Peter Scherrer im Gespräch mit Ralf Melzer über die aktuelle Entwicklung und Kooperation der Staaten des West-Balkans

Von Peter Scherrer

Dr. Ralf Melzer leitet seit Juni 2020 das Regionalbüro „Dialog Südosteuropa“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sarajevo. Die Stiftung begleitet auf vielfältige Weise den Transitions- und Entwicklungsprozess der EU-Kandidatenländer Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Die deutsche Stiftung arbeitet in ihren Projekten grenzübergreifend mit politisch Verantwortlichen, Vertretern der Zivilgesellschaft, Vereinen, Verbände, Gewerkschaften, Medien etc. Im Gespräch mit Peter Scherrer beschreibt Dr. Melzer, wie die Länder in der Region des Westbalkans kooperieren, in welcher politischen Verfassung sie sich befinden und was die Europäische Union tun muss, um dem Menschen in Südosteuropa eine glaubwürdige Perspektive zu geben.

Der letzte Westbalkan-Gipfel

Das Medienecho auf den Westbalkan-Gipfel am 6. Oktober 2021 im slowenischen Bodo pro Kranju war deutlich und einhellig. Der Gipfel vertagte den EU-Erweiterungsprozess, die Ergebnisse waren überschaubar.

In der Erklärung des Europäischen Rates wird auf folgende konkrete Ergebnisse verwiesen:

  • der Wirtschafts- und Investitionsplan mit einem Umfang von 30 Mrd. Euro über den Zeitraum von sieben Jahren
  • die Zusage, die COVID-19-Impfquoten zu erhöhen,
  • der Fahrplan zu niedrigeren Roaming-Gebühren,
  • eine Innovationsagenda für den Westbalkan,
  • Aktionspläne zu Green Lanes (Sonderfahrspuren an Grenzen) und Aktionspläne der Verkehrsgemeinschaft.

Europäische Perspektive

In der Stellungnahme des Europäischen Rates heißt es, dass die EU „…bekräftigt, dass sie am Erweiterungsprozess und ihren diesbezüglichen Entscheidungen auf der Grundlage glaubwürdiger Reformen der Partner, einer fairen und strengen Konditionalität und des Grundsatzes der Beurteilung nach der eigenen Leistung festhält.“ Weiter heißt es in der Pressemitteilung des Rates: „Die EU-Führungsspitzen haben in diesem Zusammenhang ferner erneut darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass die EU die eigene Entwicklung aufrechterhalten und vertiefen kann, damit ihre Fähigkeit zur Aufnahme neuer Mitglieder gewährleistet ist.“ Im Klartext bedeutet dies, dass die Europäische Union gegenwärtig eine Menge Hausaufgaben zu erledigen hat, bevor sie überhaupt aufnahmefähig sein kann. Solange dieser Zustand nicht erreicht ist, sollen die Kandidatenländer weiter an sich arbeiten.

Die Enttäuschung und Resignation wächst und das nicht nur in den Kandidatenländern. Auch im Kosovo und in Bosnisen-Herzegowina schwindet das Vertrauen in die Zusagen der Europäischen Union seit langem. Gleichzeitig nehmen die ethnisch-politischen Konflikte an Schärfe zu. Im September kam es bei der Amtseinführung des neuen Metropoliten der Serbischen orthodoxen Kirche zu einem Gewaltausbruch in Montenegro. Die Gesellschaft Montenegros ist seit Jahrzehnten in pro serbische und pro europäische Kräfte gespalten.

Der Streit um internationale Kfz-Kennzeichen führte zu Spannungen an der Grenze des Kosovo zu Serbien. Serbiens Präsident Vučić drohte gar mit einer Intervention.

Der Wortführer der bosnischen Serben in der Republik Srpska, Milorad Dodik, betreibt lautstark die Abspaltung des serbischen Landesteils von Bosnien-Herzegowina. Er artikuliert offen den Aufbau eines von Bosnien-Herzegowina unabhängigen Staatsgebietes, was auch die Gründung eines eigenständigen Militärs einschließt. Die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen, ja eines erneuten Krieges, ist in den letzten Monaten zunehmend Gesprächsstoff im Alltag der Menschen in Bosnien-Herzegowina.

Kroatische Nationalisten versuchen durch die Änderung der Wahlgesetze den Einfluss der Kroaten in der Herzegowina zu stärken.

Mehr zur Situation im Westbalkan im Gespräch von Peter Scherrer mit Ralf Melzer – zum Interview bitte auf das folgende Bild klicken!

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Titelbild: Balkan by Martin Terber CC BY-ND 2.0 via FlickR

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