Von Frederik D. Tunnat
Deutschlands Politik und Gesellschaft krankt an Vielem. Eine dieser deutschen Krankheiten besteht darin, vor, während und nach der Verabschiedung oder Änderung von Gesetzen mögliche Auswirkungen und Alternativen nicht zu bedenken, sowie sich vorab darüber im Klaren zu sein, dass es nötig sein könnte, verabschiedete Änderungen oder neue Gesetze gleich mit einer „Rückfallklausel“ zu versehen, um zum vorherigen Zustand zurückkehren zu können, so sich der als erforderlich oder besser erweist.
Unter Rückfallklausel verstehe ich, z.B. im Zusammenhang mit der Abschaffung der Wehrpflicht, sich bereits seinerzeit bewusst gewesen zu sein, dass sich Umstände ändern können, was es, wie gegenwärtig, erforderlich macht, zum alten Zustand zurückzukehren. Hätten unsere Politiker doch nur die vorauseilende Weisheit gehabt, nicht von einem ewigen Friedenszustand zu träumen, sondern auch die Notwendigkeit künftiger Verteidigung zu bedenken, befände sich sowohl unsere Politik, als auch die Gesellschaft aktuell in einem komfortablen Zustand: man könnte die Rückfallklausel im Gesetz aktivieren, und bräuchte sich keiner lähmenden, gesellschaftlich problematischen Diskussion darüber auszusetzen, ob überhaupt wieder Wehrpflicht, wenn ja für wen, wie viel und wie lang etc.
Noch notwendiger und sinnvoller wäre eine Rückfallklausel gewesen, das dümmliche, inzwischen erwiesenermaßen völlig untaugliche Sommer- und Winterzeitgesetz auf den ursprünglichen Normalzustand zurück zu setzen. So aber haben wir Befürworter und Gegner der einen wie der anderen Zeit und eine EU Kompromissnotwendigkeit, die eine Einigung geradezu unmöglich macht.
Bei all dem Geld und Pensionszusagen, die wir unseren Politikern auf Bundes- und EU-Ebene gewähren, sollten wir doch etwas mehr vorausschauenden Grips voraussetzen dürfen, oder etwa nicht?
Mit einer Rückfallklausel hätten wir gegenwärtig nicht die einerseits widerwärtige, andererseits törichte ständig wiederkehrende Diskussion in Bezug auf Bürgergeld, Hartz IV usw. nicht. Wäre Manager Hartz nur halb so pfiffig gewesen, ein ganzheitliches Zukunftsszenario für den Kanzler der Bosse Schröder zu entwerfen, er hätte – so er ein befähigter Manager gewesen wäre, was er nicht war – die Möglichkeit des Scheiterns seiner albernen Pläne bedacht und für geordnete Rückzugspläne gesorgt. So aber segelte man, wie eins Kolumbus oder Magellan blind drauflos, die Neue Welt bzw. Indien völlig falsch verortend, will sagen: Hauptsache Kosten für Arbeitslose runter, damit wir uns die Aussetzung der Vermögens- und Reduzierung der Erbschaftssteuer leisten können, trotz wachsender Millionen Arbeitsloser.
Die ebenso grausamen wie kurzsichtig-dummen Annahmen der sog. Umstrukturierung des bundesdeutschen Arbeitslosenmarkts und seiner Kosten, dürfen wir seit nunmehr zwei Jahrzehnten mit wachsendem Entsetzen bewundern. Ich behaupte, ohne dies an dieser Stelle mit entsprechenden Fakten und Zahlen zu belegen (was ich könnte, wenn dies eine Studie und kein Artikel wäre), dass das ganze aufwändige Manöver unter dem Strich dem Steuerzahler weder finanzielle Vorteile, noch den Arbeitslosen bessere Chancen und Vermittlung in Arbeit beschert hat. Was tatsächlich dabei herauskam, ist ausufernde Leiharbeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Hungerlöhne, die ständig wachsende Zuschüsse des Steuerzahlers zu Gunsten der Arbeitgeber und Unternehmer generieren, da die ja zum Ausgleich Erbschaften kostenlos einstreichen und seit 25 Jahren keine Steuer auf ihr Vermögen mehr zahlen. Wie sie eben funktioniert, die „ausgleichende“ Gerechtigkeit a la Bundesrepublik. Allmählich, seit etwa zehn Jahren, verstärkt seit Fünfen, dürfen wir beobachten, wie eine wachsende Anzahl unserer Rentnerinnen und Rentner verarmen und verelenden. Das alles dank Herrn Hartz, der keinerlei politisches Amt innehatte, noch gewählt war, wie aktuell Herr Musk in den USA. Und dieser Hartz durfte uns mit seinen fehlgeschlagenen Ideen beglücken. Nicht wirklich meine Vorstellung von repräsentativer Demokratie!
Gehen wir in Gedanken zurück in die Vor-Hartz-Zeit, in der in Deutschland noch relativ gerechte Löhne und Gehälter gezahlt wurden, man sich einer auskömmlichen Rente im Alter erfreute und im Fall von Arbeitslosigkeit auf eine Arbeitsagentur traf, die Arbeitslose mit hinreichender finanzieller Unterstützung versorgte, sowie, so sie sich nicht mühte, bei der Arbeitsbeschaffung aktiv zu helfen, den Arbeitslosen ausreichend Zeit und Geld für Bewerbungen bereit stellte.
Das damalige System war sicher kein rundum gerechtes, aber deutlich gerechter als das, was die inzwischen doppelt vermurkste Hartz 4 Verform nicht Reform, verbrochen hat. Das alte Arbeitslosengesetz machte leistungsorientierte Unterschiede. Wer lange genug in Brot und Arbeit gewesen war, bevor ihn Arbeitslosigkeit ereilte, dem standen bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld zu. Dessen Höhe bemaß sich nach dem zuvor bezogenen Lohn oder Gehalt und machte je Familienstand 58 bis 68% des vormaligen Einkommens aus. Damit konnten Arbeitslose, insbesondere Familienväter mit einer gewissen Würde existieren und verfügten über ausreichend Zeit, um Ersatzarbeit zu finden. Wer es in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht vermochte, eine neue Vollzeitbeschäftigung zu finden, der rutsche automatisch in die Arbeitslosenhilfe. Die war geringer als das Arbeitslosengeld, aber deutlich auskömmlicher, als Hartz 4 oder Bürgergeld. Zudem wurde es zeitlich unbefristet gewährt, um Fälle von Langzeitarbeitslosigkeit abzufedern.
Neben diesen beiden Geldformen für Arbeitslose, die, das kann man nicht oft genug klarstellen, absolut kein staatliches Almosen waren, wie Hartz 4 oder Bürgergeld, sondern angesichts jahre- oder jahrzehntelanger Einzahlungen ins Arbeitslosensystem auf gesetzlich legitimiertem Anspruch beruhten. Das Geld kam nicht vom Steuerzahler, sondern von den Beitragzahlern, aus dem Topf des Arbeitsamts.
Für die früher recht wenigen arbeitslos gewordenen Spitzenverdiener oder Manager, also Führungskräfte, verfügte das Arbeitsamt über eine Sonderagentur für diese. Dort ereignete sich das, was uns Geschichtenerzähler Hartz über sein forderndes aber niemals förderndes Hartz-System weismachen wollte: dort wurde tatsächlich gefördert. Führungskräfte erhielten individuell Beratung von echten, kompetenten Coaches, die sich im Markt für Führungskräfte auskannten. Wenn erforderlich schalten sie auf Kosten des Amtes Personalanzeigen für die Bewerber, vermittelten auch direkt, fast wie Headhunter, Termine für Vorstellungsgespräche, statteten die eh finanziell gepolsterten Führungskräfte-Arbeitslosen mit Geld für Bewerbungen etc. aus. So, wie es sein sollte, wenn man sich aktiv um neue Jobs für Arbeitslose bemüht. Wer nun gleich Ungerechtigkeit und Klassendenken schreit, dem sei gesagt, dass diese mittleren Führungskräfte, so sie überhaupt bei dem Führungskräfteservice landeten, sich diese Sonderbehandlung durch jahrelange Höchstbeiträge ins System quasi „verdient“ hatten.
Ebenso wie den Spezialdienst für Führungskräfte existierte damals das Sozialamt. Das war für all die zuständig, die entweder nie gearbeitet hatten, aus unterschiedlichen Gründen nicht arbeiten konnten, aber keinerlei Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung besaßen. Diese Menschen erhielten das, was wir als Hartz 4 oder Bürgergeld kennen: ein Existenzminimum vom Steuerzahler, ohne darauf Anspruch aus vorangegangener Tätigkeit oder Ähnlichem zu haben.
Die herrliche Idee von Herrn Hartz bestand darin, sich an den Sozialhilfeempfängern zu orientieren, weshalb Hartz4 und Bürgergeld so knapp bemessen sind und waren, wie man das glaubt, Menschen zumuten zu müssen und zu können, die nie oder lange keinen finanziellen Beitrag zum Sozialsystem geleistet haben. Die teils über Jahre und Jahrzehnte ausgebauten Ansprüche der Arbeitslosen, die immer brav wie ihre Arbeitgeber eingezahlt hatten, wurden schlankerhand gestrichen. Die bisherige lebenslange Schutzklausel für zuvor arbeitende und einzahlende Menschen durch die Arbeitslosenhilfe wurde ebenfalls ersatzlos gestrichen. Außerdem wurden die Rentenansprüche drastisch gekürzt, eine neue Formel eingeführt, die z.B. in meinem Fall meine angesparten, eingezahlten Beiträge und die daraus resultierende Rentenhöhe mal so einfach um 25% strich. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Menschen wie ich, die bis zur Einführung von Hartz4 und den anderen Gesetzen ca 30 Jahre lang in Treu und Glauben eingezahlt hatten, ich mehr als zwei Jahrzehnte lang den Höchstbeitrag, wurden enteignet. Anders kann man diesen Streifzug der damaligen Sozialdemokratisch-grünen Regierung nicht nennen. Um die Bosse zu entlasten, nahm man den Rentnern und der arbeitenden Bevölkerung das, was sie viele Jahre in treuem Glauben einbezahlt hatten per Federstrich fort.
Von einem Tag auf den anderen gab es keine Sonderbehandlung mehr für Arbeitslose, Arbeitslosenhilfebezieher oder Führungskräfte. Alle wurden zu Sozialhilfeempfängern degradiert, ihrer erworbenen Ansprüche beraubt und wie Sozialhilfeempfänger oder Migranten ohne Arbeit zu Bittstellern deklariert. Zeitgleich wurden unsere künftigen Rentner arm gerechnet, ebenfalls ihre jahrelangen Einzahlungen zu erheblichem Anteil beraubt, mit dem inzwischen immer deutlicher sichtbar werdenden Resultat der wachsenden Altersarmut. Das ganze Ausmaß der Folgekosten, ausgelöst durch die angeblichen Einsparungen des Hartz IV Systems, wird erst zunehmend deutlich. Wenn sämtliche betroffenen Boomer und deren Kinder als Rentner oder Arbeitslose erst einmal Rente und Hartz IV auf Sozialhilfeniveau beziehen, werden die exorbitanten Folgekosten für den Steuerzahler und unser Sozialsystem in voller Pracht zu Tage treten.
Nimmt man hinzu, mit wie vergleichsweise wenigen Mitarbeitern das alte Arbeitsamt tätig war, im Gegensatz zur heutigen Mammutbehörde Jobcenter, dann sollte uns allein schon angesichts der künftigen Pensions- und Rentenzahlungen Angst und Bange werden. Vergleicht man die heutigen mit den früheren Personalkosten, abzüglich der Inflationsrate versteht sich, so liegen diese im heutigen Jobcenter-System locker 80 bis 100% höher als früher – als wir angeblich so viele Arbeitslose im Land hatten, wie nie zuvor. Der inzwischen eingeführte aberwitzige Kontrollaufwand und das Statistikunwesen der Jobcenter, das ausschließlich dazu dient, tatsächliche Arbeitslosenzahlen klein zu rechnen und die immer mieser werdende Vermittlungsquote der Behörde aufzuhübschen, bindet die Arbeitskraft der sog. Jobvermittler behördenintern, während man die Arbeitslosen mehr denn je sich selbst überlässt und sie mittels Sanktionen gefügig und schweigsam hält.
Das Hartz IV System hat den deutschen Leiharbeitsfirmen, Unternehmen und sog. Bildungsträgern ein Heer fügsamer Sklaven bereit gestellt, die sich zu jeder absurden Idee verbiegen, jede noch so sinnlose, obskure Tätigkeit annehmen, für einen Euro Arbeit für Sozialträger und Kommunen leisten müssen, statt in regulären Jobs zu regulären, sprich fairen Konditionen, mit voller Steuer- und Sozialabgabe tätig sein zu dürfen, um weder während noch nach ihrem Arbeitsleben dem Staat, sprich uns Steuerzahlern auf der Tasche zu liegen. Derweil scheffeln Unternehmen nie erfahrene Profite, dank all der Lohnsubventionierung und Lohndrückerei, die das Hartz IV System über unser Land und seine Arbeitnehmer gebracht hat.
Hartz IV war und ist eine ebenso gigantische Milchmädchenrechnung zu Lasten der Steuerzahler und des Staates, wie es die Aussetzung der Vermögenssteuer, die Reduzierung der Erbschaftssteuer und die Senkung der Einkommensteuer war. Die Summen die fehlen, inzwischen hunderte Milliarden, haben wir als Staatswesen in Form überbordender Staatsverschuldung an der Backe. Die Milchmädchenrechnung, lass den Reichen und Unternehmen ihr Geld, statt sie angemessen zu besteuern, wird für Arbeitsplätze und Wohlstand sorgen, hat sich binnen 30 Jahren, seit Wiedervereinigung, als Lüge erwiesen, da nichts von all den positiven Aspekten eintrat, dafür massive Staatsverschuldung, Lohndumping, ausgelutschte Krankenkassen- und Rentensysteme, bedrohliche Zunahme Armer, Rentner und Soloselbständiger.
Wer all diese inzwischen sattsam bekannten Fakten mitsamt ihren erwiesenen Zahlen nicht wahr haben will, sollte nach Absurdistan, Trumpistan oder Putistan auswandern. Dort sind Realitätsverweigerer, Arschkriecher und Jasager willkommen und sehr gut aufgehoben. Wir, so wir das deutsche Staatswesen und das, was vom einstigen blühenden Sozialstaat noch übrig ist, bewahren wollen, sollten endlich die Rückfallklausel in Kraft setzen. Einkommensteuer für Gutverdiener und Vermögende rauf auf das Niveau vor 1990, Wiedereinführung der Vermögenssteuer wie vor 1998, entsprechend der Vorgaben des Verfassungsgerichts, sowie die Streichung der aberwitzigen Privilegien für Unternehmenserben auf den Stand vor 1998 und vor 1989. Allein dies würde sämtliche aktuellen Fehlbeträge im Haushalt decken.
Rückfallklausel Nr. 2 sollte den Zustand für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger von vor 2004 bzw. 2002 wieder herstellen, um für gerechtere Behandlung langjährig Arbeitender im Fall von Arbeitslosigkeit zu sorgen, sowie Abschaffung des Lohndumping, der Leiharbeit und aller anderen Auswüchse durch Hartz IV. Selbstverständlich wäre der aufgeblähte Behördenapparat der Jobcenter auf das Maß der früheren Arbeitsämter zurück zu stutzen. Das würde zwar einmalig die Arbeitslosenquote in die Höhe treiben, doch langfristig für das frühere Maß an Effektivität sorgen.
Rückfallklausel Nr. 3 sollte auf unsere Politiker angewandt werden, die sich in all den Jahren, in denen breite Teile des Volkes wegen ihrer Fehlentscheidungen darben mussten, übermäßig bereicherten, indem sie ihre Diäten und Pensionsansprüche überproportional in die Höhe jubelten. Deren Diäten sollten als „Dank“ für jahrzehntelange Missmanagement und die getroffenen Fehlentscheidungen zu Lasten der Bevölkerung auf die Beträge vor 1998 reduziert werden, sowie die inzwischen überquellenden Pensionsansprüche müssten wieder auf Normalmaß zurück gefahren werden.
Außerdem sollte sich Deutschland als größte Wirtschaftsnation der EU die Freiheit nehmen, endlich zur Normalzeit zurückzukehren. Die anderen werden schon folgen, wenn wir erst vorangehen.
Dass die Wehrpflicht, eventuell mit gewissen Anpassungen erforderlich ist, sowie Verteidigungsausgaben, wie sie während der Jahre vor 1989 üblich waren, ist Realität und bedarf keiner großartigen Diskussion. Einzig die Frage, wie schnell wir die Ausgabenlücken der Merkelära durch Mehrausgaben in der Gegenwart ausgleichen müssen, ähnlich wie für unsere Infrastruktur, kann genau kalkuliert und berücksichtigt werden, sollte aber nicht lang und breit diskutiert werden, da dazu weder Zeit noch Anlass besteht. Was erforderlich ist, hat zu geschehen, besser sofort, als zu spät. Alles andere würde bedeuten, dass wir in Kürze, wie weiland die Römer ausrufen müssen: Putin ante portas.
In diesem Sinne: begraben wir Hartz IV oder das Bürgergeld, beenden wir Leiharbeit und Lohndumping, führen wir umgehend, wenn nicht gar rückwirkend Erbschafts- und Vermögenssteuer ein und passen die Einkommenssteuer den früheren Tarifen an. Damit wäre zwar nicht alles, aber viel gewonnen.
Bei Einführung von Hartz IV sprangen wir alle wie die Lemminge ins Wasser. Weshalb nun nicht erneut bei der Pirouette zurück. Die wird vielen Lemmingen das Leben, bzw. ihre Rentenbezüge aufbessern bzw. retten und helfen, unseren Staat wieder gerechter und sozial ausgewogener zu machen.
Deshalb nochmals zum Mitschreiben: Rückfallklausel. Die sollte für jede künftige Entscheidung und jedes Gesetz obligatorisch werden. Erspart jede Menge unnötiger späterer Diskussionen und sorgt dafür, dass, sobald es nötig wird, Fehlentscheidungen korrigiert werden können, ohne sich per Diskussion zu zerfleischen. Rückfallklausel !
Wer glaubt, das mit der Rückfallklausel sein eine dumme Idee von mir und in der Realität völlig unmöglich anzuwenden, der schaue sich mal die Geschichte der Automobilindustrie ein wenig genauer an. Dort ist die Rückfallklausel gang und gäbe, wird bloß viel hochtrabender genannt. Als der US Hersteller Chrysler Ende der 1970er in existentielle Krise geriet, holte man den erfolgreichen Ford Manager Lee Iacocca. Der brachte das abnibbelnde Unternehmen auf Vordermann, so gut, dass sich die Manager des deutschen Herstellers Daimler-Benz die Zähne danach zu lecken begannen. Wie oft im Leben, sind Entscheidungen, speziell Multi-Milliardenentscheidungen weniger Ausfluss einer guten Strategie oder ernsthafter Diskussionen. Stattdessen herrscht blinder Egoismus vor. Die Daimler-Benz Manager wurmte, dass selbst abnibbelnde US Konkurrenten ihren Vorständen bis zu zehnfach höhere Summen zahlten, als die gediegenen deutschen Autofirmen. Also beschloss der Vorstand, wie er sich die gewünschte Gehaltsaufbesserung besorgen könne: man kauft sich einen US Autohersteller, verschwurbelt den mit dem deutsche zu Chrysler-Daimler, und schwupps kann man nicht nur, sondern muss sich geradezu, weil das ja in den USA branchenüblich ist, die Einkommen aufbessern. So geschah es. Um Aktionäre und die Mitarbeiter für möglichst dumm zu verkaufen, erfand man nebenbei die Phrase vom internationalen Automobilkonzern, der ohne Chrysler nicht überleben könne. Also eine angebliche Zukunftsvision.
Da man nur an den Vorstandsgehältern, nicht aber an einem internationalen Konzern interessiert gewesen war, ging die Sache nach ein paar Jahren, für einen Betrag von irgendwo zwischen 25 bis 30 Milliarden Dollar/Euro in die Hose. Knapp ein Jahrzehnt nach der überteuerten Übernahme musste sich Daimler von Chrysler für einen Appel und ein Ei trennen, nur um endlich von ständigen Verlusten befreit zu sein. Plötzlich besann man sich (Rückfallklausel) darauf, dass es doch im Grunde genommen viel besser war, eigenständig, national zu agieren. Man war wieder Mercedes-Benz und für nach einem Jahrzehnt voller Verluste, die die deutschen Mitarbeiter verdient hatten, endlich wieder satte Gewinne ein.
Merkwürdigerweise vergaßen die Mercedes Manager die persönliche Rückfallklausel. Ihre amerikanischen Spitzeneinkommen behielten sie, nachdem sie wieder ein deutscher Konzern waren, selbstverständlich bei. Der Aufsichtsrat hätte vor dem Kauf von Chrysler gut daran getan, besagte Rückfallklausel aufzunehmen, für den Fall des Scheiterns, das von Beginn an ebenso abzusehen war, wie das folgende angeblich neue Wachstumskonzept von Mercedes: das in China. Wir wissen, wie das endete. Rückfallklausel?
Als China begann Probleme zu bereiten, holte man sich eine tapferen Schweden, der gab die Parole vom Luxuskonzern aus. Vergaß, weil er beim Chrysler-Daimler Schlamassel noch nicht dabei war, sondern noch ein kleines Licht in der schwedischen Provinz, eine Rückfallklausel einzubauen. Nach weniger als drei Jahren war seine Strategie vom Luxuskonzern Geschichte, die Verluste häufen sich, Mitarbeiter müssen gehen und ausbaden, wie üblich, was der Vorstand, der inzwischen mehr als durchschnittliche US Konzerne verdient, verbockt.
Bin gespannt, ob der amtierende Mercedes Aufsichtsrat mal aus den Fehlern der letzten 30 Jahre lernt und endlich die Rückfallklausel auch bei Mercedes für jede neue Strategie zur Regel macht. Wäre viel einfacher und würde jede Menge Milliarden Verluste ersparen. Rückfallklausel, sollte man sich merken, nicht bloß in der Automobilindustrie, sondern besonders im deutschen Politikbetrieb.
Rückfallklausel bedeutet allerdings auf gar keinen Fall, dass sich die AfD darauf berufen darf, und damit die Neuauflage von Nazideutschland, Drittes Reich 2.0 sozusagen, begründet. Doch in Sachen Steuern, Rente, Arbeitslosensystem, Sozialsystem und Abbau überbordender Behörden darf die Rückfallquote nicht nur gelten, sie sollte, ja müsste es.
Titelbild: Tim Reckmann CC BY 2.0 DEED via FlickR
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