Von Jürgen Klute

GUE/NGL ist eine sperrige Abkürzung. Sperriger ist nur noch die vollständige Schreibweise: GUE/NGL steht für Gauche Unitaire Européenne / Nordic Green Left. Das klingt zwar international und passt insofern gut zum Europäischen Parlament (EP). Denn dort hin gehört diese politisch Gruppe.

In deutschsprachiger Übersetzung heißt die Fraktion: Vereinte Europäische Linke / Nordische Grüne Linke – oder, um ganz korrekt zu sein: Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL).

In dieser Fraktion haben sich Abgeordnete zusammengeschlossen aus traditionellen kommunistischen Parteien und aus Parteien, die sich links der Sozialdemokratie verorten, mit starker Menschenrechtsorientierung, teils mit grüner Orientierung und mittlerweile auch mit einem Tierschutzprofil und die – wie der Name sagt – aus Nordeuropa kommen.

Am 18. Dezember 2020* hat sich diese Fraktion einen neuen Namen gegeben, der die politische Erkennbarkeit deutlicher verortet: The Left (Die Linke) als Kurzform. In voller Länge heißt die Fraktion jetzt: The Left group in the European Parliament – GUE/NGL (bzw. Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament – GUE/NGL) Aus Gründen der Kontinuität wurde die alte Bezeichnung integriert.

Der Name der linken Fraktion im Europäischen Parlament hat sich damit sehr stark an den in der Bundesrepublik benutzten Parteinamen „Die Linke“ (deren Vertreter im EP ebenfalls dieser Fraktion angehören) angenähert und auch an den Namen der europäischen linken Partei: “European Left”.

Die erste linke Fraktion links der Sozialdemokratie im EP hieß übrigens „Kommunisten und Nahestehende“ – abgekürzt: KOM – und gründete sich am 16. Oktober 1973. Nach der Europawahl 1989 kam es zur Aufspaltung der Fraktion in zwei Linien: in die eurokommunistisch ausgerichtete Fraktion “Vereinigte Europäische Linke” (VEL) und in die moskautreuere kommunistische “Koalition der Linken” (KdL). Am 19. Juli 1994 gründetet sich die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken (GUE), die sich am 6. Januar 1995 mit der Nordisch Grünen Linken zur GUE/NGL zusammenschloss.

Martina Michels, die seit 2013 der Fraktion angehört, erläutert in dem folgenden Interview die Umbennung ihrer Fraktion von “GUE/NGL” in “The Left”.

Europablog: Bist du zufrieden mit der Umbenennung der GUE/NGL in The Left?

Martina Michels: Ja, damit bin ich sehr zufrieden. Damit wurde eine jahrelange Debatte um die Namensgebung beendet und die Fraktion ist für die Öffentlichkeit von ihrer politischen Ausrichtung deutlicher erkennbar geworden. Für die deutschen Linken ist es besonders erfreulich, da die Übersetzung ja eins zu eins DIE LINKE heißt.

Europablog: Wie ist es zu der Umbenennung gekommen, was waren die Motive und Gründe?

Martina Michels: Die Idee schwirrt schon seit längerer Zeit durch die Fraktion. Immer wieder gab es Vorstöße, den Namen verständlicher und deutlicher zu machen, Versuche, die aber immer im Sande verliefen. Seit ihrer Gründung 1995 hat sich die GUE/NGLerheblich verändert. Manche Parteien sind in Folge der Wahlergebnisse nicht mehr dabei, da sie keine Abgeordneten ins EP schicken konnten. Andere sind neu dazugekommen, wie beispielsweise der portugiesische BLOCO oder DIE LINKE, deren eine Vorgängerin PDS erst 1999 beitrat. 2014 wuchs die Fraktion auf 52 Abgeordnete an, die aus 14 verschiedenen Mitgliedsparteien und unabhängigen Abgeordneten bestand. Nach den letzten Europawahlen hat sich dieser Trend verstärkt. Ein erheblicher Teil der jetzigen Fraktionsmitglieder sind neu. Viele davon sahen sich weder in der Tradition der GUE, noch als Teil der nordisch-grünen Familie, und wünschten sich einen Namen, mit dem sich alle identifizieren können. Hinzu kam, dass sich die mediale Landschaft verändert hat, gerade durch die sozialen Medien. Ein einfacher, leicht verständlicher Name, der nach außen klar zu transportieren ist, vereinfacht die Kommunikation, die politische Zuordnung und Wiedererkennung

Europablog: Wann fing die Debatte um ein Umbenennung an und wer hat sie angestoßen?

Martina Michels: Gute Frage. Wenn ich mich richtig erinnere, kam der Vorschlag schon in der letzten Legislaturperiode. Eingebracht wurde er in meiner Erinnerung durch unsere portugiesischen Genoss*innen vom Bloco de Esquerda und den skandinavischen Fraktionsmitgliedern. Wir deutschen Linken standen von Anfang an hinter diesem Vorschlag, wie ein Großteil der anderen Parteien auch.

Europablog: Weshalb hat die Debatte so lange gedauert?

Martina Michels: Einerseits gab es ja sehr viel wichtigere Arbeit in der EU, wenn man auf die letzten Jahre schaut. Da gerät so eine interne Debatte schon einmal ins Hintertreffen, weil man sich auf die eigentliche politische Arbeit konzentrieren wollte. Andererseits waren in der letzten Legislaturperiode noch mehr Parteien der Meinung, dass der alte Name noch seinen Dienst tut. Eine Konfrontation wegen des Namens und längere Debatten der Selbstbeschäftigung wollten viele nicht eingehen.

Europablog: Wer hat den Prozess der Umbenennung vorangetrieben?

Martina Michels: Vornehmlich die neuen Mitglieder und die nordisch-grünen Parteien. Aber wie gesagt, viele standen dahinter, weil sie gesehen haben, dass ein klarer Name nur Vorteile bringen kann. Wesentlich voran getrieben wurde die Debatte durch konkrete Vorschläge unserer Öffentlichkeitsabteilung.

Europablog: Und wer hat den Prozess eher gebremst und weshalb?

Martina Michels: Einige traditionellere, kommunistische Parteien waren eher abgeneigt, alte Traditionen zu brechen. Sie waren damals an der Gründung der GUE und später an der Zusammenführung der GUE/NGL wesentlich beteiligt und wollten diese Tradition nicht verschwinden sehen, denn sie hat für sie eine große Bedeutung. Da galt es einige Bedenken auszuräumen.

Europablog: Gab es noch andere Namensvorschläge?

Martina Michels: Neben der Beibehaltung von GUE/NGL war relativ schnell klar, dass sich die meisten Mitglieder mit THE LEFT identifizieren konnten. Es ging dann eher darum, ob nur THE LEFT oder THE LEFT in the European Parliament oder eben, ob GUE/NGL noch weiter im Namen bestehen bleiben soll.

Europablog: Weshalb noch der Namensanhang „GUE/NGL“ – macht das die Bemühungen um einen griffigeren Namen der Linken im Europäischen Parlament nicht wieder gleich zunichte?

Martina Michels: Nein, wir nennen uns ja hauptsächlich THE LEFT. Dass GUE/NGL weiter im Namen bestehen bleibt, war ein Zugeständnis bzw. ein Angebot an die traditionelleren Parteien. So fällt ihnen der Übergang nicht so schwer und sie erkennen sich auch in Namen noch wieder.


* Die in diesem Betreig verwendeten histroischen Daten sind dem Wikipedia-Artikel “Die Linke im Europäischen Parlament – GUE/NGL” entnommen; unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Linke_im_Europ%C3%A4ischen_Parlament_-_GUE/NGL (abgerufen am 09.02.2021)

Titelbild: Foto: Gue/NGL CC BY-NC-ND 2.0 via FlickR

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