumsätze betrugen. Folglich unternahm Breen und die PCA alles in ihrer Macht stehende, um die Entstehung des Film, wenn nicht schon verhindern zu können, so doch wenigstens die Handlung dergestalt zu entschärfen, dass die Nazis keinen Anlass für restriktive Maßnahmen hätten. Man liest, unter welch schwierigen Bedingungen der Film entstand und wie hinter den Kulissen alles unternommen wurde, um sein Erscheinen zu verhindern. So wundert es nicht, dass zur Premiere Warner Hunderte von Sicherheitskräften engagierte, den Film unter Polizeischutz und im gepanzerten Wagen zum Premierenkino bringen ließ. Es wurden Proteste und Ausschreitungen von deutschfreundlichen und faschistischen Gruppen befürchtet.

Um seinem Ärger über die Warners und ihren Film Ausdruck zu verleihen: “Louis B. Mayer, who strongly opposed the Warners’ propaganda picture, threw a “surprise” birthday party for Lionel Barrymore on opening night and ordered all MGM luminaries to appear at the gala.” Man sieht, es bedurfte gar nicht des bösen Naziknechts Dr. Gyssling und irgendwelcher fiesen Nazitricks. Der konkurrierende Studioboss versuchte die Premiere mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu torpedieren. Die Premiere fand dennoch wie geplant am 27. April 1939 in Beverly Hills statt.

Es kam, wie befürchtet. Die Nazis unternahmen alles in ihrer Macht stehende, um die Aufführung des Films in Deutschland und später in den besetzten Ländern zu unterbinden. Da half es auch nichts, dass die PCA nachlegte und noch schärfere Auflagen machte, um Inhalte zu verhindern, von denen sich Nazideutschland angegriffen fühlen konnte. Was fast niemand zu diesem Zeitpunkt, im Sommer 1939 noch nicht ahnte, war die Tatsache, dass die Nazis binnen Kurzem den 2. Weltkrieg vom Zaun brechen würden. Da die USA zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht mit Deutschland im Krieg waren, blieb das Verbot Anti-Nazifilme zu produzieren bis Januar 1940 in Kraft. Plötzlich sahen sich also Anfang 1940 bis Ende 1941 die jüdischen Studiobosse und die fortschrittlichen linken, antifaschistisch – antinazistisch engagierten Filmschaffenden in eine Anklage wegen „unamerikanischer Umtriebe und Unterstützung des Kommunismus“ verwickelt. Die deutschstämmigen jüdischen Exilanten gingen, so gut es ging, auf Tauchstation. Niemand erhob seine Stimme oder seinen Kopf, um bloß nicht aufzufallen.

Überwachungsstaat USA

Während sich in Hollywood die Dinge also scheinbar etwas beruhigten, konzentrierte man sich fürs Erste auf die verbliebenen geschäftlichen Möglichkeiten, denn obwohl in Europa der Krieg tobte, lief der Handel zwischen den USA und Deutschland, sowie den neutralen Ländern weiter. Zur selben Zeit als das HUAC in Hollywood auf Kommunistenhatz ging, bastelte der FBI Boss Hoover längst an der Perfektionierung seines Überwachungsapparats. Wie schnell sich für die immer zahlreicher ins Land strömenden Exilanten die Bedingungen verschlechterten, machen die Angaben Alexander Stephans deutlich: „Für die in den USA Zuflucht suchenden Exilanten war jedoch eine andere, bis heute wenig beachtete Unternehmung des »big government«-Praktikers Roosevelt viel folgenreicher: nämlich der Aufbau eines »innenpolitischen Geheimdienstapparates«, der sich im Stil der Zeit zugleich gegen Fremde, besonders wenn sie wie die Deutschen auch noch »enemy aliens«, also feindliche Ausländer, waren und gegen subversive, unamerikanische Elemente wendete … Die 1940 erfolgte Verlegung des Immigration and Naturalization Service vom Arbeits- in das Justizministerium unterstreicht, dass Einwanderer nicht mehr als Belastung des Arbeitsmarktes, sondern als Sicherheitsrisiko gesehen wurden … Bereits 1939 schafft Hoover mit der Wiederbelebung der General Intelligence Division (GID), in der er zwanzig Jahre zuvor beim Justizministerium seine Karriere begonnen hatte, die Grundlage für die Erstellung jener Custodial Detention List genannten Schutzhaftverzeichnisse, auf denen auch die Namen der Exilanten standen. Die Leiter der regionalen FBI-Niederlassungen sind fortan angewiesen, Karteien zu führen, in denen Personen mit »German, Italian, and Communist sympathies« erfasst werden.“

Lange bevor das FBI zuschlägt, hat also der Countdown der Vorbereitungen begonnen. Mit den sich ständig mit mehr Namen füllenden Schutzhaftlisten, ist Hoover und seine Mannschaft bereits 1940, also weit mehr als ein Jahr vor Kriegseintritt der USA, mit seinen Vorbereitungen am Ende. Für Hoover stellt die neue, abzusehende kriegerische Auseinandersetzung nur die logische Folge seiner frühen Tätigkeit dar. „Geradlinig verläuft denn auch die berufliche Entwicklung des FBI-Bosses – eine Entwicklung, die auf Erfahrungen gegründet ist, die wie gemacht sind für die Überwachung der deutschen und österreichischen Exilanten während der vierziger Jahre. Als »intelligence clerk« und »permit officer« wird der junge Hoover, der lieber nicht als Soldat nach Europa geschickt werden will, nach dem Eintritt der USA in den Krieg damit beschäftigt, deutsche »enemy aliens« zu überwachen, Internierungs- und Deportationsanträge zu bearbeiten, Reisegenehmigungen auszustellen und Ausländer zu überprüfen. Als Instrument standen Hoover bei seinen Aktionen … 1919/20 vor allem drei Notstandsgesetze zur Verfügung, auf die er sich zwanzig Jahre später bei der Überwachung der deutschsprachigen Exilanten wieder berufen wird: der Immigration Act, der die Deportation von radikalen Ausländern regelt, den Espionage Act, nach der die Zersetzung des Wehrdienstes, nach Bedarf aber auch politischer Dissens, illegal ist; und der Sedition Act von 1918, der es strafbar macht, »to … utter, print, write, or publish any disloyal, profane, scurrilous, or abusive language about the form of government of the United States … or any language intended to … encourage resistance to the United States, or to promote the cause of its enemies«“ Hoover begreift rasch, dass ihm die vagen Formulierungen dieser Verordnungen breiten Spielraum für individuelle Auslegungen lassen. So greift er als unamerikanisch an, wer sich in Wort und Schrift kritisch über den American Way, seine Behörde oder ihn selbst äußert. Dabei vermengen sich schon damals, 1919/20, handfeste Polizeimaßnahmen wie Massenverhaftungen, Bespitzelungen, Einbrüchen, Deportationen und die systematische Sammlung von jedem nur erdenklichen Belastungsmaterial mit einer verschwommenen, wortreich vorgetragenen Ideologie … Deutsche geraten ab 1939 einmal mehr in die Rolle der gehaßten »enemy alien«, hinter denen man Saboteure, Spione und Agitatoren vermutet, die sich nur durch scharfe Überwachung und Androhung von Internierung oder Deportation unter Kontrolle bringen lassen. Deutsche Spione und Saboteure, die 1917/18 in den USA noch einigen Schaden angerichtet hatten, waren im zweiten Krieg sofort neutralisiert.

Diese Äußerungen machen deutlich, dass sich neben den quasi internen Hollywood-Querelen, die die HANL losgetreten hatte, ein wesentlich größeres Gewitter zusammenbraute, dass kurz nach Pearl Harbor und dem Kriegseintritt der USA, Ende 1941, auf 400.000 Deutsche, sowie hunderttausende Japaner und Japanstämmige Amerikaner niederprasseln sollte.

Der personelle und finanzielle Aufwand, den das FBI bei der Überwachung der seit 1939/40 in die USA einreisenden politischen Flüchtlinge aus Hitlers Machtbereich trieb, ist heute nur noch schwer nachvollziehbar.“, schrieb Stephan Anfang der 90er Jahre. Heute, mit der Erfahrung des 11. Septembers 2001 wundert es nicht mehr. Im Gegenteil. Was die heutigen Regierenden in Washington mit Hilfe des PCs und Internets an finanziellem und personellem Aufwand betreiben, geht weit, sehr weit über das Maß hinaus, was ein Hoover und sein FBI um 1940 mit ihren geringen technischen Möglichkeiten betrieben.

Einmal in Gang gesetzt, kam der amerikanische Überwachungsapparat zusehends in Fahrt: “Das Office of Censorship wurde im Dezember 1941 zur Überwachung von »mail, cable, radio or other means of transmission passing between the United States and any foreign country« gegründet. Als gesetzliche Grundlage diente dabei – ein schlechtes Omen für die deutschsprachigen Exilanten – der unverändert übernommene First War Powers Act von 1917. Zwei Jahre später war aus einem Unternehmen, das mit zwei, drei pensionierten Militärs »sitting around a table in the Post Office building, slitting open a few letters at random« angefangen hatte, ein gigantischer Apparat geworden: allein zwischen März und Dezember 1942 von 728 auf 1.678 »examiner« anschwoll und 2.006 Übersetzer für 73 Sprachen zur Verfügung hatte… So wurde die vom Office of Censorship abgefangene Korrespondenz der Exilanten für ihre Dossiers abgeschrieben. In Ermanglung geeigneter Aufzeichnungsgeräte fertigten FBI-Mitarbeiter und Informanten ihre Berichte von Gesprächen mit Exilanten als Erinnerungsprotokolle an. Die Vielzahl der Methoden, mit denen das FBI die Exilanten überwachte, entsprach dem damals hohen Stand der Fahndungstechnik. Neben der Postzensur, der Personenbeobachtung, wurden Fahrzeuge und Gebäude durch Special Agents des FBI überwacht, zumal Hoovers Behörde für diese Tätigkeit keine richterliche Erlaubnis brauchte!

Was im Umfeld des Kriegseintritts einsetzte, war gigantisch, wie nicht nur allein 30.000 Deutsche in den USA schmerzlich erfahren mussten. Selbst diejenigen unter den Exilanten, die sich hatten einbürgern lassen, und sich bereits intensiv im und für ihr neues Vaterland engagierten, waren dem FBI eine liebevolle Überwachung, rund um die Uhr, versteht sich, wert. „So wurde z.B. ermittelt, wie lange bei Klaus Mann im New Yorker Bedford Hotel das Licht brennt als er seine männlichen Freunde zu Besuch hat. Oder Ruth Berlau wird vor ihrer Abreise aus Los Angeles über Stunden hinweg beim Packen, letzten Erledigungen und beim Abschied von Brecht am Bahnhof beobachtet. Reist eine Zielperson, wie Berlau von Los Angeles an die Ostküste, übernimmt die dortige Dienststelle die Observation. Brachte die einfache ‚physical surveillance’ eines Objekts oder einer Person nicht die erhofften Resultate, griffen Hoovers Leute routinemäßig zu anderen Mitteln. So hört das FBI über Monate hinweg zusätzlich die Telephone von Brecht, Berthold Viertel und anderen Exilautoren ab. Es gibt ein übergreifendes Prinzip, nach dem das FBI – wie wohl alle Geheimdienste – vorgeht: Wer einmal eine Akte besitzt, kommt nie mehr aus dem Teufelskreis von Überwachung, Bespitzelung, Berichten und Querverweisen heraus. Noch nicht einmal der Tod der Zielperson bringt die Mühlen des FBI in allen Fällen zum Stehen. Am Anfang eines jeden FBI-Dossiers steht die Entscheidung eines Field Offices oder der Zentrale, eine Person, Organisation, Zeitschrift usw. einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Ausgelöst wird dieser Schritt zumeist zufällig, über andere Aktenbestände, eine Voruntersuchung oder eine Denunziation.

Doch der geneigte Leser wird erstaunt sein, wenn er liest, dass sich der Hort aller Demokratien, die Vereinigten Staaten von Amerika, mit diesen zwei Überwachungs- und Repressionsapparaten, dem FBI und dem Office of Censorship nicht begnügten. Schließlich gab es noch fünf weitere Apparate; die Foreign Nationalities Branch des Office of Strategic Services und das Department of State, das Außenministerium der USA. Auch diese Behörden kümmerten sich intensiv und aufopfernd darum, das Leben und Handeln der Exilanten intensiv zu durchleuchten. Hinzu kamen die beiden militärischen Nachrichtendienste der USA, Office of Naval Intelligence und Military Intelligence Division der Armee, die ebenfalls untersuchten und durchleuchteten, was das Zeug hielt. Last but not least war da noch der Immigration und Naturalization Service; nicht zu vergessen das berüchtigte HUAC, dass sich zusätzlich in das Leben jedes Exilanten, je prominenter er war, desto lieber, einmischte, ihn mit Vorladungen, Befragungen und hochnotpeinlichen Vernehmungen – öffentlich – an den Pranger stellte. Ohne missverstanden zu werden, ohne Birnen mit Äpfeln, Demokratie mit Diktatur vergleichen zu wollen – ein wenig gemahnt das alles an die Repressionsapparate, wie sie Stalin in der UdSSR und Hitler in Deutschland und den besetzten Ländern in Gang gesetzt hatte.

Noch einige Anmerkungen zu den Aufgaben der einzelnen Apparate, und wie sie sich auf Exilanten auswirkten. „lm Gegensatz zum FBI, das fast immer »covert«, also verdeckt, vorging arbeitete der Foreign Nationalities Branch des Office of Strategic Services durchweg »overt«, also offen. In den Unterlagen des OSS heißt es über Thomas Mann 1942, er sei zwar ein »very valuable man of international importance«, wer in ihm jedoch einen politischen Führer sehe, tue das »in absolute ignorance of … his … unpolitical nature«. Noch schlechter kommt Heinrich Mann bei den OSS-Experten weg. »Most naive«, er lasse sich von den Kommunisten als »camouflage« mißbrauchen … Ergänzt werden derartige Porträts durch Gespräche, die Mitarbeiter von Amerikas erstem Geheimdienst in aller Offenheit mit hervorragenden Persönlichkeiten des Exils – Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Bruno Frank, Alfred Döblin und anderen – führten. Ähnlich wie Hoovers Special Agents tauchen oft selbst aus Exilanten- oder Immigrantenkreisen stammende Mitarbeiter und Informanten des Foreign Nationalities Branch im Großraum New York bei Veranstaltungen der Exilanten auf, lesen die Exilpresse und lassen sich von Insidern und Denunzianten informieren.

Hierher, zu den Denunzianten und Informanten, gehört auch Carl Zuckmayer, der sich aus eigenem Antrieb darum bemühte, für die amerikanischen Dienste tätig zu werden und seine „Dossiers“, sog. Personenportraits verfasste. (Später gar als Buch verlegt und so doppelt zu Geld gemacht). Ein moderner Judas, dem, da er für die siegreiche, also richtige Seite tätig war, gar noch Dank, Lob und Anerkennung dafür zuteilwurde, andere Menschen ins Lager gebracht zu haben. Soweit konnte es also ein Mitautor aus Vollmoellers Drehbuchteam am „Blauen Engel“ bringen! Der andere, Robert Liebmann, der zu deutsch und europäisch dachte, floh nur bis Paris, wo ihn die Nazis 1940 internierten und er 1941 in einem der zahlreichen Konzentrationslager umkam.

Während FBI und OSS sich gleichsam aus eigenem Antrieb mit den Exilanten befaßten, gehörte es zum Auftrag des Immigration and Naturalization Service, über jeden Ausländer, der in die USA kam, eine Akte anzulegen. Eröffnet wurden die INS-Akten bei der Ankunft der Exilanten in den USA … Geschlossen wurde eine INS-Akte im allgemeinen, wenn ein Exilant eingebürgert worden war oder wenn er das Land wieder verliess … Antragsteller mußten dem INS bei Androhung von Strafe und Deportation per Unterschrift oder Eid beschwören, dass sie ihre Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hatten … Der im rheinhessischen Nackenheim geborene Carl Zuckmayer versucht, der Kategorisierung als »enemy alien«, also als feindlicher Ausländer, zu entgehen, indem er sich als Österreicher ausgibt.“ Wie er alles tat, um sich für die Amerikaner so unentbehrlich zu machen, dass ihm die Internierung oder gar Abschiebung erspart blieb. Dass dies teilweise nur auf Kosten anderer Exilanten möglich war, indem er „Informationen“ über sie preisgab, und sicher den einen oder anderen ans Messer lieferte, nahm er dabei billigend in Kauf.

Beobachtet, überwacht und wenn nötig gelenkt wurden die Exilanten nicht nur durch FBI, OSS und INS, sondern auch durch das Department of State, das Außenministerium der USA. Erst mit der erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie verlagert sich die Aufmerksamkeit des Department of State bei der Überwachung der Hitlerflüchtlinge dann zunehmend von der Überwachung hin zur Prüfung der Einsetzbarkeit zum Wiederaufbau Deutschlands … Die Archivbestände der beiden militärischen Nachrichtendienste der USA, Office of Naval Intelligence und Military Intelligence Division der Armee, werden bis heute zurückgehalten, obwohl feststeht, dass die militärischen Geheimdienste über viele Jahre alle Aktivitäten der Exilanten aus Deutschland und Österreich überwachten. Von allen Nachrichten- und Überwachungsapparaten, die während Roosevelts Regierung aus- und aufgebaut wurden, griff das Office of Censorship zweifellos am direktesten in das tägliche Leben der Exilanten ein. Briefe mit wichtigen privaten und geschäftlichen Nachrichten blieben tage- und wochenlang auf den Schreibtischen der Zensoren liegen; Bücher und Zeitschriften wurden zurückgehalten. Selbst Amerikaner waren nicht vor Überwachungs- und Abhöraktionen sicher, wenn sie sich in Exilantenkreisen bewegten. Ausländer, also fast alle Exilanten, waren, wenn es zu Überwachungs- und Zensurmaßnahmen kam, weitgehend vogelfrei. Für sie reichte ein einfacher Antrag des FBI, um auf die »General Censorship Watch List« zu geraten … So finden sich in den Akten von Heinrich Mann, Brecht, Anna Seghers und anderen Hinweise darauf, dass man den Empfang von Exilzeitschriften genau registrierte … Die Überwacher versuchten auf der Spur von Thomas und Klaus Mann zu bleiben, indem sie sich beim Postamt in Princeton und beim Briefträger von Pacific Palisades umhörten … Selbst die Konditionen von Verträgen zwischen Exilautoren und ihren Verlegern lagen vor den Zensoren offen … Anträge zur Überwachung der Post eines Exilanten wurden im allgemeinen von den diensthabenden Leitern der FBI-Zweigstellen gestellt und fast immer problemlos für eine Dauer von 30, 60 oder 90 Tagen bewilligt. Als Begründung reichte es aus, wenn die Betreffenden viel Post aus dem Ausland, gar aus Moskau erhielten. Schutz gegen Missbrauch des abgefangenen Materials gab es nicht. Das FBI, das Office of Strategic Services, die militärischen Geheimdienste und der Immigration and Naturalization Service hatten nach Belieben Zugriff auf die Korrespondenz der Zielpersonen.“

Das alles erinnert fatal an die aktuellen Überwachungen von Telefon, Email und Surfgewohnheiten im Zusammenhang, wie sie seit 2007 sowohl in den USA als auch in der Bundesrepublik laufen. Ergänzt wurde das Überwachungsszenario, dem sich Exilanten ausgesetzt sahen zusätzlich vom berüchtigten Un-American Activities Committee des Repräsentantenhauses und seinem regionalen Ableger in Kalifornien. Das HUAC war insofern höchst gefährlich für die Betroffenen, weil bei Aussageverweigerung Gefängnisstrafen drohten oder sie öffentlich als unamerikanisch vorgeführt und damit beruflich ruiniert wurden. Eine illustre Schar sogenannter ‚freundlicher Zeugen’ waren die späteren US-Präsidenten Ronald Reagan, Richard M. Nixon, Walt Disney, Edward G. Robinson, Jack Warner und viele andere, um die Vorurteile des Komitees zu bestätigen. „Thomas Mann, lebte in ständiger Furcht, vom HUAC vorgeladen zu werden. Er notiert: »Beschluß, die amerik. Staatsbürgerschaft hinzuwerfen, wenn ich vor das Un-American Committee citiert werden sollte.

Hoover, der jedem Konkurrenzunternehmen in Sachen innerer Sicherheit zunächst mit Mißtrauen gegenüberstand, signalisierte Kooperationsbereitschaft, als ihm klar wurde, dass Angeschuldigte oft effektiver in öffentlichen Verhören, als durch die geheime Tätigkeit seiner Special Agents bloß- und kaltzustellen waren. Vorsichtig und gezielt versorgte er das HLJAC mit ausgewählten Akten – auch zu deutschsprachigen Exilanten. So galt die mit Romanen wie Menschen im Hotel in den USA erfolgreiche Vicki Baum als linkslastig, weil sie den »Christian Drive for Spanish Children« unterstützt hatte.“ Im Fall Karl Vollmoellers war es die Unterstützung des Deutschen Winterhilfswerks. „Gerhart Seger, ehemals SPD Reichstagabgeordneter, in den USA bekannt als Autor des KZ-Berichts A Nation Terrorized, musste sich schriftlich vor dem HUAC Committee gegen den Verdacht verteidigen, ihm sei die Flucht aus dem Konzentrationslager Oranienburg nur deshalb gelungen, weil er Nazi-Kollaborateur geworden sei.“ Eine Ungeheuerlichkeit.

Das, was nach Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 ablief, war eine von langer Hand durch Hoover vorbereitete Aktion, die sich in den Wochen nach Pearl Harbor gegen rund 30.000 Deutsche und mindestens eine halbe Million Asiaten, vornehmlich Japaner, landauf landab ereignete, wie das äußerst informative Buch von Max Paul Friedman: Nazis & Good Neighbors, 2003 bei Cambridge University Press erschienen, verdeutlicht. Friedman zeigt darin auf, dass während des Zweiten Weltkrieges knapp 400.000 Deutsche in US-amerikanischen Lagern interniert wurden. Neben den Kriegsgefangenen und deutschen Zivilisten aus den USA zählten hierzu auch über 4.000 Deutsche und Deutschstämmige aus Lateinamerika, die während des Krieges und zum Teil sogar noch nach Kriegsende, auf Druck der US-Regierung, aus Südamerika deportiert und in die USA gebracht wurden. Daran ist abzulesen, dass es Verhältnisse, wie die von heute in Guantanamo auf Kuba, schon vor über 60 Jahren gab, und sich die Dinge unter anderem Vorzeichen, und mit anderem Gegner immer wiederholen.

Friedman schildert die ersten Gegenmaßnahmen der USA auf die Herausforderung durch die Nazis, insbesondere die „Proclaimed List of Certain Blocked Nationals„, die im Juli 1941 vom State Department herausgegeben wurde, also über vier Monate vor der Kriegserklärung.

Was Wunder, dass aktuell Trump erneut mit derartigen schwarzen Listen hantiert! Auf dieser „Schwarzen Liste“ konnte sich jedes Unternehmen und jede Person wieder finden, die in irgendeiner Weise mit dem Deutschen Reich in Kontakt zu stehen schien. Die „Proclaimed List“ war der organisatorische Auftakt zu den Ausweisungen und Internierungen ab Dezember 1941, weil sie die Identifizierung von Firmen und Individuen erforderte. Nach dem Motto: ‚wo gehobelt wird, fallen Späne’, kam es zu zum Teil geradezu tragischen Verhaftungen (wieder fühlt man sich an die Gegenwart erinnert). So wurden über 80 jüdische Flüchtlinge, die zum Teil in Deutschland im KZ gesessen hatten, unter dem Verdacht, Nazisympathisanten zu sein, aus Südamerika in die USA entführt und dort interniert. Skandalös ist auch der Umstand, dass die US-Regierung auf den Austausch rückkehrwilliger deutscher Internierter gegen KZ-Häftlinge verzichtete, was etlichen Juden in Europa das Leben hätte retten können. Wir sehen, dass Vollmoellers Inhaftierung nur der winzige, individuell sichtbare Teil einer gigantischen Maschinerie war, und dass das, was uns der „Aufbau“ und manch Literaturwissenschaftler als Beleg für Vollmoellers Verderbtheit und Naziunterstützung darstellen will, nicht mehr war, als ein sich stereotyp, millionenfach wiederholender Vorgang, an dessen Zustandekommen weniger der einzelne Betroffene „schuld“ war, als vielmehr die Tatsache, als Angehöriger einer bestimmten Nation zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen zu sein.

Das, was sich 1941/42 immerhin in Kriegszeiten in den USA abspielte, erinnert fatal an jene gegenwärtigen Aktionen, die Präsident Trump und seine MAGA Helden in Sachen Einwanderer und Abbau demokratischer Rechte angestoßen haben. Ich will das hunderttausendfache damalige Schicksal, dass sich in Vielem mit den aktuellen Umständen deckt, am Beispiel eines einzelnen Menschen aufzeigen, dem des Dichters und Drehbuchautors Karl Vollmoeller.

Was sich nach Vollmoellers Verhaftung in Sternbergs Villa in der Silvesternacht 1941/42, im Griffithpark In Los Angeles, danach in Fort San Houston – Texas und später in Stringtown – Oklahoma, während der Zeit seiner Internierung abspielte, spottet jeder Beschreibung, und ist einer Demokratie wie der der Vereinigten Staaten von Amerika sehr unwürdig. Ohne auch nur die Hintergründe und Ursachen seiner Verhaftung zu erfahren, wird der 63 jährige Vollmoeller zusammen mit mehreren hundert anderen, hastig Verhafteten – schließlich mussten ja nunmehr, im Krieg, die zuvor sorgfältig gefüllten Listen abgearbeitet werden – zunächst für mehrere Tage in einen, von Militärpolizei notdürftig mit Stacheldraht versehenen Park inmitten Los Angeles festgehalten. Es gab dort weder Sitzplätze, noch Baracken, noch Zelte, keine Toiletten, keinen Schutz vor der kalten Witterung des Winters, keine Betten, Pritschen oder ähnliches. Natürlich gab es auch keine Küche und somit keinerlei Verpflegung.

Ohne förmlich angeklagt zu sein, ohne Gelegenheit einen Anwalt oder Rechtsvertreter zu sprechen, werden die Internierten nach einigen Tagen von dieser provisorischen „Sammelstelle“, die denen der Nazis alle Ehre gemacht hätte, auf requirierten LKWs unter Militärbewachung im Konvoi nach Fort San Houston gekarrt. Vollmoeller schreibt darüber in seiner Petition. Es ist ein Skandal, zu lesen, dass ein 63 Jähriger, der seit Geburt schwer lungenkrank war, von den Repräsentanten der US-amerikanischen Regierung im Freien, ohne jeglichen Schutz vor der Witterung, liegen gelassen wird, ihm wärmende Kleidung oder Decken verwehrt wurden, er keinerlei medizinische Versorgung erhielt, er sich stattdessen mit heftigen Ischiasschmerzen, Hustenattacken sowie einer sich rapide verschlimmernden Arteriosklerose zu plagen hatte. Dass Vollmoeller diesen ersten Schock und Angriff auf seine Gesundheit und damit sein Leben überhaupt überlebte, verdankt er Mitinternierten, die sich aufopfernd und rührend um den hilflosen, kranken, alten Mann kümmern: „Während Vollmoeller in Oregon und Texas krank ist, pflegen ihn die Söhne und Vettern der einstigen Schiffsbesatzung aus Sorrent, einige von ihnen, wie man so sagt, nicht politische, sondern richtige Verbrecher, Mitglieder der Mafia zum Teil. Aber mit rührender Hingabe pflegen sie den alten Dichter, der ihre Sprache kennt und spricht. Ihre Sprache in jeder Beziehung, nicht nur das lateinisch und phönizisch gefärbte Italienisch der südlichen Küste, sondern die Sprache der Freundschaft, des einfachen, rein menschlichen Interesses. Er gibt ihnen an Wärme und gütigem Verstehen und zögernden Ratschlägen zurück, was sie für ihn tun.

Auch in Fort San Houston muss Vollmoeller, nun in notbehelfsmäßig aufgeschlagenen Zelten, bei aberwitzigen Hitzegraden, im Freien liegen und wäre, ohne die Hilfe und Fürsorge seiner italienischen Freunde, einige darunter Mafioso, jämmerlich verreckt. Erst als beide Nieren zu versagen drohen und er über Tage hinweg lebensbedrohlich hohes Fieber hat, in dessen Folge er beginnt zu delirieren, bekommen die Lagerverwalter es mit der Angst zu tun, und stimmen seiner Verlegung in das örtliche Gefängniskrankenhaus zu. Schwere Lungenentzündung wird diagnostiziert. Dennoch wird er, noch bevor die Krankheit annähernd auskuriert ist, wieder zurück ins Lager verfrachtet. Dort, mangels medizinischer Versorgung kollabiert Vollmoeller Tage später und erleidet seinen ersten Herzinfarkt. Gnädig fährt man ihn daraufhin zurück ins Krankenhaus, dass er aus medizinischer Sicht niemals hätte verlassen dürfen. Ein wahres Wunder – ein Mirakel – dass er überhaupt überlebt! Man muss sich das einmal vor Augen halten: ein sterbenskranker, alter Mann wird nach jeweils fünf bzw. sieben Tagen, nach einer schweren Lungenentzündung bzw. einem Herzinfarkt, zurück in ein, nur mit Zelten ausgestattetes Internierungslager gesperrt, so als ginge von ihm die größte Gefahr für die Sicherheit eines Landes, wie die USA aus. Und das alles nur auf der Basis von Vermutungen – Beweise gab es nie, sonst hätte man ihn später verurteilt.

Das alles spielt sich nicht im grausamen Nazireich ab, sondern in der Wiege der modernen Demokratien! Doch wer glaubt, dieser Aberwitz sei nicht steigerungsfähig, der täuscht sich. Erneut hat Vollmoeller mit hohem Fieber zu kämpfen. Der hinzugezogene Arzt, der mit seiner schonungslosen Diagnose versucht den Lagerkommandanten wachzurütteln, weil er um das Leben des alten Patienten fürchtet, schreibt: „KARL VOLLMOELLER – PYELITIS, AC UTE, BILATERAL ,SEVERE, CAUSEUNDETERMINED TEMPERATURE 104 (signed) JJ, HANDLEY, Major, M.C.”  Wie Vollmoeller berichten muss, wird er auf Druck der Lagerleitung für gesund und transportfähig erklärt, und auf der Pritsche eines normalen LKW, statt in einem Krankenwagen, über mehr als tausend Kilometer in ein anderes Internierungslager, das von Stringtown verlegt. Erneut dem Tod näher als dem Leben kommt Vollmoeller besinnungslos, total entkräftet und von seinen Krankheiten gezeichnet im neuen Lager an.

Stringtown war seit den Tagen des 1. Weltkriegs ein Pfadfinder- und Militärcamp gewesen, und wurde von der US-Regierung am 30. März 1942 wieder eröffnet. Wie es in einem amerikanischen Report über die Kriegsgefangenen- und Internierungslager während des 2. Weltkriegs heißt, war das „Stringtown Alien Internment Camp … This camp was located at the Stringtown Correctional Facility, four miles north of Stringtown on the west side of highway 69. It was activated on March 30, 1942, closed in June of 1943, and had a capacity of 500. It held primarily German aliens, but some Italian and Japanese aliens also were confined there.

Hierher verlegt zu werden war, trotz eklatanter Missstände, die auch hier herrschten, Vollmoellers Rettung. Vertreter der Schweiz und des Internationalen Roten Kreuzes hatten das Lager zwischen April und Juni, als Vollmoeller hierher verlegt wurde, mehrfach besucht und sich gegenüber der amerikanischen Regierung schockiert von den Zuständen gezeigt. Mit Nachdruck hatten sie, auch auf Druck der deutschen Reichsregierung, die von der Schweizer Botschaft vertreten wurde, die Standards gemäß der Genfer Konvention angemahnt. So waren umfangreiche Baumaßnahmen angelaufen. Es gab jetzt eine funktionierende Kantine für die Gefangenen und – eigentlich eine Selbständigkeit – eine medizinische Baracke, in der zwei ausgebildete Ärzte und einige Krankenschwestern ihren Dienst versahen. Da diese Krankenstation erst auf ausländischen Druck eingerichtet wurde, verfügte sie zu Vollmoellers Vorteil über das neueste medizinische Gerät und war überdies mit allen Medikamenten ausgestattet, die es seinerzeit gab.

Vollmoellers Verlegung hatte ebenfalls mit dem Druck der Schweizer Regierung zu tun. Diese hatte nicht im Auftrag Berlins nach den Internierten gefahndet, sondern die Regierung in Bern hatte auf Intervention Vollmoellers Verwandter in der Schweiz die amerikanische Regierung gedrängt, Karl Vollmoeller umgehend freizulassen. Bern erbot sich, für Vollmoeller und seine Integrität zu bürgen und erteilte ihm, der offiziell noch immer die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, da ihn die Amerikaner ja nicht in die ihre aufgenommen hatten, die zeitlich unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung und hinterlegten Kaution für seinen Transport in die Schweiz. Die Zustände in Fort San Houston wollten die amerikanischen Behörden, die Schweizer und das IRK auf keinen Fall lassen, denn das hätte selbst zu Kriegszeiten für diplomatische Verwicklungen gesorgt, angesichts der dortigen unhaltbaren Zustände. So musste Vollmoeller in einer Nacht und Nebelaktion nach Stringtown gekarrt werden, damit man ihn dort den diplomatischen Vertretern der Schweiz zeigen konnte. Dass man dabei das Leben des Internierten fahrlässig gefährdete, nahm die Regierung billigend in Kauf. Lieber einen Toten präsentieren, als in diplomatische Verwicklungen zu geraten und vor der Weltöffentlichkeit – wie die Nazis – angeprangert zu werden.

Vermutlich ist der Leser an dieser Stelle zu recht irritiert. Warum nahm Karl Vollmoeller dieses fabelhafte Angebot aus der Schweiz nicht an? Er hätte die USA umgehend Richtung Schweiz verlassen, hätte sich erholen und pflegen lassen können, und wäre allen Unbilden entflohen. Was bringt einen kranken, alten Mann, der permanent, angesichts der unwürdigen Verhältnisse mit dem Tode ringt dazu, das rettende Schweizer Angebot ebenso auszuschlagen, wie zweimal zuvor das Angebot der deutschen Reichsregierung, ihn im Austausch gegen amerikanische Kriegsgefangene freizukaufen? Man könnte es Altersstarrsinn nennen. Man könnte es jedoch auch als letzten und überzeugendsten Beweis für Vollmoellers Unschuld und Ehrenhaftigkeit nehmen. Ihm ging es mit seiner Weigerung gegenüber den Nazis, sich austauschen zu lassen darum, deutlich zu machen, dass er sich nicht diesem verbrecherischen Regime und seinem Heimatland verbunden fühlte. Das Ausschlagen des Schweizer Angebots geht bedeutend weiter. Indem er darauf verzichtet, einfach sein Leben zu retten, verdeutlicht er gegenüber seinen Anklägern, wie gegenüber seinen Denunzianten und seinen abgefallenen Freunden, dass er sehr wohl Prinzipien und Überzeugungen hat, nach denen er lebt und für die er sogar bereit ist zu sterben. In diesem Fall für seine Ehre und die Reinwaschung seines besudelten Namens.

Wie er den amerikanischen Staatsanwalt wissen lässt, will er nicht als Inhaftierter sterben, mit dem Ruch eines Verbrechers. Er möchte das Lager als freier Mann verlassen. Dafür nimmt er in Kauf noch länger inhaftiert zu bleiben, dafür riskiert er gar, verurteilt zu werden. Mit der ihm eigenen Süffisanz reibt er dem Generalstaatsanwalt, der über seinen Vorgang zu befinden hat unter die Nase, dass er, Karl Vollmoeller, es für höchst bedenklich hält, dass ein von Hitler in die Zange genommenes Land (die Schweiz) sich anbietet, einen von den Amerikanern der Naziunterstützung Angeklagten aufzunehmen – was bedeutet, dass man in der Schweiz von seiner Unschuld überzeugt war – wohingegen die großen, mächtigen USA es nötig zu haben scheinen, den Ruf und das Leben eines untadeligen Schriftstellers wegen eines Justizirrtums zu zerstören.

Dass das FBI außer der Denunziation und den verdrehten Erfindungen des „Aufbau“ Artikels nichts gegen Vollmoeller in den Händen hatte, wurde bereits erwähnt. Im Februar 1943, 14 Monate nach seiner Verhaftung, wurde Karl Vollmoeller aus der Internierung entlassen, da das FBI  absolut kein gerichtsverwertbares Beweismaterial besaß, sodass die Jury eine weitere Inhaftierung des sichtlich kranken und seelisch stark angeschlagenen Karl Vollmoeller ablehnte. Außerdem hatten sich der katholische Geistliche Pater Flanagan, und der deutsch-jüdische Bankier Rosen erboten, für Vollmoeller zu bürgen und ihn bei sich aufzunehmen, wie dies auch Max Reinhardt und Rudolf Kommer, sowie Ruth Landshoff-Yorck und Eleonora von Mendelssohn taten.

Man darf nicht vergessen, dass bereits seit 1938 das HUAC in den Kreisen der Hollywoodfilmleute wütete, zunächst auf der Jagd auf verkappte Kommunisten. Dann, 1940/41 war die Stimmung umgeschlagen und es begann die fröhliche Nazihatz, die, kaum war der Krieg in Europa 1945 beendet, wieder zu ihren Ursprüngen zurückkehrte, und im Zeichen des Kalten Krieges, als massive Kommunistenhatz fröhliche Urstände feierte. Diese Jagd erst auf linke, dann rechte, dann wieder linke Mitglieder unter den Filmleuten Hollywoods förderte naturgemäß ein Klima der Angst und des Unbehagens. Niemand wollte möglichen Denunzianten, zu denen später so erfolgreiche Menschen wie Ronald Reagan, Walt Disney und manch anderer gehörten, eine Angriffsfläche bieten. Stimmen die späteren „Schauprozesse“, gegen linke Deutsche, wie Brecht, Eisler, ja selbst die bornierte Verfolgung so integrer Figuren wie Thomas Mann, ganz zu schweigen von Charlie Chaplin, nicht nachdenklich?

Während seiner Internierung entstanden Vollmoellers Altersgedichte, über die Prof. Bergstraesser 15 Jahre nach Vollmoellers Tod schrieb: „Aber in eben dieser Berührung hatte seine Sprache eine Kraft der Schonungslosigkeit erworben, die ihm jetzt, inmitten der zweiten Katastrophe, unentbehrlich war, um die Ordnung der geschichtlichen Ereignisse zu deuten, Maß und Unmaß voneinander scheidend. Vollmoellers Anschauung der Gegenwart verband sich mit einem politischen Urteil, das über die aktuelle, 1942 noch von dem deutschen totalitären Nationalismus bestimmte Lage hinaus zu einer Kritik der Situation des Menschen überhaupt vor der Weltlage des 20. Jahrhunderts sich hintastete. In dieser Ausdehnung des Erfahrungsraumes vom heimatlich Vertrauten bis zum weltweit Universalen ist die Bedeutung seiner Antwort auf die Epoche eher zu suchen als im Dichterischen dieser Strophen selbst. Sein dichterisches Vermögen war vielmehr als Organ seiner der Brutalisierung der Gegenwart widerstrebenden Menschlichkeit die Voraussetzung seiner Art, die Zeit zu erfahren. Humanität des Wesens fand sich in ihm mit einer dem Jahrhundert gemäßen Härte des Urteils zusammen und zu dem Maße des Daseins hin. Gerade an seiner tiefsten Verletzung konnte es ihm sich wieder offenbaren und die Maßlosigkeiten von heute faßbar werden lassen.“

Mit der Verlegung nach Stringtown, sowie dem Besuch von Carroll Righter, begann für Karl Vollmoeller die Wende zum Besseren. Vollmoellers Anwälte wussten, worauf es ankommt. Eine von ihnen war Fanny Ellen Holtzmann, eine Rechtsanwältin. Geboren als Tochter eines traditionell religiösen, jüdischen Schullehrers in Brooklyn. Sie vertrat, als tief religiöse Jüdin, nicht nur die Filmstars von Hollywood, sondern setzte sich nach 1933 intensiv für ihre Glaubensschwestern und -brüder ein, die in Deutschland und Europa von Hitler und den Nazis verfolgt wurden. Sie sammelte in großem Umfang Gelder für die jüdischen Immigranten, verhandelte mit den amerikanischen Einwanderungsbehörden, und konnte einer großen Zahl von Flüchtlingen die Aufnahme in den USA sichern. Die Tatsache, dass eine so überzeugte, tief religiöse Jüdin Vollmoellers Verteidigung übernahm, macht signifikant deutlich, dass die Anschuldigungen und Verdächtigungen gegenüber Vollmoeller völlig haltlos waren. Indem sie dem FBI und den amerikanischen Behörden das Gesicht wahren half, keinen Vorwurf, keinen Hinweis auf irgendwelche Schadenseratzforderungen in ihre Petition einflocht, sondern Vollmoeller als Freund Amerikas darstellte, der er in der Tat immer gewesen war, diesen gar als mit seiner Behandlung durch das FBI einverstanden, ja Verständnis für das menschenunwürdige und -verachtende Vorgehen der amerikanischen Behörden zeigend, wird der Weg für die positive Entscheidung des Berufungskomitees geebnet, zumal Vollmoeller ihren Rat befolgend den folgenden Eid schwört: “I solemnly state under oath that I never, directly or indirectly, aided the Nazi Government in any way whatsoever.” Leider beinhaltet der Deal keinen Freispruch erster Klasse, sondern nur den zweiter, sprich auf Bewährung. Doch Vollmoeller will endlich aus der entwürdigenden und lebensbedrohenden Haft und sich soweit erholen, um sein neues, letztes Projekt angehen und durchführen zu können. Das FBI und der amerikanische Staat können dank dieses Deals ihr Gesicht wahren – und sind vor jeglichen Schadensersatzforderungen Vollmoellers gefeit. Ein frühes Beispiel für das zutiefst unparteiische Rechtssystem und die „hohe Moralität“ der USA!

Dann folgte Vollmoellers 65. Geburtstag, am 7. Mai 1943. Zwar wieder frei, doch seiner finanziellen Ressourcen beraubt, als ehemaliger Inhaftierter in Hollywood unmöglich gemacht, auch in New York ohne jede Chance auf Arbeit, vegetierte Vollmoeller mehr dahin, als dass er lebte. Sein Neffe hatte ihn bei sich in Manhattan aufgenommen. Eine kleine, winzige Kammer war alles, was Vollmoeller für sich geblieben war. Er, der bisher Maßanzüge und edelste Kleidung aus Paris, Rom und London getragen hatte, trug nun abgetragene Kleidung, die ihm mitleidige Mitmenschen überließen, wenn sie dem, in zerfetzten, löchrigen Mänteln, Hosen und Sakkos herumlaufenden Vollmoeller begegneten. Er verließ das Haus kaum, um sich nicht immer wieder selbst erniedrigen zu müssen. Zwei Monate später, Ende Juli 1943 ereilte Vollmoeller die niederschmetternde Nachricht vom Tod seiner Lieblingsschwester Mathilde, die am 16.07.43 in München, im Kreis ihrer Kinder, fern von ihrem, in Florenz weilenden Mann Hans Purrmann, verstorben war. Purrmann setzte sich, aus Angst vor neuen Repressalien durch die Nazis, noch im Juli 1943 aus Italien in die Schweiz ab. Diese ließ ihn einreisen, er nahm in Montagnola, oberhalb des Luganer Sees Wohnung, neben Hermann Hesse, mit dem ihn eine späte, tiefe Freundschaft verband.

Solche Schicksale, wie sie die Herrschaft der Nazis millionenfach hervorbrachte, zeichnen sich gegenwärtig erneut ab. Nicht nur – zu unser aller Entsetzen – in den USA, sondern auch in Europa, in der geschundenen Ukraine, in Gaza, in China und Taiwan. Auch wenn sich die Ursprünge und Anlässe unterscheiden, so zeigt das historische Beispiel der letzten 80 Jahre, wie sprunghaft, widersprüchlich, und zeitweise höchst undemokratisch, die seit 1945 als demokratische Führungsmacht auftretenden USA schon immer waren, und es nur des Hauchs einer Wahl, eines anderen Kandidaten bedarf, um erneut in unschöne, unzivilisierte Verhältnisse abzudriften. Dieses Mal, unter Donald Trump, unter aktiver Mitwirkung der Billionäre und Tech-Größen, bekommt das eine größere, weit bedrohlichere Dimension, zumal der aktuelle US-Präsident kein Hehl daraus macht, wie sehr er Demokratie verachtet, ja hasst, während er Diktatur und Staatsterrorismus mag und anstrebt.

Es ist mehr als fraglich, zumal sich soeben ausgerechnet die falschen Personen und Parteien in Deutschland durchgesetzt haben, ob Deutschland und die EU auch nur annähernd dazu in der Lage sein werden, die radikal veränderte, neue politische Weltordnung und die für unser System damit verbundene existentielle Bedrohung werden bewältigen können. Der Vergleich zwischen historischen Ereignissen, dem damaligen Verhalten der Menschen, ihrer Reaktion auf gesellschaftliche Bedrohung, lässt wenig Raum für große Hoffnung. Ich vermute, wir als Gesellschaft haben mehrheitlich verlernt zu kämpfen, uns für Prinzipien einzusetzen und für diese zu kämpfen. Das spielt den bestimmenden Akteuren der Gegenwart, Putin, XI, Trump und dem Rattenschwanz weiterer Möchtegern-Diktatoren in die Karten. Hoffen wir, nicht bald selbst zu Exilanten, Verfolgten, Inhaftierten zu werden. Die Chancen darauf stehen leider gut.

                      

Titelbild: Kārlis Dambrāns CC BY 2.0 DEED via FlickR

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